Hirschhausen und Long-Covid – die Pandemie der Unbehandelten
Nach meiner letzten Doku über Long-Covid haben mir unfassbar viele Menschen geschrieben. Menschen, die kaum Gehör finden. Für sie mache ich diesen Film.
Es ist ein Film über Ärztinnen und Ärzte, die ihren Patientinnen und Patienten gerne helfen würden, doch denen die Unterstützung fehlt. Über verzweifelte Betroffene, die sich selbst helfen. Über Therapien, die kontrovers diskutiert werden. Und über Ärzte, die Long-Covid immer noch für ein Psycho-Problem halten.
Und es geht auch darum, ob die Politik genug Verantwortung übernimmt.
Nach dem großen Erfolg von „WTF!? – Wissenschaft trifft Freundschaft“ am 3. und 4. Juni in Leipzig soll die Veranstaltung künftig jedes Jahr parallel zum WGT stattfinden.
Einen sechsseitigen Bericht mit vielen Fotos und Stimmen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern gibt’s im neuen Skeptiker (2/2022).
Am Rande des Events sprachen wir auch mit der Initiatorin Lydia Benecke.
GWUP: Der letzte Block der Veranstaltung am Samstagabend hieß „Zerteilte Leichen und Nachtmusik“. Kein Wunder, dass die Leipziger Zeitung diesen Claim aufgriff, denn prägnanter kann man das Besondere, die Vielfalt und Skurrilität von „WTF!?“ kaum ausdrücken. Wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Event?
Lydia Benecke: Beim Wave Gotic Treffen in Leipzig, kurz WGT genannt, bin ich von 2014 bis 2019 in jedem Jahr aufgetreten. Mein guter Freund und „WTF!?“-Co-Präsentator Christian von Aster war sogar 21 Jahre lang fester Bestandteil des Programms.
Bezüglich des ursprünglich geplanten und bis in dieses Jahr verschobenen WGT 2020 wurde uns vonseiten der WGT-Veranstalter mitgeteilt, dass man uns nicht zum WGT buchen würde. Und das, obwohl unsere Vorträge und Lesungen praktisch immer überfüllt waren. Die Hintergründe dieser Absage waren in beiden Fällen unterschiedlich und brauchen wir an dieser Stelle nicht zu vertiefen.
Jedenfalls haben wir daraufhin beschlossen, dass wir trotzdem zu Pfingsten nach Leipzig kommen. Denn zum einen sind wir besonders in dieser Zeit gerne hier, weil man zahllose befreundete und bekannte Menschen aus der schwarzen Szene aus allen Teilen Deutschlands trifft. Und zum anderen wollten wir die Menschen, die beim WGT sind und sich auf uns und unsere speziellen Programmpunkte freuen, nicht enttäuschen.
Deshalb habe ich sehr kurzfristig zusammen mit meinem Management eine Parallelveranstaltung zum WGT organisiert. Das „WTF!?“ ist mein eigenes, privat finanziertes Projekt. Und es hat mich sehr gefreut, dass Christian das Event mit seiner Person und seiner Popularität tatkräftig unterstützt und aktiv mitgestaltet hat.
Zwei, drei Vorträge von Dir und eine Lesung von Christian von Aster hätten es nicht getan?
Als ich mit meinem guten Freund und Manager Jan Diercksen sowie meinem Lebensgefährten Sebastian darüber gesprochen habe, ist die Sache immer mehr gewachsen. Erstens macht es für mich keinen Sinn, eine Location wie den Leipziger Kupfersaal mit Team und Technik nur für ein paar Stunden zu mieten.
Zweitens stehe ich immer schon auf dem Standpunkt: Think Big. Wenn schon, dann sollte das Ganze auch eine große, coole, diverse Nummer mit ganz verschiedenen Themen und Referent:innen werden.
Was es dann auch geworden ist. Ich zitiere nochmals aus der Leipziger Zeitung: „Diskutiert werden Themen wie Gewalt in Partnerschaften, autoerotische Unfälle, Leichenzerstückelungen sowie die überraschend verschiedenen Motive für Tötungsdelikte allgemein.“ Aber auch klassische skeptische Themen wie Verschwörungstheorien, Ghosthunting, Vampirzeichen und mehr standen auf dem Programm.
Bekanntermaßen bewege ich mich beruflich und privat in sehr unterschiedlichen Bubbles. Da gibt es zum Beispiel die Skeptiker, aber auch die sogenannte schwarze Szene. Diese beiden sozialen Gruppen wirken auf den ersten Blick sehr verschieden, aber ich sehe durchaus ein paar Gemeinsamkeiten.
Hier wie dort treffe ich Menschen, die offen sind für neue Erkenntnisse, Informationen und Erfahrungen. Das erklärt auch, warum mein Freundschafts- und Bekanntschaftskreis eine größere Schnittmenge beider Gruppen aufweist. Aus diesem Grund habe ich bei meinen WGT-Vorträgen stets einen Fokus auf Wissenschaftskommunikation gelegt, etwa zu der Frage, wie Wissenschaft überhaupt funktioniert und warum die Beurteilung von Straftaten keine Sache des Bauchgefühls ist, sondern einer wissenschaftlichen Methodik folgt.
Die Überlegung vor dem „WTF!?“ war dann einfach die: Was wäre, wenn ich das Beste aus diesen beiden Subkulturen – Skeptiker und schwarze Szene – zusammenbringe und mit meinen Berufs- und Medienthemen Kriminalpsychologie und True Crime verbinde? Das ist im Grunde das, was hier zwei Tage lang passiert ist. Und da ich sehr viele großartige Menschen kenne, war es nicht schwierig, tolle Referentinnen und Referenten zu bekommen.
Auch das Publikum hat die Idee angenommen. Die Altersspanne der Besucher:innen war sehr groß, es waren – erkennbar an der Kleidung – viele Leute aus der schwarzen Subkultur da, aber auch viele nicht aus dem normalen WGT-Umfeld. Ebenfalls erkennbar an der Kleidung.
Bei aller Diversität des Programms konnte man allerdings trotzdem einen roten Faden erkennen.
Genau. Ich denke, eine Erkenntnis, die in fast allen Vorträgen rüberkam, ist die, dass der menschliche Verstand so seine Tücken hat. Zum Beispiel was die Realitätswahrnehmung angeht.
Egal ob es um Verschwörungsglauben, Geistererscheinungen, Gewalt in Partnerschaften oder Sagengeschichten rund um den Tod geht: Dass es faszinierende Wahrnehmungsphänomene gibt und Wahrnehmung daher immer subjektiv ist, konnten sicher alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit nach Hause nehmen.
Ich wünsche mir, dass durch die Art und Weise der Wissenschaftspräsentation beim „WTF!?“ die Leute merken, wie vielseitig, alltagsnah und anwendbar wissenschaftliche Erkenntnisse sind. Und dass daraus das Interesse erwächst, sich tiefer damit zu beschäftigen.
Im GWUP-Blog wurde gerade das von zwei Kommentatoren in Abrede gestellt, weil der Titel „WTF!?“ falsche Assoziationen wecken und daher unseriös und abschreckend wirken würde.
Sorry, aber das ist die einzige negative Resonanz auf den Veranstaltungsnamen, die ich irgendwo gehört oder gelesen habe. Entstanden ist der Name, als wir in Köln zusammensaßen, mit Menschen, die nichts mit Skeptizismus oder Gothic-Kultur zu tun haben, und uns fragten, wie wir das Festival denn nennen könnten.
Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation sollten im Vordergrund stehen, aber auch Begegnung und Freundschaft, und das Ganze zeitgleich mit dem WGT. Zwei Freunde kreierten dann das Kürzel „WTF!?“. Das ist cool und jeder fragt sich erst mal, was es bedeuten soll.
Aus Marketingsicht also ideal. Immerhin ist das Event ein voller Erfolg geworden.
Wie geht es damit weiter? Wäre es nicht möglicherweise doch anzustreben, dieses Wissenschaftsfestival offiziell ins WGT zu integrieren?
Das WGT ist natürlich eine phantastische Veranstaltung, aber das, was wir dieses Jahr hier im Kupfersaal auf die Beine gestellt haben, ein zweitägiges intensives Parallelprogramm – das gab es meines Wissens noch nie in dieser Form.
Der Grundgedanke war ja, weit über das hinauszugehen, was Christian und ich sonst beim WGT gemacht haben. Und wie großartig das geklappt hat, beeindruckt mich selbst total. Immerhin hatten wir nur drei Wochen Zeit für die Homepage, Ankündigung, Werbung, Pressearbeit und den Vorverkauf. Trotzdem haben wir es einfach mal ausprobiert. Mit einem deutlich größeren Vorlauf im nächsten Jahr bin ich sehr sicher, dass wir noch mehr Menschen dafür begeistern können. Auch die günstigen Eintrittspreise werden wir versuchen, beizubehalten.
Es geht nicht darum, mit dem „WTF!?“ etwas zu verdienen, sondern nur die Kosten zu decken. Das ist derzeit der Plan für 2023.
Nicht nur wegen der Kosten ist es vermutlich illusorisch, ein solches Wissens-Festival in dieser oder ähnlicher Form zum Beispiel auf Regionalgruppen-Ebene zu organisieren?
Ohne Kontakte zur Veranstaltungsbranche ist so etwas in der Tat kaum zu stemmen. Aber was jede GWUP-Regionalgruppe oder Skeptiker-Stammtisch auf die Beine stellen kann, ist ein Skeptics in the Pub-Vortrag. Davon sollte es viel mehr geben. Da spielt der finanzielle Aspekt praktisch keine Rolle und über Social Media kann man eine große und vor allem auch jüngere Zielgruppe gut erreichen.
WTF? WTF! Warum beim WGT 2022 für Lydia Benecke einiges anders läuft, Leipziger Zeitung am 1. Juni 2022
Kriminalpsychologin Lydia Benecke im Interview: „Kaum ein Thema erzeugt so schnell und heftig Emotionen wie Verbrechen“, Leipziger Zeitung am 2. Juni 2022
Kriminelles, Sexuelles, Geister, Vampire, Verschwörungen: Das Wissenschafts-Event am Pfingst-Wochenende in Leipzig, GWUP-Blog am 15. Mai 2022
KenFM gibt es nicht mehr. Allerdings finden sich „alle früheren Inhalte von KenFM, alles, was war, von Me, Myself and Media über Positionen bis zu Im Gespräch“ auf einer neuen Seite namens Apolut.
Er selbst sei dort nur als Berater für das neue Angebot „im Hintergrund aktiv“, erklärte Jebsen im Oktober 2021.
Walulis Daily hat sich seine neuesten Auftritte bei Apolut und anderen Plattformen angesehen. Von Jebsens großspurigen Ankündigungen, ins Ausland zu gehen und eine Art Journalistenschule aufzumachen, ist offenbar nichts realisiert worden.
Was gleich geblieben ist: „Krude Thesen“ und die „gewohnte Schwurbelei“.
Zum Weiterlesen:
Ken Jebsen: ständig ausweichen und zu nichts stehen, GWUP-Blog am 3. Juli 2021
„Cui Bono – WTF happened to Ken Jebsen?“ – Sechsteilige investigative Podcast-Reihe, GWUP-Blog am 13. Juni 2021
Verdachtsfall“: KenFM wird vom Verfassungsschutz beobachtet, GWUP-Blog am 28. Mai 2021
Beim Irritieren verirrt: Wie aus Ken Jebsen der große Verschwörungsideologe wurde, Über Medien am 13. Juni 2021
Eine Tragödie namens Ken Jebsen, tagesspiegel am 12. Juni 2021
Apolut: Das neue KenFM? Belltower News am 17. November 2021
Der Schauspieler und Kabarettist Florian Hacke über Homöopathie:
Für die einen ist sie die „sanfte Alternative“ zur „Schulmedizin“, für die anderen überteuerter Humbug. Aber die Schwester meines Schwagers hat einen Bekannten, und dessen Nachbarin hat sie auch geholfen. Echt. Meine Frage ist: Wenn ich mein Brillengestell mit in D12 potenzierter Adleraugenessenz anreichere, wird es dann auch Kassenleistung?
Das Transkript der Zwei-Minuten-Episode findet sich hier.
Zum Weiterlesen:
„Wo hatten die Reviewer ihre fünf Sinne“, als sie diese Arbeit zu Homöopathie und ADHS begutachteten? GWUP-Blog am 21. Juni 2022
FAS: Globuli ins Süßwarenregal, GWUP-Blog am 14. Juni 2022
Das seltsame Finanzgebaren der „Querdenken“-Bewegung war praktisch seit Beginn der Corona-Proteste ein Thema.
Am 18. Mai 2021 veröffentlichte „Querdenken 711 – Stuttgart“ eine Pressemitteilung, in der „Einnahmen von 8.073 Euro“ für das Jahr 2020 angegeben wurden. Dem stehen allerdings Medienrecherchen (z.B. „Der geschäftige Herr Ballweg“) und Insiderberichte gegenüber, die von Schenkungen, Merchandising-Erlösen etc. im sechstelligen Bereich ausgehen.
Letzteres erscheint offenbar auch den Behörden plausibel, denn „nach Informationen von t-online wurde Michael Ballweg am Mittwochmittag festgenommen“.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte den Namen des Festgenommenen nicht, teilte aber auf Anfrage mit, dass es eine Hausdurchsuchung und eine Festnahme gegeben habe. Dabei gehe es um den Verdacht des Betrugs und der Geldwäsche.
In einer Pressemitteilung heißt es, der Mann werde verdächtigt, einen „höheren sechsstelligen Betrag“ an eingeworbenen Zuwendungen zweckwidrig für sich verwendet zu haben. Bei seinen Aufrufen für Schenkungen soll er die Anhänger über die beabsichtigte Verwendung getäuscht haben.
Der „Querdenken“-Anwalt Ralf Ludwig hat bei Telegram die Festnahme indirekt bestätigt
… und erklärt dazu, die Vorwürfe beträfen „ausschließlich die politischen Aktivitäten von Michael Ballweg. Es war anzunehmen, dass – ähnlich wie bei Sucharit Bakhdi – Vorwürfe konstruiert werden, um die vermeintlich führenden Köpfe mit staatlicher Gewalt verfolgen zu können“.
So kann man es natürlich auch sehen. Wienand schreibt weiter, es gebe zwei Tatverdächtige:
Bei der zweiten verdächtigen Person handelt es sich nach t-online-Informationen um Ballwegs Ehefrau, die auch mehrfach öffentlich auftrat. Die Polizei teilte mit, beschlagnahmtes Beweismaterial müsse nun ausgewertet werden. Es wurde allerdings schon wie von einem Gericht angeordnet Vermögen sichergestellt, das mit einer Straftat erzielt worden sein könnte.
Die „Querdenker“ senden ihrem Chef derweil „gute Energien“,
… die allerdings wohl nur „sehr, sehr wenig“ (Schwurbelwatch) gegen den Verdacht des Betrugs und der Geldwäsche helfen.
Und dass sie selbst mutmaßlich finanziell betrogen worden sind, scheint ihnen auch nicht klar zu sein:
Zur gemeinsamen Presseerklärung von Polizei und Staatsanwaltschaft geht es hier.
Und wer nochmal sehen will, wie Ballweg Fragen nach seinen Finanzen stets ausgewichen ist:
Bester Satz: „Die [Querdenken-Anhänger] wollen das gar nicht wissen“ [wofür er das Geld eigentlich verwendet].
Updatevom 30. Juni:
Wir analysieren hier die bisher bekannten Tatsachen auf Grundlage unserer früheren rechtlichen Einschätzungen zur Natur der Schenkungen […] Für Bodo Schiffmann könnte es auch noch kritisch werden, wenn die Spendeneinnahmen aus der Flut nicht bald ankommen, da die Abtretung alleine das Problem nicht löste.
Update vom 4. Juli
Querdenken 711 hat 1,04 Mio Ausgaben behauptet, aber die Ermittler gehen davon aus, dass 640.000 EUR entgegen der Ankündigung privat verwendet worden seien. Bis heute behauptet Querdenken, dass nur ehrenamtlich gearbeit werde und dass Herr Ballweg sein eigenes Vermögen in die Bewegung eingebracht habe. Jetzt kommt es darauf an, ob dies gelogen war und ob die Zuwendungen davon abhängig waren.
Zum Weiterlesen:
Michael Ballweg: Dann machen sie ihn eben zum Märtyrer, Zeit-Online am 30. Juni 2022
Polizei nimmt „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg fest, t-online am 29. Juni 2022
Kein Geld, keine Verhandlung, kein Goldener Aluhut für Ballweg, GWUP-Blog am 25. Februar 2022
Querdenken-711-Gründer Michael Ballweg hat Geldsorgen, swr am 18. Februar 2022
„Querdenken“: Keine Transparenz bei Spenden? BR24 am 15. September 2020
Dubiose Spenden-Machenschaften von Querdenken und Klagepaten: Wo geht das Geld hin? volksverpetzer am 16. September 2020
Zoff bei „Querdenken“ geht weiter: Abrechnung mit den „Funktionären“ Ballweg und Co., GWUP-Blog am 18. November 2021
Markenrechte, Merchandising, Schenkungen, Bustransfers: Womit „Querdenken“ Geld verdient, GWUP-Blog am 27. November 2020
Michael Ballweg ist der Corona-Unternehmer des Jahres und gewinnt den „Goldenen Coroni“, GWUP-Blog am 18. Dezember 2020
Plüschtier-Schwurbler vor Gericht, GWUP-Blog am 23. Juni 2022
Staatsanwaltschaft Heidelberg klagt Bodo Schiffmann an, GWUP-Blog am 13. April 2022
Anwalt Jun über die „Loser“ der Coronaleugner-Szene – Naidoo, Füllmich, Ballweg bis Schiffmann, GWUP-Blog am 29. April 2022
Nach eineinhalb Jahren Funkstille ist am Freitag eine Botschaft („Q-Drop“) bei 8kun erschienen:
Shall we play a game once more?
Auf die Frage eines Users
Throw us a bone Q, we’ve all been waiting for what seemed like an eternity.What’s going on?
antwortete Q:
It had to be done this way.
Weitere Botschaften von Freitag und Samstag lauten:
Unter dem Namen „Q clearance patriot“ tauchte im Oktober 2017 ein anonymer User in dem Imageboard 4chan auf, der sich den Anschein eines hochrangigen Mitglieds von Donald Trumps innerem Kreis gab. Kurz darauf wechselte er auf die Internetplattform 8chan (heute 8kun).
Diese Person will die Sicherheitseinstufung „Q Clearance“ des US-Energieministeriums besitzen, die den Zugang zu streng geheimen Informationen – allerdings nur dieser Behörde – erlaubt. „QAnon“ (von „Q Clearance“ und „Anonymous“) bezeichnet sowohl den angeblichen Insider als auch die Verschwörungsmythen, die er verbreitet.
Dazu gehört die Behauptung, dass eine reiche Elite aus Politikern, Beamten, Geheimdienstlern, Hollywoodstars etc. einen globalen Kinderhändlerring betreibe und zugleich einen Putsch plane, um die USA in eine Diktatur zu verwandeln. Trump sei von patriotischen Militärs ins Amt gehievt worden, um diese Verschwörung zu stoppen und den „Deep State“ auszuschalten.
Im Februar 2022 fanden Computerlinguisten Hinweise darauf, dass sich hinter „Q“ der Amerikaner Ron Watkins (Sohn des 8kun-Betreibers Jim Watkins) oder der südafrikanische Software-Entwickler und ehemalige 4chan-Moderator Paul Furber verbirgt.
Was hat das unvermittelte Wiederauftauchen von „Q“ zu bedeuten?
Oder klinkt sich „Q“ bewusst in die soziale und kulturelle Instabilität der USA ein, die mit dem Abtreibungsurteil des Supreme Court vor zwei Tagen einen neuen Höhepunkt erreicht hat?
Dafür spricht der Satz „Who was Jane Roe?“ in der Botschaft vom 25. Juni, der auf die historische Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht („Roe v. Wade“) von 1973 verweist.
QAnon-Anhänger könnten die aktuelle Aufhebung dieser bahnbrechenden Entscheidung, welche damals ein verfassungsmäßiges Grundrecht auf Abtreibungen verankerte, als Signal für einen Wendepunkt interpretieren, der die Vorhersagen von „Q“ wieder in den Bereich des Möglichen rückt:
Das gießt Öl ins Feuer und verstärkt die Angst der Menschen vor der Zukunft,
Und auch für Ron Watkins kommen die neuen „Q-Drops“ zur rechten Zeit. Er tritt nämlich bei den Vorwahlen für einen Kongresssitz in Arizona an. Am 2. August.
Da wird es langsam Zeit, die QAnon-Fans zu mobilisieren.
Allerdings, warnt die Soziologin Daniela Peterka-Benton in der NYT, sollte man in die Botschaften vielleicht nicht zu viel hineininterpretieren. Möglicherweise gehe es der unbekannten Person auch nur darum, „die Welt brennen zu sehen“:
I don’t think this person has a plan. But I think they really enjoy that they have so much power.
Zum Weiterlesen:
The Leader of the QAnon Conspiracy Theory Returns, New York Times am 25. Juni 2022
Ist „QAnon“ identifiziert? (Er ist jedenfalls kein hochrangiges Mitglied der Trump-Regierung), GWUP-Blog am 13. September 2020
Video: Was macht Andrew Wakefield bei einem Treffen von QAnon-Anhängern? GWUP-Blog am 18. März 2022
Qanon stürzt sich auf die Ukraine, jungle world am 10. März 2022
Neue Broschüre zu QAnon, GWUP-Blog am 12. Juni 2021
Die Meta-Verschwörung: QAnon „war nie weg und hat weiterhin Zulauf“ – und jeder Zehnte in Deutschland glaubt daran, GWUP-Blog am 1. April 2022
Vor fünf Jahren berichteten wir über eine Urban Legend, die tatsächlich wahr wurde: das „Rib removal“.
Erleben wir gerade wieder das Gleiche – annähernd jedenfalls?
Jahrzehntelang geisterten „der Verrückte mit der Aids-Spritze“ beziehungsweise HIV-verseuchte Nadeln in Kinositzen durch die Welt der Großstadtsagen. Und regelmäßig gaben Polizei und Faktenchecker Entwarnung.
Im Herbst 2021 tauchten in ganz Großbritannien schockierende Berichte über eine neue Gefahr für junge Frauen auf: Nadelstiche.
Das Opfer ist mit Freunden unterwegs, als die junge Frau sich plötzlich benommen fühlt, obwohl sie nur wenig Alkohol getrunken hat. Sie verliert das Bewusstsein und wird von Freunden nach Hause oder in ein Krankenhaus gebracht.
Am nächsten Tag kann sich die Betroffene an das Geschehene kaum erinnern. Als sie ihren Körper untersucht, entdeckt sie an sich eine kleine Wunde, die aussieht wie eine Einstichstelle.
So fasste Psychology Today im Februar die zahlreichen Berichte über „The British Needle-Spiking Panic“ zusammen. Mittlerweile hat die britische Polizei mehr als 1000 Fälle von „Needle Spiking“ registriert, also Angriffe mit Spritzen in Nachtclubs, bei denen den Opfern absichtlich Rauschmittel injiziert werden.
Es gab einige Festnahmen von Verdächtigen, aber „no-one has been charged“.
In Berlin machte Ende Mai die Künstlerin Alison Lewis alias Zoe Zaninas einen „needle spiking incident“ im Berghain publik:
Es ging alles ganz schnell, aber ich war zum Glück nicht allein. Das meiste haben mir meine Freunde später erzählt. Ich bin wohl zusammengebrochen und ein Freund ging sofort Wasser holen. Ein anderer, den ich gar nicht kannte, rief die Security und das hat mir wohl das Leben gerettet.
Der Redakteur fragt nach, wie sie denn auf die Spritze gekommen sei?
Ich hatte schon Nachrichten darüber aus London gehört. Dass es dort passiert sei. Und letztlich brachte das Berghain uns auf die Idee: Sie sagten mir, ich solle meinen Körper nach Nadelstichen absuchen. Und direkt am Dienstagabend fand ich einen, an meiner linken Schulter, wie bei einer Impfung. Ich habe den Stich von einem Arzt untersuchen lassen und der sagte auch, es sei sicher ein Nadelstich.
Ähnlich schildert die 19-jährige Studentin Sarah Buckle ihr Widerfahrnis am 28. September 2021 in einem Club in Nottingham:
Offenbar verfestigte erst ein Gespräch mit den Krankenschwestern in der Klinik ihre Überzeugung, dass sie sich „in line with those people who have been spiked“ befindet.
Fakt ist:
Alison Lewis und Sarah Buckle beschreiben absolut glaubhaft Erlebnisse und Symptome, die an Erfahrungen von Opfern des sogenannten „Drink Spiking“ erinnern. Dabei geht es um berauschende Substanzen,
… die die Täter in die Getränke ihrer Opfer mischen, Ketamin oder GBH etwa, besser bekannt als K.-o.-Tropfen, um sie auszurauben oder zu vergewaltigen,
Fraglich ist hingegen, ob es „K.-o.-Tropfen als Spritze“ (Esquire) wirklich gibt, also „Needle spiking“.
Zwar verortet Wikipedia das Phänomen mittlerweile in ganz Europa – was allerdings fehlt, sind bestätigte, nachweisbare Fälle.
T-Onlineberichtete diese Woche von einer „Needle-Spiking-Attacke im Club Ost“ in Berlin:
Aber hat es den Angriff wirklich gegeben? Viele Fragen sind offen […]
Andrea Piest vom Projekt Sonar für ein sicheres Berliner Nachtleben sagte dem rbb Mitte Juni, dass darüber hinaus keine Fälle gemeldet worden seien. Der Berliner Polizei scheint das Phänomen gänzlich unbekannt zu sein. In den vergangenen Jahren habe es keine einzige Anzeige in diese Richtung gegeben, sagte ein Sprecher am Anfang der Woche.
„Nach wie vor [ist] kein Fall zur Anzeige gebracht worden“, unterstreicht Andrea Piest in dem besagten rbb-Interview.
Typisch ist eine Schlagzeile der NL Times vom 21. Juni:
Praktisch parallel dazu schrieb aber DutchNews, dass beim DenHaag Outdoor-Festival ein Mann festgenommen wurde, der eine Spritze bei sich trug. Unklar sei jedoch, ob der 31-Jährige versucht habe, damit eine Festivalbesucherin zu stechen:
Some say he did it, but we don’t know,
sagte eine Polizeisprecherin. Der Mann soll noch vierzehn Tage in Untersuchungshaft bleiben.
Psychology Today gibt zu bedenken, dass es sich beim „Needle spiking“ um einen „urban myth“ handeln könnte.
Was spricht für eine Wandersage?
Zum einen die große Zahl an anekdotischen Berichten ohne Belege, wie etwa Nachweise von illegalen Drogen im Blut oder Urin. Und was die „Einstichstellen“ angeht: Die allermeisten Menschen dürften Läsionen unbekannter Herkunft mit sich herumtragen (zum Beispiel durch Insektenstiche), die erst bei einer intensiven Inaugenscheinnahme des Körpers auffallen.
Zum anderen die zeitversetzte europaweite Verbreitung der Story vom Herbst 2021 in Großbritannien bis zur „K.O.-Spritze im Club Kraftwerk“ in Soest Anfang Juni 2022.
Und nicht zuletzt auch die fragwürdige Plausibilität.
Der Spiegel zitiert einen Suchtmediziner, der es für „problemlos“ möglich hält, einen Stoff auch durch ein Kleidungsstück hindurchzuspritzen. Dem widersprechen allerdings andere Experten, zum Beispiel in dem Beitrag
Needle Spiking – Panikmache oder berechtigte Sorge?
des SWR-Youtube-Kanals „Brust raus“:
Der Drogenkonsum-Forscher Prof. Harry Sumnall von der Liverpool John Moores University sagt zum Beispiel, dass die Injektion einer Substanz per Spritze in einem dunklen, vollen Raum unbemerkt gar nicht so einfach durchzuführen ist. Man würde 20 bis 30 Sekunden für die notwendige Dosis brauchen.
Prof. Adam Winstock von der Global Drugs Survey sagt dazu, dass Nadeln mit einer gewissen Sorgfalt eingeführt werden müssten – vor allem in nackte Haut. Dass da was zufällig durch die Kleidung injiziert werden würde, hält er für sehr unrealistisch und einfach nicht möglich. Weil man auch mehrere Milliliter spritzen müsste und das wehtun würde. Man würde es also merken.
Andere wiederum schätzen, dass das durchaus möglich sei, dafür müsste die sehr dünne Nadel aber mehrere Sekunden im Körper sein. Laut Ärzt:innen würde niemand im Dunklen eine Ader treffen, es müsste also intramuskulär gespritzt werden, wie bei einer Impfung in den Oberarm zum Beispiel.
Ich finde es bemerkenswert, dass Needle Spiking auftauchte, als das Nachtleben nach Covid wieder öffnete. Dieses Gefühl, dass wir uns nie sicher fühlen können, dass es einen versteckten Feind gibt, kennen wir aus der Pandemie.
Die wirkliche Gefahr dieser „Massenhysterie“ (Spiegel) lässt sich mit dem vergleichen, was die US-Erzählforscherin Diane Goldstein vor zwanzig Jahren in ihrem Buch „Once Upon a Virus: AIDS Legends and Vernacular Risk Perception“ beklagte. Nämlich dass haltlose Geschichten um „Verrückte mit Aids-Spritzen“ die seriösen HIV-Aufklärungskampagnen konterkarieren, und zwar dergestalt:
Was brauche ich ein Kondom beim Sex, wenn die „wahre Gefahr“ ganz woanders lauert?
Genauso können die anschwellenden Gerüchte um Phantomangreifer mit K.o.-Nadeln das Bewusstsein für echte drogenunterstützte sexuelle Übergriffe trüben. Und dabei handelt es sich „nur selten um klassische Fremdtäter“, erklärt sowohl Rüdiger Schmolke von Sonar (Safer Nightlife Berlin) als auch die Londoner Kriminologin Giulia Zampini:
The stranger-danger archetype is very rare.
Zudem ist nach wie vor Alkohol die häufigste Droge im Zusammenhang mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.
Man mag der mutmaßlichen Urban Legend vom mysteriösen Nadelstecher – wie den meisten modernen Großstadtmythen – eine Warnfunktion zubilligen. Aber nur, wenn sie den Blick auf reale Gefahren lenkt und in riskanten Situationen sinnvolles Verhalten unterstützt.
Das heißt konkret:
Man sollte sich generell mit Spiking auseinandersetzen. Das beinhaltet ja auch das Beifügen von Substanzen in Getränken. Auch im privaten Umfeld gibt es Fälle, dass jemand unwissentlich Substanzen verabreicht bekommt. Ich denke da an das Glas Bowle, von der nicht bekannt war, dass sie MDMA enthielt. Ziel muss ein achtsamer Umgang miteinander sein,
… bei Anzeichen von plötzlichem Unwohlsein sofort das Clubpersonal zu informieren oder einen begleitenden Freund oder Freundin um Hilfe zu bitten – „gegebenenfalls auch Rettungswagen oder Rettungsstelle, auf keinen Fall die Sache verschweigen“.
Zum Weiterlesen:
Die Angst vor der Spritze im Nachtclub, Spiegel+ am 17. Juni 2022
So far no evidence of needle spiking in Netherlands, nltimes am 21. Juni 2022
There is no spiking epidemic, unherd am 9. November 2021
The British Needle-Spiking Panic, psychology today am 20. Februar 2022
Nach der Spritzen-Attacke im Berghain: „Ich dachte wirklich, ich sterbe jetzt“, Berliner Zeitung am 29. Mai 2022
Großstadtmythen: Der Verrückte mit der Aids-Spritze, focus-online am 19. November 2013
Diese Großstadtlegenden sind unglaublich. Oder? Welt-Online am 14. Oktober 2015
HIV infizierte Spritzen mit Aufschrift „Willkommen im Club“ in Diskotheken? mimikama am 26. April 2019
Falschmeldung: HIV-Infektion im Kino/in der Disco und anderswo, mimikama am 28. November 2012
Der Quarantänebrecher im Supermarkt und andere sagenhafte Corona-Geschichten, GWUP-Blog am 6. Februar 2022
Bei den Krautreportern hat Bent Freiwald eine dreiteilige Serie zu Waldorfschulen gestartet.
Den ersten Artikel („der längste, den ich jemals geschrieben habe, anders ging es bei diesem Thema einfach nicht“) gibt’s kostenfrei:
Der Sinn und Unsinn von Waldorfschulen, verständlich erklärt
Die Anthroposophie ist eine Weltanschauung, auf die sich freie Waldorfschulen auf der ganzen Welt berufen. Manche Kritiker:innen halten Anthroposophie nur für esoterischen Quatsch. Aber es gibt auch andere, die finden, dass diese Ideologie gefährlich ist und den Kindern schadet.
Um das zu verstehen, müssen wir drei Fragen klären:
Was genau ist Anthroposophie?
Warum halten einige sie für gefährlich?
Und wie viel dieser Weltanschauung steckt heute noch in Waldorfschulen?
Zum Weiterlesen:
Video: Die seltsamen Ideen der Waldorfschule, GWUP-Blog am 14. Juni 2022
Der Sinn und Unsinn von Waldorfschulen, verständlich erklärt, krautreporter am 22. Juni 2022