Eigentlich haben wir immer gesagt, mit Fakten kommt man gegen Verschwörungstheorien nicht so richtig an,
erklärt der Journalist und Skeptiker-Interviewpartner Christian Schiffer im BR-Podcast
Verschwörungstheorien – Können wir sie mit KI bekämpfen?
Und nun?
Gibt es eine neue Studie, die zumindest „interessant“ ist. Worum es geht, beschreibt Schiffer in einem eigenen Beitrag:
Was passiert, wenn nicht ein Mensch, sondern eine KI das Argumentieren übernimmt? Genau das wollten Forscher an der MIT Sloan School of Management in Massachusetts herausfinden. Etwa 2.000 Probanden wurden gebeten, ihre bevorzugten Verschwörungstheorien zu beschreiben
Eine Gruppe durfte anschließend mit ChatGPT über diese Theorien sprechen. Danach bewerteten die Probanden, wie stark sie auf einer Skala von 0 bis 100 weiter an die Theorie glaubten.
Das Ergebnis:
Ein Gespräch von nur acht Minuten senkte den Glauben an die Verschwörungstheorie im Schnitt um 20 Prozent. Ein Viertel der Teilnehmer zweifelte nach dem KI-Plausch sogar gänzlich an dem Mythos. Der Effekt war dabei nachhaltig – auch zwei Monate nach dem Gespräch hielt die Skepsis an.
Warum ist das so?
Im Podcast IQ – Wissenschaft und Forschung macht Schiffer dafür im Wesentlichen drei Gründe geltend:
- Die KI hat einen großen Vorteil: Sie ist kein Mensch. Anders als ein Mensch reagiert eine KI nicht emotional, sie hat eine Engelsgeduld.
- Die KI hat immer alle Informationen parat. Sie kann sehr genau auf die Fragen reagieren, die die Menschen wirklich interessieren.
- Eine Künstliche Intelligenz wird als neutral und ehrlich eingeschätzt. Von einer Maschine fühlen Verschwörungsgläubige sich ernst genommen, und dann nehmen sie auch das ernst, was die Maschine ihnen sagt.
Ist das jetzt die Lösung im Kampf gegen Verschwörungstheorien?
Natürlich nicht.
Die aktuelle Studie ist zwar ein wichtiger Schritt gewesen, aber es bleiben noch viele Fragen offen,
merkt zeitjung an, zum Beispiel:
- Wie geht man mit der allgemeinen Skepsis vieler Menschen gegenüber der KI um?
- Wie sorgt man dafür, dass diese KI nicht selbst Falschinformationen verbreitet? Während der Studie musste dafür noch ein menschlicher Faktencheck durchgeführt werden – kann man das überhaupt automatisieren?
- Wann stößt so ein Chatbot an seine Grenzen? Und lassen sich diese überwinden?
Das Science Media Center hat fünf Experten zu der Studie befragt, die verschiedene Vorbehalte äußern, etwa:
Die Studie [konnte] naturgemäß nur solche Personen untersuchen, die noch genug Vertrauen in Wissenschaft und Gesellschaft besitzen, um an einer wissenschaftlichen Studie teilzunehmen.
Wie man also Personen erreichen kann, die sich komplett vom Mainstream-Diskurs abgekoppelt haben und ob die vorgeschlagene Intervention bei ihnen überhaupt wirksam wäre, muss – Stand jetzt – offenbleiben.
Oder:
Chatbot-Interventionen sind oft black-box-Interventionen. Das genaue Vorgehen der Chatbots entzieht sich oft der Kontrolle der Forschenden und Erkenntnisse über das „wie“ sind limitiert. Ein besseres Verständnis über menschliche Einstellungsbildung ist meines Erachtens durch die vorliegende Studie nicht möglich.
Oder:
Vielleicht fehlt mir die Fantasie, aber ich sehe ehrlich gesagt wenige Anwendungsszenarien, die nicht ein wenig unrealistisch oder dystopisch sind.
Wollen Verschwörungstheoretiker*innen mit Chatbots diskutieren? Manche haben vielleicht ein gewisses Überlegenheitsgefühl und würden sich spielerisch mit einer KI messen wollen. Aber als substanzieller Beitrag, um das Problem gefährlicher Verschwörungstheorien zu lösen, erscheint mir das noch nicht so recht vorstellbar.
Oder kurz:
Obwohl die Ergebnisse der Studie vielversprechend sind, bleibt die Frage offen, wie diese Ansätze in der Praxis noch weiterentwickelt werden können.
Zum Weiterlesen:
- Durably reducing conspiracy beliefs through dialogues with AI, science am 13. September 2024
- This AI chatbot got conspiracy theorists to question their convictions, nature am 12. September 2024
- Unendlich geduldig: Wie KI gegen Verschwörungstheorien hilft, br am 3. Oktober 2024
- Podcast: „Verschwörungstheorien: Können wir sie mit KI bekämpfen?“ br am 2. Oktober 2024
- Reden hilft doch: KI lässt Menschen Verschwörungstheorien hinterfragen, zeitjung am 20. September 2024
- KI gegen Verschwörungserzählungen, fexbw am 17. September 2024
- Mondlandung doch echt? KI überzeugt selbst hartgesottene Skeptiker, telepolis am 26. September 2024
- Künstliche Intelligenz reduziert Verschwörungsdenken, spektrum am 16. September 2024
- Podcast: „Wie KI gegen Verschwörungstheorien helfen kann“, welt.de am 2. Oktober 2024
- KI senkt Zustimmung zu Verschwörungstheorien, science media center am 12. September 2024
- Weitere Kennedy-Akten freigegeben – keine Belege für eine große Verschwörung, GWUP-Blog am 29. Dezember 2022
- „Zeigt uns einfach das Ufo!“ Interview mit Christian Schiffer zu seinem Buch „Die Wahrheit ist (n)irgendwo da draußen“, GWUP-Blog am 1. März 2024
10. Oktober 2024 um 09:43
@alle:
Wegen einer kurzen Blog-Pause können voraussichtlich bis Samstag keine Kommentare freigeschaltet werden.
12. Oktober 2024 um 09:53
Eine unterhaltsame bis verstörende Fallstudie zum Umgang von VTlern (Alex Jones und Team) mit ChatGPT, kommentiert und runtereditiert, bieten die Folgen 960-962 und 966 des „Knowledge Fight“ Podcast.