Zwei neue Videos aus dem Umfeld der GWUP:
Kam das Virus aus dem Labor? ‒ Vortrag von PD Dr. Andreas Edmüller bei SitP München
Auf dem Kanal der Skeptischen Gesellschaft ist der Vortrag von Andreas Edmüller nun verfügbar, den er vor gut einem Monat bei den Skeptics in the Pub München gehalten hat:
Mit der Wortkeule „Verschwörungstheorie“ wurden in den letzten Jahren leider immer wieder seriöse, anständige Menschen und ihre sinnvollen Argumente diffamiert. Am aktuellen Beispiel der „Labortheorie Wuhan“ ‒ ein herzliches Dankeschön an den BND ‒ zeigt Andreas Edmüller, Privatdozent für Philosophie an der LMU, wie man wissenschaftstheoretische Erkenntnisse zur Beurteilung von Theorien systematisch und professionell auf Verschwörungstheorien anwendet. So kann man sich ‒ unabhängig von Meinungsmache, Trivialliteratur zum Thema oder Shitstorms ‒ ein eigenes Bild zur Plausibilität konkreter Verschwörungstheorien machen.
Inhalt:
- Einleitung [ab 0:00 min]
- Das heutige Thema: Wissenschaftstheorie wird auf einen konkreten Fall aus dem Bereich der Verschwörungstheorien angewendet. [ab 1:40 min]
- Hintergrund der Labortheorie [ab 3:10 min]
- Edmüllers These: „Die Labortheorie war von Anfang an erkenntnistheoretisch respektabel.“ [ab 6:20 min]
- Erster Schritt: Plausibilitätscheck [ab 8:00 min]
- Nächster Schritt: Ist die Labortheorie eine Theorie? [ab 11:20 min]
- Was ist eine Theorie im wissenschaftstheoretischen Sinn? [ab 11:40 min]
- Was ist die „Labortheorie“? [ab 14:20 min]
- Prüfung des Theoriekerns [ab 18:50 min]
- Hilfs- und Beobachtungstheorien der Labortheorie [ab 31:30 min]
- Weitere relevante Fragen [ab 35:10 min]
- Die Labortheorie erfüllt die Kriterien einer Theorie. [ab 39:50 min]
- Qualitätskriterien von Theorien [ab 42:40 min]
- Edmüllers Argumentation zusammengefasst [ab 50:20 min]
- Fragen zum Lancet-Letter [ab 53:40 min]
- The proximal origin of SARS-Cov-2 von Andersen et al. [ab 58:10 min]
- Anregung an die GWUP [ab 1:01:30 h]
- Zivilcourage in der Wissenschaft [ab 1:02:50 h]
Sinan wurde angezeigt | Die Boys streiten sich
Bei TBOR geht es um Sinans Fall mit dem Staatsschutz, den er am Freitag in einem Video aufgearbeitet hat.
Sinan beschreibt in der letzten Folge von @SinansWoche ein skurriles Erlebnis: Er wurde auf Basis von §86a StGB angezeigt – für das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“. Gegen Zahlung von 300 EUR an die HateAid gGmbH wurde der Vorgang juristisch eingestellt. Wie kann so etwas vorkommen? Und was lernen wir daraus? Darüber diskutieren die Boys – heute etwas zoffiger als sonst!
Inhalt:
- Einleitung: Was ist vorgefallen? [ab 0:00 min]
- Der Prompt an ChatGPT [ab 7:20 min]
- Wer ist verantwortlich? [ab 9:50 min]
- Sinan meint, der Paragraph gehöre geändert. [ab 14:30 min]
- Matze spricht die Eigenverantwortung eines jeden Bürgers an. [ab 17:30 min]
- Sinans Verhalten ist Führung [ab 21:20 min]
- Ist das Gesetz richtig? [ab 24:30 min]
- Matze denkt nicht, dass Sinan das Symbol hätte zeigen müssen. [ab 27:40 min]
- Erinnerungskultur [ab 30:10 min]
- Am Ende ist es eine Kosten-Nutzen-Rechnung. [ab 31:10 min]
- Willkür. Verbannen wir das Symbol oder nicht? [ab 36:50 min]
- Zeigen und sagen. [ab 46:40 min]
- Kein vertrauenswürdies System [ab 48:00 min]
- Prüfung und Bestrafung [ab 51:40 min]
- Nicht mehr zeitgemäß [ab 59:30 min]
- Woher kam die Anzeige? [ab 1:05:10 h]
- HateAid [ab 1:07:00 h]
- Fazit [ab 1:10:00 h]
Zum Thema:
- Artikel: Termine der kommenden Woche: Skeptics in the Pub in München und in Hamburg, GWUP-Blog vom 16.05.2025
- Buch: Andreas Edmüller: Verschwörungsspinner oder seriöser Aufklärer? – Wie man Verschwörungstheorien professionell analysiert. Dossier Verschwörungstheorie – Bd. 1. Rediroma-Verlag 2021.
- Buch: Andreas Edmüller, Judith Faessler: Verschwörungstheorien als Waffe – Wie man die Tricks der Verschwörungsgauner durchschaut und abwehrt. Dossier Verschwörungstheorie – Bd. 2. Rediroma-Verlag 2023.
- Video: Ein KI-Bild, ein Tweet und plötzlich stand ich im Fadenkreuz des Staatsschutzes, SinansWoche vom 20.06.2025
Hinweis:
- Falls ihr Ideen, Anregungen oder Empfehlungen habt bzw. selbst ein Gastkapitel für den GWUP-Blog schreiben möchtet, kontaktiert uns unter: blog@gwup.org.
- Wenn ihr noch nicht im Skeptischen Netzwerk angemeldet seid, möchten wir euch herzlich dazu einladen. Dort finden GWUP-Mitglieder und Interessierte eine Plattform für Diskussionen und Austausch rund um skeptische Themen:
28. Juni 2025 um 15:09
Zum Edmüller-Video: hier sollte man sich besser aus seriösen Quellen informieren.
Edmüller weist zwar wiederholt plausibel-klingend darauf hin, dass jemand in der Anfangsphase der Pandemie einmal etwas Übertriebenes veröffentlicht hat, nimmt Gegenpositionen aber nur zu dem Zweck zur Kenntnis, um sich darüber zu empören.
Der vom BND hingeworfene Brocken („kommt aus dem Labor“) ist zu dünn, um was damit anfangen zu können. Man weiß nicht, wer das so geschätzt hat und auf welche Weise. Dass BND, die Chinesen und Merkel/Scholz sich nicht äußern, ist kein Argument für irgendwas, sondern nur das übliche „argumentum ad ignorantiam“. Und „man kann Viren so gut manipulieren, dass man die Spuren der Manipulation nicht mehr erkennen kann“ ist das klassische Verwörungstheorie-Element, dass ein Mangel an Belegen für eine Verschwörung als Beleg für eine Verschwörung verwendet wird.
Aus „In der Umgebung von Wuhan noch nie Fledermäuse mit Coronavirus gefunden“ herzuleiten „Die kommen dort einfach nicht vor“ würde kein Biologe wagen, denn die wissen alle, dass ständig ganze neue Arten entdeckt werden. Dass bekannte Arten bekannte Viren in einer Gegend haben können, die nur 1000km von einer Gegend entfernt sind, wo sie diese Viren haben – warum nicht? Edmüller sagt dazu selber „das sind alles keine entscheidenden Argumente“. Aber später macht er ein großes Gedöns um die 4% Unterschied zwischen Sars-COV2 und seinem nächsten Verwandten. Um das für kein großes Ding zu halten, muss man nicht „die Evolutionstheorie leichtfertig vom Tisch wischen“, wie Edmüller suggeriert, sondern nur darauf hinweisen, dass ständig ganze neue Arten entdeckt werden. Auch dass die Wahrscheinlichkeitstheorie „eine respektable Theorie“ ist, hilft nicht, wenn man sie missbraucht, wie Wiesendanger es wohl getan hat: Wahrscheinlichkeiten kann man nur ausrechnen, wenn man das nötige Grundlagenwissen hat.
„Die Furinspalte des Virus taucht in der näheren Virenverwandtschaft zum ersten Mal auf“ ist ein falsches Gerücht, das damals aufkam, das aber bald widerlegt wurde. Dan Wilson nennt ein Paper dazu in https://www.youtube.com/watch?v=fmIo1XFxcEM Debunk the Funk: „Why most scientists think COVID did NOT leak from a lab“. Er erwähnt auch, dass aus dem Abwasser des Huanan Wet Market – also aus Überresten von dort geschlachteten Tieren – direkt nach dem Ausbruch Proben genommen wurden, die positiv auf Sars-COV2 getestet wurden. Nicht nur sondern auch auf einem ähnlichen Markt. Also: ja, man kennt den Zwischenwirt nicht, aber man weiß, wo er gewesen ist.
Virologische Daten als Kriterium für den Ursprung des Virus auszuschließen und nur kriminologische Erkenntnisse zuzulassen, wie Edmüller es tut, ist nur eine Form der klassischen Popperschen Immunisierung gegen Widerlegung.
Wissenschaftskommunikatoren, die sich mit dem Thema tatsächlich auskennen, hören sich völlig anders an and Edmüller. Ihnen geht es um tatsächliche wissenschaftliche Fakten. Hier werden die Attacken auf Fauci und die Geschichte mit der „furin cleavage site“ besser erklärt. Hier werden nicht einfach Argumente für eine der Positionen rosinengepickt. Gegenargumente nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern erklärt und widerlegt.
Und das ist alles nicht sooo schwer zu finden, wenn man tatsächlich nach der skeptischen Ansicht suchen würde.
https://www.univadis.de/viewarticle/herkunft-sars-cov-2-warum-lab-leak-hypothese-immer-wieder-2025a1000aun?uuid=5c19f737-b43d-4b96-b79f-c35f784b69fa
https://sciencebasedmedicine.org/how-conspiracy-theories-like-covid-19-lab-leak-harm-science-and-public-health/
https://sciencebasedmedicine.org/covid-lab-leak-theory-rises-again/
https://sciencebasedmedicine.org/how-conspiracy-theories-like-covid-19-lab-leak-harm-science-and-public-health/
https://sciencebasedmedicine.org/ecohealth-alliance-fights-back/
Wer fördert die Lab-Leak-Idee? Die Regimes in China und USA.
Wem nützt die Lab-Leak-Idee? Den Regimes in China und USA, die damit von ihren eigenen Fehlern ablenken und den Wissenschaftlern die Schuld in die Schuhe schieben können.
Von der GWUP erwarte ich Besseres als solche Vorträge, die sich auf längst widerlegte Behauptungen stützen und gegenläufige Erkenntnisse ignorieren, auch noch unkritisch zu verbreiten.
Übrigens kam seit hundert Jahren bei jedem neuen Krankheitserreger die Idee auf, der neue Erreger sei aus einem Labor entsprungen. Bei Denkfaulen sind Götter die Default-Erklärung für alles, und Lab-Leak die Default-Erklärung für Krankheiten.
29. Juni 2025 um 08:29
Hallo Thomas,
ich antworte zwar ungern auf anonyme Beiträge, aber bei Ihnen mache ich eine Ausnahme – weil er für die ganze Debatte leider typisch ist und ich auf eine Replik hoffe:
Beim BND-Bericht habe ich seit dem Vortrag dazugelernt: Die Prozentangabe ist keine vage Schätzung, sondern in BND-Terminologie Ausdruck der zweithöchsten Gewissheitsstufe. Zur Erinnerung: Der Bericht wurde der Regierung zur Hochphase der Pandemie vorgelegt. Wenn man davon ausgeht, dass der BND sein Geschäft versteht, um die „pandemische“ und politische Bedeutung dieses Berichts wusste und deshalb nicht einfach „einen Brocken hingeworfen hat“, dann sehe ich keinen Grund, ihn nicht als gutes Indiz dafür zu werten, dass die Labortheorie ernsthaft untersucht werden sollte. Falls Sie das anders sehen: Warum?
Derartige Indizien meine ich übrigens mit meiner Aussage im Vortrag, dass man die Debatte nicht nur auf wissenschaftliche Daten, Indizien oder Evidenz einschränken sollte. Ein fiktives Beispiel, das ich so ähnlich auch im Vortrag verwende: Wenn ein Whistleblower oder Überläufer aus Wuhan uns z.B. die Krankenakten der Laborbelegschaft oder die Laborbücher liefert, dann haben wir es mit „detektivischen“ Belegen und Indizien zu tun. Dafür sollten wir offen sein. Wie kommen Sie auf den Einfall, ich würde virologische Argumente ausschließen wollen und nur kriminologische Überlegungen akzeptieren?
Ja, Sie haben natürlich Recht, wenn ich ihre eher schwammigen Bemerkungen richtig verstehe: Es ist logisch möglich, dass man in der Nähe Wuhans noch neue Fledermausarten inklusive Virus entdeckt, dass man den Zwischenwirt noch findet, dass die bisher fehlenden Mutations-Zwischenschritte noch auftauchen und dass die Zoonose-Theorie sich deshalb als die beste herausstellen wird. Aber reichen diese Möglichkeiten tatsächlich aus, um vorab alle Versionen der Labortheorie als unhaltbare Phantastereien abzuqualifizieren und ihre Vertreter als Deppen hinzustellen? Ist ihnen eigentlich klar, dass genau so immer wieder in der Theologie argumentiert wird: Es ist möglich, dass ein allmächtiger, allwissender etc. Gott existiert, also ist der Glaube daran rational …?
Es stimmt auch, dass man auf dem Markt in Wuhan die entsprechenden Viren gefunden hat. Niemand bestreitet das. Die Frage ist, wie sie dort hingekommen sind: Es kann auch ein infizierter Mitarbeiter aus einem der Labore gewesen sein. Insgesamt leiden die Argumentationsketten, die mit dem Markt, den dortigen Virenfunden und Ansteckungsprofilen beginnen daran, dass erstens die Chinesen viele Daten dazu nicht herausrücken, die Interpretation der Daten, die wir tatsächlich haben keine eindeutigen Schlüsse auf eine der Ursprungstheorien erlaubt – und nicht einmal klar ist, ob der Markt tatsächlich der erste Ort des Auftretens unserer Lieblingsviren war. Schauen Sie doch einmal in den neuen Bericht der WHO, z. B. in das Management Summary (Seite 11):
„While available data support that the HSM played a significant role in early transmission and amplification, it is not conclusive that the HSM was where the virus first spilled over into the human population, or if it
occurred through upstream infected humans or animals at the market. …“ (https://www.who.int/publications/m/item/independent-assessment-of-the-origins-of-sars-cov-2-from-the-scientific-advisory-group-for-the-origins-of-novel-pathogens)
Ja, der Bericht ist keine wissenschaftliche Ausarbeitung, sondern ein sehr „politisches“ Dokument und nicht sonderlich präzise. Aber er macht zu Recht immer wieder klar, wie wenig belastbare Daten wir für die Zoonosetheorie und allgemein zum Ursprung der Pandemie tatsächlich haben. Auch auf dieser Basis kann man die Labortheorie a priori nicht als unhaltbares Hirngespinst aus der Debatte ausschließen. Ich möchte gerne wissen, warum Sie das trotzdem glauben.
Die Furinspalte ist einer der wichtigsten Ansatzpunkte für die Labortheorie, allerdings nicht der einzige: Dort treten gebündelt recht viele Eigenschaften „aus dem Nichts“ auf, die das Virus für uns Menschen gefährlich machen. Deshalb sind es ja gerade die Vertreter der Labortheorie, die sehr genau den Aufbau und die Struktur des Virus untersuchen: Das Virus haben wir und sind nicht auf Daten der Chinesen angewiesen. Eine der neueren Arbeiten dazu stammt von Herrn Lisewski. Es hat leider zwei Jahre gedauert, bis er veröffentlichen konnte. Ja, er kann sich täuschen: Aber das gehört doch bei der wissenschaftlichen Erforschung offener Fragen dazu und trägt zum Erkenntnisgewinn bei: https://bmcgenomdata.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12863-024-01290-2
Meine Bitte an Sie, Thomas: Bitte schauen Sie sich seine Argumentation an und erklären Sie mir dann so detailliert wie möglich, warum wir solche Arbeiten als verschwörungstheoretischen Pfusch aus der Diskussion ausschließen sollten.
Übrigens hat Herr Lisewski einen Foliensatz zu seinen Erkenntnissen veröffentlicht; sie wurden von Herrn Drosten in der Arbeitsgruppe SAGO der WHO präsentiert: https://zenodo.org/records/15380908
Ich habe natürlich noch weitere Anmerkungen und Ergänzungen zu Ihren Ausführungen – aber wenn Sie sich tatsächlich die Mühe machen und meine ersten paar Fragen an Sie beantworten, dann sind wir im Gespräch.
29. Juni 2025 um 10:47
Andreas Edmueller ging es in diesem Vortrag nicht darum, ob die Labortheorie wahr ist. Das betont er auch zu Beginn. Vielmehr ging es ihm darum zu zeigen, dass die Labortheorie eine wissenschaftstheoretisch akzeptable, womöglich aber falsche, Theorie sein, und dass die Kritik, dass es sich bei den Labortheoretiker zum Verschwörungstheoretiker gehandelt habe, falsch sei. Edmueller verschweigt in seinem Vortrag jedoch, dass die Labortheoretiker mitnichten für ihre Labortheorie kritisiert wurden, sondern für ihre verschwörungstheoretischen Auswüchse.
29. Juni 2025 um 17:19
Weiß jemand, ob es inzwischen nähere Informationen über das BND-Dossier gibt? Mein letzter Stand war das Geraune von Mascolo & Stark in der ZEIT: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2025/03/13/corona-und-die-laborthese-das-raunen-im-blaetterwald/
Es wäre interessant, wenn das Material inzwischen gesichtet und vor dem Hintergrund des heutigen virologischen Wissens neu bewertet worden wäre. Vielleicht ist das ja auch geschehen?
Den Hinweis von Carsten Ramsel finde ich wichtig: Man sollte die Seriosität der Laborthese und die Seriosität mancher Diskurse über die Laborthese auseinanderhalten.
29. Juni 2025 um 19:28
Hallo Herr Kuhn,
https://www.bverwg.de/pm/2025/31
29. Juni 2025 um 19:53
Hallo,
-Zur Anonymität: Ich bin Ansprechpartner der Münchner Skeptiker (Name ist dadurch leicht zu finden) und habe bereits direkt nach dem Vortrag widersprochen.
– Die BND-Einschätzung ist einfach eine Meinung von irgendjemandem, der bei einem Nachrichtendienst arbeitet. Sie steht im luftleeren Raum und basiert nicht auf sichtbaren Argumenten. Die Aufforderung, sie zu glauben, ist einfach ein Autoritätsargument – was man auch an der Formulierung „Wenn man davon ausgeht, dass der BND sein Geschäft versteht“ sieht. Mit der gleichen Argumentation könnte man auch den Lancet Letter für bare Münze nehmen. Ich hingegen finde, man sollte Lancet-Letter und BND-Bericht als voreilige Schnellschüsse aus der Frühzeit der Pandemie betrachten, anstatt einen davon als Schurkerei und den anderen als spärliche Quelle der Wahrheit. (Ganz abgesehen davon stammt die BND-Information aus „Medienberichten“, genauer gesagt, aus der Springerpresse – DIE WELT – die bei wissenschaftlichen Themen keinen sehr guten Ruf hat. Wer will da den wahren Kern herausschälen können?)
– „Wie kommen Sie auf den Einfall, ich würde virologische Argumente ausschließen wollen und nur kriminologische Überlegungen akzeptieren?“ Das hier hörte sich für mich so an: „Es wird oft eine Nebelkerze gezündet.. wir brauchen wissenschaftliche Beweise dafür. Ne. Es reichen detektivische Beweise.“ Offenbar habe ich das falsch verstanden und nehme die Aussage zurück.
– „Es stimmt auch, dass man auf dem Markt in Wuhan die entsprechenden Viren gefunden hat. Niemand bestreitet das. Die Frage ist, wie sie dort hingekommen sind: Es kann auch ein infizierter Mitarbeiter aus einem der Labore gewesen sein“
Siehe dazu https://www.who.int/publications/i/item/who-convened-global-study-of-origins-of-sars-cov-2-china-part – Dan Wilson zitiert die Studie von Anfang 2021. Das Virus wurde in 40 Proben aus dem Huanan-Markt gefunden, in 5 Proben aus Lagerhäusern, die mit diesem Markt verbunden sind, 1 Probe aus einem anderen Markt in Wuhan, 24 Proben aus dem Spülwasser, mit dem die Reste toter Tiere weggespült worden waren. Dieser hypothetische Mitarbeiter muss sich ja auf dem Markt ziemlich ausgetobt haben.
– „Auch auf dieser Basis kann man die Labortheorie a priori nicht als unhaltbares Hirngespinst aus der Debatte ausschließen“ Das tue ich nicht. Der wissenschaftliche Konsens besagt weiterhin, dass die Labortheorie möglich, aber unwahrscheinlich ist. Ich will nur aufzeigen, dass die Argumente, die dafür vorgebracht werden, soweit sie nicht die Qualität „könnte ja sein“ haben, falsch, schwach oder irreführend sind. In der öffentlichen Meinung wird das derzeit nicht so wahrgenommen, weil die meisten Leute auf Autoritätsargumente wie „BND“ oder „Professor Wiesendanger“ hereinfallen (der im Vortrag und der nachfolgenden Diskussion viermal als „Professor“ vorkam, obwohl eine Professur für Physik nichts mit dem Thema zu tun hat. Da gehen bei Skeptikern die Alarmglocken an. Daszak, Fauci und so weiter, also die bösen Lab-Leak-Unterdrücker des Narrativs, wurden im Vortrag ohne Titel erwähnt. Theißen hingegen ist ein Guter, da braucht man den Professor zum Eindruckschinden.)
– „Die Furinspalte ist einer der wichtigsten Ansatzpunkte für die Labortheorie, allerdings nicht der einzige“ Die Aussage aus dem Vortrag „Die Furinspalte taucht in der näheren Virenverwandtschaft um ersten Mal auf“ habe ich zwar widerlegt, aber sie ist trotzdem immer noch ein „wichtiger Ansatzpunkt“. Na gut, da ist ja ein Versuch, die Aussage durch eine ähnliche zu ersetzen und so zu retten, nämlich mit Lisewski.
– „Eine der neueren Arbeiten dazu stammt von Herrn Lisewski.“ Die Stelle, wo das Furin das Virusprotein spaltet, hat eine Sequenz der Form Arginin-Arginin-X-Arginin (RRXR). X ist bei SARS-CoV-2 Alanin, bei anderen Coronaviren mit Furin Cleavage Site ist es Serin, Valin oder Lysin (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1873506120304165 Figur 5). Serin und Valin sind von Alanin nur eine Mutation entfernt, Lysin zwei. Nun hat Lisewski ein künstliches MERS-Virus gefunden, wo X Alanin ist (PRRARSV wie bei SARS-CoV-2; bei dem normalen MERS ist es PRRVRSV). Meinetwegen ist das ein Indiz, aber ein mäßig beeindruckendes. Sollen die Verschwörer aus diesem künstlichen MERS-Virus genau diese PRRARSV-Sequenz rausgeschnitten und in ihre „Bastelarbeit“ reingefummelt haben? Kurz davor und kurz danach ist es ja in MERS und SARS-CoV-2 unterschiedlich. Ist denn Alanin an dieser Stelle „besser“ als eine andere Aminosäure, dass man sich solche Mühe macht? Und wenn ja, geht das sicher einfacher, eine einzelne Aminosäure zu ersetzen. Das Ganze ergibt keinen Sinn. Ich finde, wir Laien (auch Lisewski ist kein Virologe) sollten das besser den Experten überlassen und, wie es in der Wissenschaft üblich ist, schauen, was die von dem Paper halten. Außer, man hält die mehrheitlich für Schurken. Aber das ist nun mal nicht der Standardansatz, vor allem in der GWUP nicht.
30. Juni 2025 um 09:45
Ein kurzer Einschub aus einem Interview, welches die taz im Januar mit Christian Drosten führte. Er vertritt eigentlich genau den Standpunkt (aus fachlicher Perspektive), den Andreas Edmüller aus wissenschaftstheoretischer Seite erläutert.
taz: Sie glaubten jedenfalls an einen natürlichen Ursprung [von SARS-CoV-2].
Drosten: Das halte ich immer noch für wahrscheinlich und das nehmen auch fast alle Wissenschaftler an, die mit dem Thema befasst sind. Annehmen heißt aber nicht wissen.
[…]
taz: Und was sagen die Wissenschaftler*innen mit Detailkenntnis?
Drosten: Da passt eigentlich alles zusammen: Die frühen Infektionen hatten eine räumliche Verbindung zum Markt. Dort gab es die Zwischenwirte, Marderhunde, und das Virus wurde genau da auf dem Markt gefunden, wo auch diese Tiere verkauft wurden. Auf dem Markt hat man auch die frühen beiden Viruslinien gefunden, von denen die Pandemie ausging. Diese Linien sind geringgradig unterschiedlich und gehen nicht auf einen bekannten gemeinsamen Vorfahren im Menschen zurück. Der Mensch hat also mit einiger Wahrscheinlichkeit das Virus mehrmals erworben, und das passt eher zu Infektionen an einer Gruppe von Tieren als im Labor. Natürlich könnten sich die Markttiere auch an infizierten Menschen angesteckt haben, aber wahrscheinlicher ist eine Infektion des Menschen am Tier, wie auch bei Sars-1.
taz: Das klingt nach indirekten Indizien.
Drosten: Richtig, das sind alles nur Indizien. Ein Beweis fehlt für den natürlichen Ursprung genauso wie für den Laborursprung. Und das Frappierende ist, dass der Beweis für den natürlichen Ursprung eigentlich erbracht werden könnte. Chinesische Wissenschaftler haben dafür alle technischen Möglichkeiten. Es ist medienbekannt, wenn auch für mich nicht überprüfbar, dass zu der Zeit auf dem Markt und auch in Zuchtbetrieben bestimmte Tierarten, die als Wirte im Verdacht stehen, gekeult wurden. Und es ist für mich schwer denkbar, dass so etwas passiert, ohne dass Proben genommen und getestet werden. Bei dem Sars-1-Ausbruch 2002/2003 hat es ein paar Jahre gedauert, aber dann kamen immer mehr Studien aus China, die wasserdicht gemacht haben, dass dieses Virus aus solchen Tieren kommt.
taz: Das hätten Sie hier auch erwartet?
Drosten: Ja, und ich muss sagen, je mehr Zeit vergeht, desto skeptischer werde ich. Verbietet die Staatsräson, dass daran gearbeitet wird? Mag sein. Die andere Erklärung wäre aber, dass da gar kein natürliches Virus war. Die Politik sollte nach all den Jahren deutlicher die Forderung an China stellen, jetzt wirklich zu beweisen, dass es aus der Natur kommt.
taz: Wenn Sie jetzt sagen, dass dieses Virus vielleicht doch aus dem Labor kam, wird das für Aufruhr sorgen.
Drosten: Das würde ich so direkt auch nicht postulieren. Es ist aber nicht dasselbe, wenn wir im Jahr 2020 den Beleg für einen natürlichen Ursprung noch nicht haben, wie wenn wir im Jahr 2025 diesen Beleg immer noch nicht haben.
https://taz.de/Christian-Drosten/!6061896/
30. Juni 2025 um 11:39
@ Andreas Edmüller:
Danke für den Link, sehr interessant.
@ Thomas:
„Die BND-Einschätzung ist einfach eine Meinung von irgendjemandem, der bei einem Nachrichtendienst arbeitet.“
Ist es sinnvoll, das so einzuordnen? Oder wäre es nicht besser, in Bezug auf das Dossier eine agnostische Haltung einzunehmen: Man kennt das Material nicht, also kann man auch nichts dazu sagen?
Ich gehe davon aus, dass die auf den Weg gebrachte Enquete-Kommission des Bundestags sich auch mit dem BND-Dossier befassen muss. Das öffentliche Interesse ist groß und das Parlamentarische Kontrollgremium hatte das auch schon im März, kurz nach Bekanntwerden der Existenz des Dossiers, so gesehen:
„Das Parlamentarische Kontrollgremium erwartet, dass die Bundesregierung spätestens nach dem bevorstehenden Abschluss der Untersuchungen die Öffentlichkeit entsprechend unterrichtet.”
30. Juni 2025 um 12:29
Weil es gerade passt: aus dem heutigen Newsletter des Ärzteblatts: https://www.aerzteblatt.de/news/who-rat-china-mauert-ursprung-des-coronavirus-unklar-024dc24c-9e32-401b-98f6-86b53ca231e8
30. Juni 2025 um 14:38
Hallo Thomas,
Danke für die Aufhebung der Anonymität und die Klarstellung des Missverständnisses. Ich stand beim Vortrag und der Diskussion immer vorne, musste dabei in ein sehr helles Licht schauen und konnte kaum Gesichter erkennen. Falls wir uns kennen sollten – ich habe Sie einfach nicht erkannt.
Ad BND: Ich glaube aus den bereits genannten Gründen nicht, dass „irgendjemand, der bei einem Nachrichtendienst arbeitet“ seine Einschätzung abgegeben hat. Das hört sich bei Ihnen ein bisserl so an, als hätte da ein unterbeschäftigter Praktikant Fingerübungen veranstaltet, deren Ergebnis man dann bei Gelegenheit bei Merkel im Kanzleramt vorbeigebracht hat. Bevor so ein Bericht in einer Situation wie 2020 mit einer so hohen Gewissheitseinstufung an die Regierung geht, muss er vom BND mehrfach geprüft worden sein und es durch interne Qualitätskontrollen geschafft haben. Alleine schon im Eigeninteresse des BND.
Deshalb bleibe ich dabei: Der Bericht ist ein ernstzunehmendes Indiz dafür, dass die Labortheorie gründlich untersucht werden sollte. Das ist unabhängig davon, welche Journalisten oder Medien darüber Mutmaßungen anstellen. Dass da etwas mehr als Trivialitäten drinstehen, legt auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nahe: https://www.bverwg.de/pm/2025/31. Natürlich steht es Ihnen frei, bei Ihrer Meinung zu bleiben. Aber Ihre Meinung macht es nicht irrational, diesen Bericht ernst zu nehmen.
Ad Lancet Letter: Der ist aus mehreren Gründen nicht mit dem BND-Bericht zu vergleichen. Die „Argumente“ im Lancet Letter liegen ja offen und können geprüft werden. Ich teile Ihre Einschätzung natürlich, dass es inhaltlich wie ein „voreiliger Schnellschuss“ aussieht – sehr vorsichtig und für meine niederbayerischen Verhältnisse auch sehr höflich ausgedrückt. Nur: Es war höchstwahrscheinlich mehr, nämlich eine gezielte und wohldurchdachte Aktion zur Steuerung und Beeinflussung der Debatte.
Erstens wollte man damit nicht nur eine Meinung kundtun, sondern auch möglichst viele Leute zu einer Unterschrift und damit einer (völlig übereilten) Positionierung bewegen: Bei mehr als 20000 Wissenschaftlern hat das geklappt. Das ist PR!
Zweitens geht das aus den krassen Formulierungen hervor: Wenn eine Gruppe von maßgeblichen Vertretern eines Forschungszweiges so etwas öffentlich verkündet, dann ist das ein unmissverständliches Signal an alle, die in diesem Bereich arbeiten und forschen: „Denkt an Eure Karriere, bevor ihr Argumente für die Labortheorie sucht und veröffentlicht.“ Ich bin seit Jahrzehnten an der Uni und kenne den Wissenschaftsbetrieb: So etwas ist kein Versehen. Hier sollte der Gang der Wissenschaft im Sinne der Verfasser auf unwissenschaftliche Art und Weise beeinflusst werden.
Drittens geht aus den freigeklagten Mails eindeutig hervor, dass es Absicht war, die Labortheorie ganz grundsätzlich und vorab in schlechtes Licht zu stellen – obwohl es auch in diesem Kreis um Fauci Stimmen gab, die einen Laborunfall für möglich hielten und die Formulierungen im Lancet Letter deshalb für sehr „mutig“. Später haben ja auch einige der Unterzeichner ihre Unterschrift wieder zurückgezogen. Ich bleibe bei meiner Meinung: So etwas ist unwissenschaftliche und unfaire Meinungsmache. Dummerweise war es sehr lange sehr wirkungsvoll – bis heute.
Ad „Dieser hypothetische Mitarbeiter muss sich ja auf dem Markt ziemlich ausgetobt haben“: Ihr Argument verstehe ich nicht. Niemand weiß genau, wann und wo das Virus zuerst aufgetreten ist. Dass es gehäuft auf dem Markt aufgetreten ist, bestreitet niemand. Das können Sie im Bericht der WHO nachlesen. Und dass so ein Virus sich im Laufe der Zeit verbreitet, wissen wir auch. Selbst die Zoonose-Theorie wird von einem Tier ausgehen, das irgendwann auf dem Markt aufgetaucht ist und von dem aus das Virus sich dort verbreitet hat. Obwohl: Falls der tierische Zwischenwirt gar nicht auf dem Markt selbst war, sondern das Virus ganz woanders auf einen Menschen übergesprungen ist, der dann wiederum den Markt besucht hat … oder vielleicht waren es sogar mehrere Menschen? Sehen Sie, was ich meine? Viele Wege könne das Virus auf den Markt geführt haben – ohne dass der „erste Wirt“ sich dort hätte austoben müssen.
Was man schlicht und einfach leider immer noch nicht hat, ist der konkrete Zwischenwirt, weder Art noch Individuum. Man hat auf dem Markt lediglich Korrelationen von Viren und Tierresten, die in jedem Fall zu erwarten sind, nicht aber überzeugende Kausalketten. Einschränkung: Die Chinesen haben die relevanten diesbezüglichen Informationen vielleicht, zumindest haben sie eine wesentlich umfangreichere Menge an Daten, rücken damit aber nicht heraus. Die eigentliche Frage bleibt davon unberührt und ist noch offen: Wo ist bei wem und wann das Virus zuerst aufgetreten?
Aus meiner Sicht sind diese ganzen korrelativen Statistikargumente zum Markt grundsätzlich mit Vorsicht zu rezipieren. Sie bauen oft auf durchaus realistischen aber eben nicht alternativlosen Prämissen auf. Nutzt man andere, gleichermaßen plausible Prämissen, bezieht man andere Daten mit ein, dann kriegt man schnell andere Ergebnisse. Hier kann man anhand konkreter Argumentationen nachlesen, was ich meine: https://www.fr.de/wissen/auf-der-spur-dem-virus-93316818.html; https://www.spektrum.de/kolumne/schwere-statistische-fehler-bei-studie-zum-ursprung-der-covid-pandemie/2205767
Ad „Der wissenschaftliche Konsens besagt weiterhin …“: … dass Frauen geistig weniger leistungsfähig sind als Männer, die Physik mit Newton abgeschlossen ist und dass Wegener ein Wirrkopf sein muss. Scherz beiseite: Neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden typischerweise am Anfang gegen den Mehrheitskonsens in die Debatte eingebracht.
In unserem Fall sollte man noch aus einem anderen Grund mit diesem Argument sehr vorsichtig sein: Die Qualität dieses Konsenses ist meines Erachtens fragwürdig. Durch die schnelle und rabiate Positionierung vieler Experten im Lancet Letter ist dieser Konsens mit Sicherheit verzerrt: Es hat sich ja jahrelang kaum jemand getraut, unbefangen und offensiv die Möglichkeiten der Labortheorie auszuloten und dann auch noch dazu zu veröffentlichen. Das käme wissenschaftlichem Selbstmord schon ziemlich nahe – und so viele Masochisten gibt es bei uns an den Unis auch wieder nicht. Überdies herrschte sehr lange eine große Zurückhaltung bei den wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Arbeiten zur Labortheorie zu veröffentlichen. Pro-Zoonose Arbeiten wurden hingegen leicht und schnell veröffentlicht.
So ein emotional geladenes Umfeld stabilisiert Konsens natürlich auch längerfristig: Hat die Minderheit doch die richtige Theorie vertreten, dann müssten sehr viele jetzt sehr intensiv zurückrudern … das wiederum braucht sehr viel menschliche Größe bei sehr vielen Leuten. Wie gesagt: ich kenne den Unibetrieb … Zu dieser ganzen Gemengelage ist kürzlich ein kurzer und gut lesbarer Artikel im Guardian erschienen: https://www.theguardian.com/commentisfree/2025/jun/25/covid-lab-leak-theory-right-conspiracy-science
Ad Arbeit Lisewskis: Es freut mich, dass Sie Lisewskis Arbeit ernst nehmen, darum geht es mir ja. Drosten hat das auch getan, sonst hätte er sie nicht bei SAGO vorgestellt. Natürlich überlasse ich es wie beim Bericht des BND Ihnen, wie beeindruckt Sie davon sind. Und damit sind wir da, wo wir bzw. die Forscher meines Erachtens schon seit 2020 sein sollten: Im Gespräch zur argumentativen, nüchternen und diffamierungsfreien Bewertung der zahlreichen Besonderheiten des Virus, die offenbar alle gleichzeitig, zusammen und ohne bisher gefundene, eigentlich zu erwartende Vor- oder Zwischenstufen des Mutationsprozesses aufgetreten sind.
Schlicht und einfach: Da gibt es Lücken bzw. Sprünge. Wie beeindruckend die sind, ob und auf welchen Wegen sie schon geschlossen wurden (wir das aber noch nicht wissen) usw. … genau darüber sollten wir in Ruhe forschen. Diejenigen, die beeindruckt sind, sollen angstfrei forschen dürfen.
Wie hier und im Vortrag mehrfach gesagt: Zoonose ist möglich – die Frage ist nur, wie wahrscheinlich. Dieses Gesamtpaket aus Virologie, Evolutionstheorie und Wahrscheinlichkeitsüberlegungen im Komplex mit politischen Seltsamkeiten etc. macht die Vertreter der Labortheorie – und mich – stutzig, sie wollen es in Ruhe und ergebnisoffen aufschnüren, ohne diffamiert oder in ihrer Karriere ausgebremst zu werden. Dazu braucht es eine sachliche Atmosphäre, Ruhe und die besten Köpfe, die das Thema interessiert. Bisher war das kaum oder nur unter hohen persönlichen Risiken möglich – ich hoffe, das wird langsam anders.
Ad Furinspalte bei Lisewski: Wer von uns Recht hat mit den „Verwandtschaftsverhältnissen“ – auch Lisewski geht kurz darauf ein und stellt bemerkenswerten Abstand fest – hängt ab von der genauen Bestimmung, was „Nähe“ oder „Ferne“ hier bedeuten. Das habe ich im Vortrag natürlich nicht leisten können und können wir hier nicht ohne Abstammungslinien bzw. deren Visualisierung und die Aufschlüsselung von Mutationsprozessen und deren Wahrscheinlichkeiten klären. Ich schließe mich aber der Meinung eines Evolutionsbiologen wie Günter Theißen (und Andreas Lisewskis) an: Auch da gibt es offenbar einen erstaunlichen Sprung, unabhängig von der genauen „Distanz“.
Warum jemand so eine Manipulation vorgenommen haben könnte, ist schwer zu sagen ohne Einblick in die Laborbücher. Wenn ich nicht weiß, was die dort vielleicht ausprobieren wollten, oder warum vielleicht eine „Bastelarbeit“ vorgenommen wurde, lässt sich deren Tauglichkeit für ein Ziel oder Projekt aus meiner Sicht nicht einschätzen.
Zwei wichtige Punkte dabei sind natürlich die folgenden: Die fragliche Sequenz wurde laut Lisewski schon einmal im Jahr 2017 „verbaut“, das ist bestens dokumentiert: Was wollte man damals damit erreichen? Und: Die fragliche Sequenz hat ja eine konkrete Funktion an der Furinspaltstelle, sie ist nicht einfach „nur da“. Sie macht das Virus für uns Menschen gefährlicher. Wenn ich seine Arbeit richtig verstehe und einordne, dann schützt diese Sequenz das Virus ziemlich gut vor einer Entdeckung des Immunsystems und erleichtert ein Eindringen in den Zellkern.
Eines sollten wir bei solchen Fragen ebenfalls nicht vergessen: Die Labortheorie geht neben der gezielten „Bastelarbeit“ an Viren auch von der Möglichkeit aus, dass es sich um eine In-Vitro-Mutation handeln kann. 2017 wurde die fragliche Sequenz so erzeugt. Dabei werden natürlich auch „suboptimale“ oder „nichtideale“ Mutationsergebnisse erzeugt … und damit wären wir wieder ganz am Anfang meines Vortrags: Der Arbeit von Andersen.
Und ich bin damit am Ende meines Blogs. Wir haben nicht alles besprochen, aber sicher genug, um ein paar Missverständnisse zu klären und bestimmte Punkte klarer herauszuarbeiten. Thomas, ich bedanke mich für den Austausch und hoffe, dass bald herauskommt, ob es eine Zoonose war oder ein Laborunfall.
30. Juni 2025 um 20:00
Noch ein aktueller Beitrag zum Thema, 3Sat, Sendung Nano: https://www.3sat.de/wissen/nano/250630-sendung-corona-virus-ursprung-pandemie-verschwoerung-covid19-neue-fakten-zur-labortheorie-nano-100.html
13. Juli 2025 um 08:39
Ich hatte viele dringendere Dinge zu tun, SIWOTI hatte in den letzten zwei Wochen eine niederigere Priorität, insbesondere weil das Thema etwas längere Konzentration erfordert.
@RPGNo1 30. Juni 2025 um 09:45
„Er vertritt eigentlich genau den Standpunkt (aus fachlicher Perspektive), den Andreas Edmüller aus wissenschaftstheoretischer Seite erläutert.“
Das ist falsch. Drosten hält einen natürlichen Ursprung für „wahrscheinlich und das nehmen auch fast alle Wissenschaftler an, die mit dem Thema befasst sind.“
Bei Edmüller hingegen wird aus dem Vortrag und aus seinen Antworten hier klar, dass er die Labortheorie nicht nur für möglich hält, sondern bevorzugt. Seine Argumente sind alle Pro-Labortheorie.
Wo keine Informationen da sind, wird das als Argument für die Labortheorie verwendet. Für die Zoonose hat er kein gutes Wort, außer dass man sie nicht ausschließen kann.
Wenn er zu dem Schluss käme, zu dem Drosten kommt, oder zumindest zugeben würde, dass die Wissenschaft aus guten Gründen die Labortheorie für unwahrscheinlich hält, hätte ich mit dem Vortrag vermutlich kaum ein Problem.
@Thomas Kuhn 30. Juni 2025 um 11:39
„Ist es sinnvoll, das so einzuordnen? Oder wäre es nicht besser, in Bezug auf das Dossier eine agnostische Haltung einzunehmen: Man kennt das Material nicht, also kann man auch nichts dazu sagen?“
Meine Formulierung war der Teil, den wir wissen. Was wir nicht wissen, ist, wie dieser Jemand zu der Meinung kommt. Meine und deine Formulierung besagen im Grunde das Gleiche.
Ich spekuliere nicht darüber, wo das herkommt und ob das „mehrfach geprüft“ wurde – im Gegensatz zu Edmüller (30. Juni 2025 um 14:38).
13. Juli 2025 um 09:04
Zunächst noch ein Punkt aus dem Video:
„Gezielte, absichtliche Freisetzung eines Kampfstoffes“ „Das lasse ich unberücksichtigt“ Aber das ist klar eine an den Haaren herbeigezogene Verschwörungstheorie, und jemand, der sie als solche bezeichnet, aber nicht näher spezifiziert, welche Labortheorie er meint, wird von Edmüllers Vortrag automatisch mit getadelt, weil er eine der Labortheorien von vorherei als unplausibel abtut. Das sollte also nicht in einem kurzen Satz unberücksichtigt gelassen werden, sondern hier sollte man klar sagen: bei solchen Labortheorie-Varianten ist das, was Edmüller „Diffamierung“ nennt, gerechtfertigt.
Aber „Diffamierung“ ist nun mal das Narrativ hier: „Wir Labortheorietiker werden unterdrückt!“ Wer für die Labortheorie ist, wie Wiesendanger, ist in dem Vortrag ein Held, und wer ihm widerspricht, ein „diffamierender“ Schurke.
Nur: worin bestand diese Diffamierung eigentlich?
—
https://www.asta-uhh.de/1-aktuelles/01-asta-news/2021-02-19-pm-coronastudie.html
Hier wird Wiesendangers Quellenauswahl kritisiert: FOCUS, YouTube und sogar die völlig unglaubwürdige Epoch Times! Das ist keine Diffamierung, sondern Methodenkritik.
—
https://scilogs.spektrum.de/beobachtungen-der-wissenschaft/schuster-bleib-bei-deinen-leisten-gilt-auch-fuer-wissenschaftler/
„Die beschränkte Argumentationskraft seiner Quellen hält ihn nicht davon ab, eine derartig umstrittene Aussage mit hohem Grad an Überzeugung zu treffen, während Experten die Wahrscheinlichkeit ihres Zutreffens doch als eher niedrig einstufen.“
Seine Studie wird außerdem als „reichlich verworrene Medienrecherche“ bezeichnet. Ich sehe hier nur eine relativ sachliche, aber nicht sehr tiefgehende Analyse. Keine „Diffamierung“.
—
https://www.forschung-und-lehre.de/recht/wiesendanger-darf-drosten-keine-gezielte-taeuschung-vorwerfen-4733
Da schien die Diffamierung eher in die andere Richtung zu gehen.
Kurz: Ich habe nichts gefunden, was die Behauptung, Wiesendanger sei diffamiert worden, untermauert. Diese Behauptung wäre in einer eventuellen überarbeiteten Version des Vortrags sauberer zu belegen.
13. Juli 2025 um 09:22
@Andreas Edmüller (30. Juni 2025 um 14:38)
„Es war höchstwahrscheinlich mehr, nämlich eine gezielte und wohldurchdachte Aktion zur Steuerung und Beeinflussung der Debatte“
„Höchstwahrscheinlich“? Im Narrativ der Labortheorie, sicher. Dort sind ja die Autoren gleichzeitig auch die Schurken, die hinter dem manipulierten Virus stecken.
„Ad „Dieser hypothetische Mitarbeiter muss sich ja auf dem Markt ziemlich ausgetobt haben“: Ihr Argument verstehe ich nicht.“
Was ich damit sagen will, ist, dass das erste bekannte Auftreten auf dem Markt klar auf Zoonose deutet. Die Fakten so umzudeuten, dass ein Instituts-Mitarbeiter der erste Wirt war – eigentlich müssen es zwei Mitarbeiter gewesen sein, weil in dem Proben vom Markt bereits zwei Varianten gefunden wurden – ist pure Fantasie mit etlichen logischen Klimmzügen.
„Falls der tierische Zwischenwirt gar nicht auf dem Markt selbst war, sondern das Virus ganz woanders auf einen Menschen übergesprungen ist“ Nein. Siehe die Formulierung aus meinem Beitrag:
„24 Proben aus dem Spülwasser, mit dem die Reste toter Tiere weggespült worden waren“. Das meine ich mit Austoben. Hat der Mitarbeiter ausgiebig im Spülwasser gebadet? Hat er Tiere infiziert, die dann auf dem Markt geschlachtet wurden? Wurde er womöglich selber dort geschlachtet? Die Labortheorie passt zu diesen Fakten nur mit sehr viel Vorstellungskraft.
Und alle Teile der Erzählung, die vor dem Eintreffen des Virus auf dem Markt stattfinden, haben natürlich keinerlei Spuren hinterlassen, oder die Spuren werden von den Chinesen geheim gehalten. Wie kann man so eine Argumentation nicht hanebüchen finden?
„Aus meiner Sicht sind diese ganzen korrelativen Statistikargumente zum Markt grundsätzlich mit Vorsicht zu rezipieren.“
Ja natürlich. Diese Argumente sprechen ja gegen die Labortheorie, also sind sie mit Vorsicht zu rezipieren. Die vielen anderen „korrelativen Statistikargumente“ aus dem Vortrag hingegen sind voll OK, weil sie für die Labortheorie sprechen.
„dass Frauen geistig weniger leistungsfähig sind als Männer, die Physik mit Newton abgeschlossen ist und dass Wegener ein Wirrkopf sein muss“
Hier haben wir das bekannte Galileo-Gambit: Wenn bei einem Thema die Wissenschaftler anderer Ansicht sind, lenkt man ab auf andere Themen, wo ein Konsens sich gedreht hat oder zumindest mal jemand Unrecht gehabt hat. Dieses Argument wird von Vertretern jeder Pseudowissenschaft irgendwann vorgebracht. Es hat die gleiche argumentative Kraft wie
„es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde…“ oder „Dagegen könnte ich viele gute Argumente vorbringen, wenn ich welche hätte“.
Diese Art von Argumentation nenne ich Blanko-Argumente. Wie bei einem Blanko-Scheck, wo nur der Betrag fehlt, handelt es sich um eine fertige Argumentation, bei der man nur noch hinzufügen muss, was man damit rechtfertigen muss.
Das Blanko-Argument wird dann in dem Beitrag noch breit ausgewalzt, unter anderem mit: „Das käme wissenschaftlichem Selbstmord schon ziemlich nahe“. Das kenne ich sehr gut aus Diskussionen vor allem mit Kreationisten, Klimawandelleugnern und Astrologen. Auch die behaupten, ihre Ideen würden von Akademikern nur aus Gruppendruck abgelehnt.
Ich bitte die Mitleser, den Text von „Ad „Der wissenschaftliche Konsens besagt weiterhin …““ bis „Wie gesagt: ich kenne den Unibetrieb“ (ohne den Teil mit Lancet-Letter) nochmals durchzulesen und die Labortheorie durch z.B. den Glauben an den Weihnachtsmann zu ersetzen. Es funktioniert genauso gut. Das ist mit Blanko-Argument gemeint.
Sowas ist eine Bankrott-Erklärung, und daher kann ich an dieser Stelle aufhören. Denn wer solche Argumente verwendet,
* kann gute und schlechte Argumente nicht auseinanderhalten
* wird für jedes Gegenargument eine Ausrede finden und
* ist damit einer seriösen Argumentation nicht zugänglich.
Also werde ich mich nun wieder sinnvolleren Dingen zuwenden.