Es soll Zeitgenossen geben, die heute noch glauben, dass Gunter Sachs die Astrologie „bewiesen“ hat. Vermutlich denken diese Leute auch, dass der Storch die Kinder bringt. Wieso? In Europa nimmt die Zahl der Störche seit Jahrzehnten ab – ebenso sind die Geburtenzahlen rückläufig.
Ich weiß, das Beispiel ist ziemlich alt. Nehmen wir ein anderes: Die weltweite Bevölkerungszahl ist an das Alter der englischen Königin gekoppelt. Denn beide Größen steigen jedes Jahr.
Was hat das mit Gunter Sachs zu tun? Vor zwölf Jahren behauptete der Industriellenerbe und Fotograf, „den wissenschaftlichen Nachweis eines Zusammenhangs zwischen den Sternzeichen und dem menschlichen Verhalten“ erbracht zu haben. In seinem Bestseller „Die Akte Astrologie“ las sich das dann zum Beispiel so:
- Unter den Sternzeichen „Jungfrau“ und „Steinbock“ kommen mehr Fußballspieler zur Welt.
- „Schütze“- und „Widder“-Geborene ergreifen überdurchschnittlich häufig den Beruf des Landwirts.
Diese und noch viele andere signifikante Zusammenhänge präsentierte Sachs in Form von Kreuztabellenanalysen, für die er „Millionen geprüfter Daten“ (Klappentext) aus amtlichen Statistiken ausgewertet hatte. Eine Fleißarbeit. Doch die entscheidende Frage dabei ignorierte Sachs ganz einfach. Nämlich ob aus Zusammenhängen zwischen Sternzeichen und menschlichem Verhalten auch wirklich ein Einfluss der Sterne abgelesen werden kann.
Diesem Fehlschluss erlag zum Beispiel auch die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) in Österreich, als sie 2007 eine „Unfallstatistik nach Sternzeichen“ veröffentlichte. Demnach leben „Fische“-Geborene gefährlicher als andere Menschen. In Wahrheit gibt es einfach nur besonders viele Menschen mit diesem Sternzeichen. Und deshalb kann man in großen Datenmengen merkwürdige Effekte entdecken. Bezeichnenderweise sieht die aktuell veröffentlichte Statistik der AUVA denn auch wieder ganz anders aus.
Der vermeintliche Zusammenhang „kann also völlig bedeutungslos sein“, wissen die Wiener Psychologen Ivo Ponocny und Elisabeth Ponocny-Seliger. „Oder auch ganz andere Ursachen haben.“ Welche, das fanden die beiden Statistik-Experten heraus, als sie mit finanzieller Förderung der GWUP aktuelle Daten der amtlichen Bevölkerungsstatistik Österreichs auswerteten.
Bleiben wir bei Sachs‘ Paradebeispielen Landwirte und Fußballer.
Letzterem liegt ein klassischer „Geburtstagseffekt“ zugrunde, der in Sportvereinen wohlbekannt ist (vermutlich hat Gunter Sachs nie in der F-Jugend Fußball gespielt). Das Ganze hat etwas mit den traditionellen Stichtagen für die Einteilung in Altersklassen zu tun. Denn relativ ältere Kinder zeigen in derselben Altersklasse meistens stärkere Leistungen als die jüngeren. Sie setzen sich daher leichter durch, haben mehr Spaß und bleiben dieser Sportart länger treu als weniger erfolgreiche Spieler.
Was hat es mit den Landwirten auf sich? Hier wirkt sich etwas ganz Ähnliches aus, nämlich saisonale Besonderheiten bestimmter Berufe. Viele Eltern von Landwirten sind selbst Landwirte und praktizieren eine Geburtenplanung, die den Zeitpunkt der Niederkunft in die weniger stressigen Wintermonate verlegt. Um das zu wissen, braucht man nur mal eine Folge von „Bauer sucht Frau„ zu schauen.
„Geburtstagseffekte“ gibt es also tatsächlich.
Und weil „Sternzeichen und Geburtstage aneinander gekoppelt sind, kann ein Geburtstagseffekt leicht als astrologischer Effekt erscheinen“, erklären Ivo Ponocny und Elisabeth Ponocny-Seliger. Diese sind allerdings so klein, dass sie sich auf ganz und gar irdische Art erklären lassen und recht alltägliche Phänomene beschreiben.
Was die beiden Statistik-Experten für ihre Studie „Akte Astrologie Österreich“ sonst noch untersucht haben und mit welchen Ergebnissen, lesen Sie im aktuellen SKEPTIKER, der in wenigen Tagen erscheint.
Link zum Thema:
- Von Eye, Alexander; Lösel, Friedrich; Mayzer, Roni (2003): Is it all written in the stars? A methodological commentary on Sachs‘ astrology monograph ans re-analyses of his data on crime statistics. Psychology Science, 45 (1), S. 78-91.
2. Dezember 2009 um 23:50
Leider nicht ganz geschlossen.
Die AUVA (österreichische Unfallversicherung) hat es sich auch in diesem Jahr nicht nehmen lassen eine Sternzeichen Unfall“statistik“ zu erstellen…
Ohne Gewichtung und Standardabweichung versteht sich…
3. Dezember 2009 um 12:38
Was die AUVA-Sternzeichenstatistik betrifft, so ist wenigstens die Entstehungsgeschichte derselben sehr amüsant zu lesen…
3. Dezember 2009 um 17:36
sehr geehrter herr harder,
ich möchte gerne klarstellen, dass die auva den oben zu recht angeprangerten fehlschluss keineswegs tatsächlich zieht. ich muss es wissen, ich habe diese „analyse“ mit wirklich äußerst geringem zeitaufwand erstellt.
die intention bei der veröffentlichung gerade dieser statistik war eine andere: jeder hat ein sternzeichen, jeder kann opfer eines arbeitsunfalls werden und da prävention nun einmal in den köpfen anfängt, fanden wir es – auch in hinblick auf die beliebtheit der jahreshoroskope – legitim, auch wieder einmal einen aufhänger zu diesem zweifellos populären thema zu bringen. das ganze ist mit augenzwinkern zu lesen!
selbstverständlich können sie bei uns jederzeit statistiken nach tatsächlich relevanten kriterien anfordern – unfallbezogen, opferbezogen, branchenbezogen u.v.a.m.
mfg beate mayer
4. Dezember 2009 um 14:03
@david: gewichtung und standardabweichung hätten bei einem scherz aber eigentlich auch nichts verloren, oder?
abgesehen davon, dass es sich um eine rein deskriptive statistik handelt, und ich 100% der fälle (also alle bisher bekannten) mit unfalldatum im kalenderjahres 2008 „analysiert“ (und ich würd hier gern fünf anführungszeichen setzen …) habe.
4. Dezember 2009 um 15:25
@beate mayer:
Hallo Frau Meyer, als Journalist kann ich Sie natürlich gut verstehen.
Als Skeptiker dagegen frage ich mich natürlich, ob dieser „Scherz“ auch von den Lesern als solcher verstanden wird – was zumindest unserer Erfahrung nach nicht der Fall ist.
Im Gegenteil: Solche Presseveröffentlichungen – auch wenn sie mit besten Absichten verfasst sein mögen – verfestigen in der Öffentlichkeit massiv den Eindruck, dass es sich bei Astrologie um eine ganz anerkannte „Wissenschaft“ handelt, die sogar von bekannten und seriösen Institutionen genutzt wird.
Die Leute jedenfalls, die uns Skeptikern gegenüber mit solchen Presseberichten argumentieren, machen nicht den Eindruck, als würden sie dies mit einem Augenzwinkern tun.
Viele Grüße!
7. Dezember 2009 um 18:21
Die angesprochenen, ebenfalls eher spekulativen realen Geburtstag-Effekte liessen sich dadurch belegen, dass die willkürliche Sternzeichen-Aufteilung der Astrologen ins Visier genommen wird. Also: Statistik pro Tag, und dann sehen, ob der Unterschied von 20.1. zu 21.1 signifikant ist (das wird er sicherlich nicht sein). Gibt es eine solche Studie?
8. Dezember 2009 um 11:42
Danke dass Sie die Astrologie von dem Vereinnahmungsversuch dieses Gunter Sachs befreit haben.