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Gastbeitrag: Überbordende Problemkonstruktion in der Queerpolitik

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ein Gastbeitrag von Michael Toppel (Mitglied bei der Queer-Gruppe der GWUP)

Missverständnisse bezüglich Sprachrelativismus und ein Fokus auf postmoderne Interpretationen von queeren Lebensweisen haben bereits in der Vergangenheit zu schlechten Maßnahmen aus der Queerpolitik geführt. Es lohnt sich daher hinzuhören, was Dominique Mras von der SoHo über Queerpolitik auf Puls24 (15.05.205) zu sagen hat. Die SoHo ist die LGBTQ-Organisation der österreichischen Sozialdemokratie (SPÖ) und damit das Sprachrohr queerer Politik der Partei, die in Österreich mit Andreas Babler den Vizekanzler stellt.

Frau Mras stellt dabei fest, dass die Personenstandsänderung für trans Personen bereits seit den 1980igern in Österreich möglich ist, für queere Personen jedoch nur dann, wenn bei diesen Intergeschlechtlichkeit diagnostiziert wurde. Das politische Angebot, dass die SoHo den queeren Östereicher*innen damit andeutet ist: Erst festigen wir das Recht auf Personenstandsänderung für trans Personen, wir achten, dass es für intergeschlechtliche umgesetzt wird und im kommenden Schritt erstreitet man die Möglichkeit zur Personenstandsänderung für queere Personen.

Im Raum einer vorpolitischen kritischen Analyse stellt sich daher die Frage, ob dieser Fokus auf den Personenstand wirklich zielführend ist. Während der Personenstand für die Gesundheits- und Sicherheitspolitik verschiedene Funktionen erfüllt, sehe ich in der Queerpolitik nur zwei relevante Zugänge:

(1) Man versucht die gesellschaftliche und rechtliche Aussagekraft des Geschlechtseintrags weiter zu reduzieren, bis er nur messbare biologische Merkmale (wie die Augenfarbe) erfasst. Kurz: Er nähert sich dem biologischen Geschlecht an. (Anm.: Das inkludiert Intergeschlechtlichkeit.)

(2) Man versucht gesellschaftliche und rechtliche Ansprüche wieder über den Geschlechtseintrag zu codieren; diesmal aber in einem Umfang, sodass er möglichst alle Lebensweisen abdeckt. Kurz: Er nähert sich der gesellschaftlichen Rolle an.

Wenn Dominique Mras im Puls24-Interview bezogen auf den Personenstand sagt, dass man selbst am besten weiß, welches Geschlecht man hat, dann verortet sie sich in (2). Hinter diesem Zugang stehen meist zwei Missverständnisse. Eines hat mit den Erfolgen in der Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare zu tun, das andere mit der postmodernen Analyse der Definitionsmacht.

Die Erfolge bei der Ehe-Öffnung und die damit einhergehende Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Paare ist kein Vorbild für die Bestrebungen um eine Erleichterung bei der Personenstandsänderung. Das liegt daran, dass die Personenstandänderung für trans Personen auch eine Reaktion auf das Eherecht war. In den 80igern wollte man (damals vorwiegend) trans Frauen die Möglichkeit geben, Männer zu heiraten. Da dies dem Eherecht widersprach, musste also der Personenstand geändert werden. Dieser Druck auf den Personenstand ist in Österreich 2019 mit der Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare weggefallen. Wenn überhaupt sprechen die Erfolge der Queerpolitik in der Eheöffnung gegen einen Ausbau der Möglichkeiten einer Personenstandsänderung.

Es ist ein gängiges Argument in der Debatte, dass Begriffsbedeutungen konstruiert werden, und daher vorwiegend machtpolitischen analysiert werden sollten. Daraus wird dann geschlossen, dass über die Macht der Gesetzgebung eine Neudefinition von Geschlecht in der Gesellschaft möglich ist. Beides ist falsch. Erstens verläuft die Begriffskonstruktion in der Gesellschaft nicht über Rechtsnormen. Das wurde zuletzt durch das UK-Höchstgericht geklärt. Am 16.04.2025 wurde festgestellt, dass Gesätze, die eine Personengruppe betreffen, die vorher mit „Frau“ bezeichnet wurde, auch bei einer Neudefinition von „Frau“ nur für diese Gruppe gelten. Zweitens fließen in den Prozess der Begriffskonstruktion in der Gesellschaft nicht nur politische Interessen, sondern auch Sachgründe mit ein. Das zeigt der Verlauf der Debatte über den Wert von geschlechtsbezogenen Statistiken für das Gesundheitssystem. Wir brauchen den Begriff, der bisher mit Wörtern wie „Frau“ zum Ausdruck kam im Personenstandsregister, während eine (neue) gemischte Kategorie wenig hilfreich ist.

Auf der Basis solcher Missverständnisse können nur schwer substanzielle und bleibende Maßnahmen für trans Personen gesetzt werden. Für queere Personen erzeugt der Fokus auf den Personenstand darüber hinaus aber noch die weiteren Schwierigkeiten, dass man überhaupt dazu gezwungen wird sich zu deklarieren und dass eine Personenstandsänderung erst noch erstritten werden muss. Sachgründe, warum sich dieser Mehraufwand lohnen sollte, ist Fau Mras bisher schuldig geblieben.

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Ein Kommentar

  1. Danke für diese Analyse!
    Während für das Gesundheitssystem aufgrund der biologischen und daher medizinischen Unterschiede die Information über das Geschlecht wichtig ist, kann man sich fragen, ob es wichtig ist, dass der Staat über das Personenstandregister weiß, welchem Geschlecht seine Bürger angehören? Ok, es gibt (noch) Unterschiede beim Pensionsalter und der Wehrpflicht, aber wenn hier Gleichheit erzielt ist, könnte man es doch ganz abschaffen, dass der Staat über das Geschlecht Bescheid weiß. Gibt es Strömungen oder Forderungen in diese Richtung?

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