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The Knock-out-Game: Realität oder neue Großstadtsage?

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Eine kleine Notiz im aktuellen Focus (Seite 72) berichtet von einer „neuen Form von Gewalt“:

Bei sogenannten Knock-out-Games attackieren meist jugendliche Täter arglose Passanten auf der Straße mit einem Hieb gegen den Kopf und schlagen sie bewusstlos (daher „knock-out“).

Die Angreifer wollen ihre Opfer nicht einmal ausrauben. Sie lassen sie einfach liegen und rennen weg. Einige Angegriffene sind an den Folgen der Schläge verstorben. Die Polizei sucht nun nach Strategien gegen die Täter.“

bild.de hatte das Thema bereits im November höchst reißerisch auf dem Schirm, andere ziehen langsam nach.

Allerdings schreiben zum Beispiel ShortNews und die Neue Osnabrücker Zeitung deutlich differenzierter als Bild und Focus darüber:

Die Polizei ist nicht sicher, ob es den Trend wirklich gibt.“

Beziehungsweise:

Von einem neuen Trend der Teenager-Gewalt will die New Yorker Polizei nicht sprechen, auszuschließen sei das allerdings auch nicht. In anderen Städten sprechen die Behörden davon, dass das vermeintliche Spiel eher eine urbane Legende sei – ein Schauermärchen. Die begangenen Straftaten seien zufällige Angriffe, wie sie immer mal wieder vorkommen.“

So sieht es tatsächlich aus.

Der Skeptoid-Blog zog schon im Februar Parallelen zu ähnlichen Wandersagen wie etwa dem legendären „Lights Out“-Ritual.

Die Angriffe auf Passanten seien zwar real – allerdings stecke kein Muster oder gar ein „Spiel“ dahinter. Vielmehr handele es sich um eine neue Form von „Old Moral Panic“:

The “knockout game” is nothing more than a series of tragic and unconnected assaults, linked by nothing other than a complete lack of novelty.“

Auch die Doubtful News schreibt von einem „Medien-Hype“:

These trends are self-perpetuating as they make for interesting conversation and gripping news stories.“

Und anscheinend nimmt der Trend gerade erst Fahrt auf.

Zum Weiterlesen:

  • The Knockout Game: New Name, Old Moral Panic, Skeptoid am 12. Februar 2013
  • Not new Knockout Game is media hype, Doubtful News am 26. November 2013

9 Kommentare

  1. Wenn man die amerikanischen Medien etwas verfolgt, merkt man, dass das Thema dort auch diskutiert wird. Eigentlich ist es bislang nämlich nur FOX NEWS, aber langsam geht die Sorge um, dass hier eine selbsterfüllende Prophezeiung herbeizelebriert wird: sprich, wenn alle drüber reden, muss ja was dran sein, und dann ist später tatsächlich was dran, aufgrund von Nachahmern und Tätern, die erst aus den Medien von dem „Trend“ erfahren haben.

  2. @Robert:

    << ber langsam geht die Sorge um, dass hier eine selbsterfüllende Prophezeiung herbeizelebriert wird << Eine solche Reflexionsfähigkeit würde mich bei den rein kommerziellen US-Medien ernsthaft erstaunen.

  3. Na ja, Happy Slapping gibt es schon einige Zeit, vielleicht ist das eine neue Steigerung – mich würde das nicht wundern.

  4. Erinnert an das Bordstein-Bashing. Das kannte man glaube ich auch erst nach den Medienberichten

    oder die Sache mit den farbigen Schnursenkeln

  5. @Bernd: „Eine solche Reflexionsfähigkeit würde mich bei den rein kommerziellen US-Medien ernsthaft erstaunen.“

    Die amerikanische Medienlandschaft besteht zum Glück nicht nur aus CNN und FOX… genauso, wie nicht jeder Amerikaner ein bis an die Zähne bewaffneter Evangelikaler aus dem Süden ist. Es gibt auch sehr gebildete Amerikaner, die Schusswaffen verabscheuen und Kreationismus nicht an den Schulen unterrichtet sehen wollen.

    Außerdem: ein Blick in die lokale Fernseh- und allgemein Medienlandschaft lässt zumindest mir jede Arroganz und Lästerei im Halse stecken bleiben. Klar kann man behaupten, „aller Mist nur importiert“, aber irgendwer GUCKT diesen debilen Prekariats-Mist ja, und irgendwie weiß ja auch immer das ganze Land, was in dem Springer-Papier mit den großen Bildern und Buchstaben steht. Und wenn mal wieder ein faktisch falscher dpa-Text in einem Dutzend Blätter gleichzeitig auftaucht, werde ich angesichts der Selbstbeweihräucherung unserer „Qualitätspresse“ direkt sauer.

    Da wird von einander abgeschrieben was das Zeug hält, aber wir brauchen angebliche das Leistungsschutzrecht. Für was für eine „Leistung“ denn bitte? Gefühlt mindestens 2/3 der deutschen Presselandschaft sind nutzlose, schmarotzende Copy&Paster, die ohne dpa&Co. gleich zumachen könnten. Ich habe ein Zeitungs-Abo, und das bezahle ich gerne: aber eben bei einer Zeitung, die tatsächlich eigene Inhalte produziert und mir zudem alternativ in innovativer Form (ePub) zur Verfügung stellt. So etwas muss man heutzutage leider mit der Lupe suchen.

    Außerdem wird nicht nur Mist importiert: praktisch alle hochqualitativen, innovativen Serien- und Filmformate der letzten Jahre kamen entweder aus Großbritannien, aus Kanada oder den USA, während in Deutschland nur Dünnpfiff wie die „Helden“ produziert wurde. Kunstwerke wie die „Sherlock“-Filme wären in Deutschland derzeit schlicht unmöglich, so traurig das ist. Ich kann übrigens jedem Amerika-Interessierten die „Daily Show“ mit Jon Stewart nur sehr empfehlen; das ist die Vorlage der ZDF-„Heute-Show“ und kann im Netz auch hierzulande gesehen werden; natürlich nicht ganz neutral und leicht links (bzw. „liberal“, wie das in Amerika heißt), aber im Grunde wird jeder und alles gnadenlos verspottet, der/das es verdient.

  6. @Robert:

    Oder „The Walking Dead“ und „American Horror Story“.

    Hier zwei Berichte über die mutmaßlichen Gründe:

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-90750511.html

    http://www.spiegel.de/kultur/tv/mad-men-borgia-millennium-tv-serien-weltweit-a-822803.html

  7. @Bernd: danke für die Links. :)

    Zum eigentlicheren Thema hier auch noch ein paar Verweise:

    Da wäre zum Beispiel die „New York Times“ (http://www.nytimes.com/2013/11/23/nyregion/knockout-game-a-spreading-menace-or-a-myth.html). Diese schreibt z.B.

    „But police officials cautioned that they had yet to see evidence of an organized game spreading among teenagers online, though they have been reluctant to rule out the possibility.

    There is particular concern within the department that widespread coverage could create the atmosphere where such a “game” could take hold in New York.“

    Kurzform: die Polizei weiß nichts von einem Trend, können es natürlich nicht ganz ausschließen, sind aber von der übertriebenen Darstellung in den Medien nicht gerade begeistert.

    Das Online-Portal „The Daily Beast“ (http://www.thedailybeast.com/articles/2013/11/25/guess-what-the-knockout-game-is-america-s-latest-phony-panic.html) nennt das Phänomen schlicht eine „phony panic“, also letztlich: viel Lärm um nichts.

    Es wird nirgends in Zweifel gezogen, dass immer wieder Angriffe und Überfälle passieren, aber bei der Frage, ob es sich um einen „Trend“ handelt, gibt es deutliche Unterschiede zwischen den politischen Lagern. Die WASP-dominierten konservativen Medien springen hier vor allem auf einen klar rassistischen Hintergrund an, indem sie den Mythos der angeblich ach so gewalttätigen schwarzen Jugendlichen bemühen, die ihrerseits angeblich rassistisch motiviert verstärkt weiße Amerikaner angriffen. Will sagen: „WIR sind ja keine Rassisten, aber DIE haben uns auf dem Kieker“. Kein weiterer Kommentar dazu.

    Ähnliche Argumentationsmuster gibt es hierzulande natürlich genauso; nur dass es dann hier halt die bösen „Migranten“ sind, die etwas überspitzt formuliert üblicherweise arabischer oder türkischer Herkunft seien, trotz zweiter oder gar dritter Generation kein „richtiges“ Deutsch sprächen, natürlich sowieso nur von Sozialleistungen lebten und ständig versuchten, den gütigen deutschen Staat in Richtung Scharia/Mittelalter zu bomben. Wie gesagt, etwas auf die Spitze getrieben, aber entsprechende Ressentiments gibt es nicht nur am fäkalfarbigen Außenrand des politischen Spektrums, sondern leider auch mitten in vorgeblichen „Volksparteien“.

  8. Da braucht man ja nur in den Koalitionsvertrag gucken:

    Armutswanderung innerhalb der EU – Akzeptanz der Freizügigkeit erhalten

    Wir wollen im nationalen Recht und im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben durch Änderungen erreichen, dass Anreize für Migration in die sozialen Sicherungssysteme verringert werden. Dafür sind ein konsequenter Verwaltungsvollzug, die Bekämpfung von Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit, eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Zoll und Behörden vor Ort, ein besserer behördlicher Datenaustausch, die Ermöglichung von befristeten Wiedereinreisesperren sowie aufsuchende Beratung notwendig. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sollen Anspruchsvoraussetzungen und Leistungsausschlüsse in der Grundsicherung für Arbeitsuchende präzisiert werden.

    Wenn man sich das in normales deutsch übersetzt, wird einem schlecht….

  9. @ Statistiker
    Sie haben die Anführungszeichen vergessen, die besser hervorheben, dass Sie einen Auszug des Koalitionsvertrag zitieren;-)

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