28. Juni 2023
von Bernd Harder
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Es gibt keine „Verschwörungspersönlichkeit“ und der Glaube an Verschwörungstheorien lässt sich auch nicht mit den Big Five-Persönlichkeitsfaktoren erklären.
Vielmehr erfüllt der Verschwörungsglaube verschiedene Bedürfnisse wie Selbstwirksamkeit und Komplexitätsreduktion – darauf hatten wir hier bereits hingewiesen.
Allerdings gibt es durchaus individuelle Persönlichkeitsmerkmale, die Menschen anfälliger für Verschwörungstheorien machen, zum Beispiel „narzisstische, impulsive, distanzierte, ängstliche oder depressive“ Charakterzüge, fand die Psychologie-Doktorandin Shauna Bowes von der Emory University in Atlanta 2020 heraus.
Jetzt hat Bowes eine Meta-Analyse von 170 Studien mit über 158.000 Probanden veröffentlicht, in der sich erneut Schlagworte wie
… unsicher, paranoid, emotional instabil, impulsiv, misstrauisch, zurückgezogen, manipulativ, egozentrisch oder exzentrisch
als psychologische Faktoren der Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien finden.
Die stärksten Korrelationen zeigten sich indes zwischen konspirologischem Denken und
- einem Gefühl von Gefahr oder Bedrohung
- dem starken Glauben an die eigene Intuition sowie „odd beliefs and experiences“ (Erfahrungen, die von der Realität abweichen)
- sich anderen Menschen überlegen fühlen oder Antipathien hegen
Die Meta-Studie wurde im Psychological Bulletin der American Psychology Association veröffentlicht.
Eine ganz gute Einschätzung gibt’s auch bei Extremismus.info:
Ein Szenario, das ein hohes Risiko für das Glauben an Verschwörungstheorien birgt, wäre eines, in dem (1) emotionalisierte Informationen (2) aus einer vertrauenswürdigen Quelle (3) eine Person dazu bringen, eine legitime Bedrohung von außen (4) für eine wichtige Peer-Gruppe wahrzunehmen; (5) diese Bedrohung ist relativ unbekannt und (6) es kann wenig dagegen unternommen werden; und (7) die Person befindet sich in einem emotionalen Zustand (sei es Wut oder Angst), nachdem sie kürzlich ein persönliches Trauma oder eine Krise erlebt hat.
Das Schlüsselwort hier ist Wahrnehmung: Keines der oben genannten Kriterien muss objektiv wahr sein, um Verschwörungsdenken auszulösen. Entscheidend ist, wie die jeweilige Person die Situation wahrnimmt, die stark von einer Vielzahl von psychologischen Vorurteilen und kognitiven Faktoren beeinflusst wird.
Zum Weiterlesen:
- „Epistemische Laster“ machen anfällig für den Glauben an Verschwörungstheorien, GWUP-Blog am 18. Juli 2021
- Verschwörungstheorien: Die Heimwerker der alternativen Wissenskonstrukte, GWUP-Blog am 5. November 2020
- Menschen glauben Verschwörungstheorien eher, wenn sie ängstlich, distanziert oder narzisstisch sind, sagen Forscher, business-insider am 7. Oktober 2020
- Komplexe Mechanismen: Warum Menschen an Verschwörungsmythen glauben, mdr am 26. Juni 2023