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Neues zur bayerischen Studie über Homöopathie als Antibiotika-Alternative

| 12 Kommentare

Neues von der „Homöopathie statt Antibiotika?“-Studie, die der bayerische Landtag vor drei Jahren beschlossen hat.

Wie das INH heute mitteilt, liegt jetzt eine Studienregistrierung bei clinicaltrials.gov vor:

Es handelt sich um eine mehrfachverblindete placebokontrollierte randomisierte Verlaufsstudie, also grundsätzlich nach dem „Goldstandard“, die an der TMU München/Klinikum „Rechts der Isar“ durchgeführt werden wird.

Untersuchungsgegenstand ist, ob die Rezidivrate bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen (Zystitis) bei Frauen durch die Gabe von Homöopathika positiv beeinflusst werden kann („Vergleich der Anzahl der mit Antibiotika behandelten Harnwegsinfektionen, gemessen zwischen Baseline und Monat 9 in beiden Gruppen“).

Das heißt:

Geprüft wird, ob individualisiert verschriebene, hoch-verdünnte (C200 oder C 1000) Homöopathika wirksamer sind als Placebos, wenn es darum geht, den Antibiotikabedarf bei Patientinnen mit wiederkehrenden Harnwegsinfekten zu reduzieren. Der Erfolg der Therapie wird anhand der Anzahl der mit Antibiotika behandelten Harnwegsinfektionen während des Beobachtungszeitraums bestimmt.

Das letztliche Ziel der Studie ist es herauszufinden, ob die mit Homöopathie vorbehandelten Patientinnen im Vergleich zur Placebo-Gruppe seltener Antibiotika zur Therapie von Harnwegsinfekten benötigen. Es handelt sich also nicht um eine typische Therapie-, sondern eher um eine Prophylaxis-Studie.

Aus Sicht des INH zeichnet sich hier „nicht mehr ab als eine zusätzliche einzelne Studie auf dem Berg der vorhandenen, die es bisher selbst in ihrer Gesamtheit nicht geschafft haben, eine belastbare Evidenz pro Homöopathie für irgendeine Indikation hervorzubringen“.

Ähnlich äußert sich Prof. Edzard Ernst in seiner Welt+-Kolumne.

Zunächst einmal sei an dem Projekt nichts auszusetzen – fast nichts:

Was allerdings dubios anmutet, ist die Fragestellung, die der Untersuchung zugrunde liegt. Die Hypothese, die hier geprüft wird, lautet etwa wie folgt: Individualisierte homöopathische Behandlung verhindert Harnwegsinfektionen. Für diese Annahme gibt es jedoch keinerlei brauchbare Hinweise.

Im Gegenteil, die Evidenz aus derzeit immerhin mehr als 500 klinischen Studien besagt, dass Homöopathie nicht mehr als eine Placebo-Behandlung ist. Das bedeutet letztlich, dass das Resultat dieses Projekts eigentlich schon feststand, bevor die erste Patientin rekrutiert wurde.

Die Kosten liegen mittlerweile übrigens bei schlappen 800.000 Euro.

Ernst:

Hier werden erhebliche Geldmittel vergeudet, die an anderer Stelle nutzbringend eingesetzt werden könnten. Zudem gibt die offizielle Förderung dieser Studie der Homöopathie ein Renommee, das ihr nicht zukommt.

Außerdem sei das Resultat überaus vorhersehbar. Die Studie wird – falls sie ordnungsgemäß durchgeführt wird – zeigen, dass Homöopathie den Antibiotikaverbrauch nicht reduziert. Die Homöopathen werden das Gegenteil behaupten und darauf beharren, dass Globuli einen wertvollen Beitrag im Kampf gegen die zunehmende Antibiotikaresistenz leisten könnten.

Mit anderen Worten, das Ganze wird ausgehen wie das Hornberger Schießen.

Zum Weiterlesen:

  • Homöopathie ist eine Placebo-Behandlung – nur Bayern glaubt das nicht, welt+ am 17. Februar 2023
  • Homöopathiestudie in Bayern: ein Zwischenbericht, INH am 17. Februar 2023
  • Offener Brief an die bayerischen Landtagsabgeordneten: Homöopathie ist keine Antibiotika-Alternative, INH am 4. November 2019
  • Bayerischer Landtag stimmt für umstrittene Homöopathie-Studie, zeit.de am 7. November 2019
  • Homöopathie: Empörung und Spott für Studie aus Bayern, fr am 27. November 2019
  • Faktenfuchs: Kann Homöopathie Antibiotika ersetzen? tagesschau.de am 7. November 2019
  • Bayerischer Landtag verdoppelt Ausgaben für Homöopathie-Studie, deutsche-apotheker-zeitung am 14. Februar 2020
  • Studienauftrag zu Homöopathie und Antibiotika – die Schräglage, INH am 5. November 2020
  • Gegen Engpässe: Homöopathie-Ärzte empfehlen Homöopathie, apotheke-adhoc am 8. Februar 2023

12 Kommentare

  1. Was kann man erwarten, wenn man ein Plazebo gegen ein anderes Plazebo testet? Ein Ergebnis, das im besten Fall zufällig ist, im wahrscheinlicheren Fall aber von dem einen oder anderen Studienfehler bestimmt wird.

  2. Study contact backup: Dr. Katharina Gaertner, diplomiert bei Michael Frass …

  3. Wenn es blöd läuft, schneidet das eine Placebo (Homöopathie), da das Ergebnis völlig zufallsbasiert sein wird, bei der „Studie“ besser ab, als das andere. Dann wird das Geschrei der Glaubulisten noch größer sein.

    Es ist völlig sinnlos verbranntes Geld. Um Whataboutismen vorzubeugen: Auch wenn die Politik Talent darin besitzt, das an andere Stelle noch effektiver zu tun, ist hier im Voraus klar, dass jeder Cent anderswo besser angelegt wäre, z.B. in ca. 8.000 psychotherapeutischen Sitzungen, oder ca. 1.000 Zahnspangen.

  4. Hallo, bin ja grundsätzlich auch Globuli-Skeptiker, aber alleine die Überschrift zeigt, dass hier nicht ergebnisoffen berichtet wird. Es geht NICHT um Globuli STATT Antibiotika, sondern ob die homöopath. Behandlung rezid. Infektionen verhindern kann (und so ein AB gar nicht erst gegeben werden muss)
    Bin gespannt, ob bei einem negativen Ergebnis für die Homöopathie bei dieser „Goldstandard-Studie“ irgendjemand die Homöopathie für beendet erklärt.

  5. J. Bengen:

    Es geht NICHT um Globuli STATT Antibiotika, sondern ob die homöopath. Behandlung rezid. Infektionen verhindern kann (und so ein AB gar nicht erst gegeben werden muss)

    Das steht in dem Beitrag auch so drin.

    „Homöopathie statt Antibiotika?“ ist eine schlagwortartige Zusammenfassung zum Einstieg, die auch von anderen Medien genau so verwendet wird, zum Beispiel

    https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Homoeopathie-Globuli-statt-Antibiotika-Bayern-loest-mit-Homoeopathie-Studie-Debatte-aus-id56076896.html

    https://www.rnd.de/wissen/homoopathie-statt-antibiotika-bayern-lost-mit-studie-heftige-debatte-aus-OTJC7555XAPS6AFFV5H3RT3VYY.html

    Und was genau hat das mit einer „ergebnisoffen Berichterstattung“ zu tun, solange im Beitrag sebst alles korrekt dargestellt ist?

  6. @ J. Bengen

    Mir Verlaub, das ist doch egal, was diese „Studie“ herausfinden will. Homöopathie kann sicher keine rezid. Infektionen verhindern. Wie auch.

    Ein „Beenden der Homöopathie“ wird niemand Seriöser erklären. Sie soll ja nicht beendet werden, sondern nur aus der Medizin verschwinden.

  7. Die Studie hat ein positives Votum einer Ethikkommission.

    Dazu: https://link.springer.com/article/10.1007/s00481-020-00593-z

  8. Karl Lauterbach: „Eine „Studie“ ob Homöopathie Antibiotika ersetzen kann? Grotesk. Eine Ohrfeige für die Evidenz-Basierte-Medizin.“

    https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1626913646574985216

    Grotesk und eine Ohrfeige für die EBM ist, dass der Binnenkonsens immer noch sein Unwesen im Arzneimittelrecht treibt.

    Lauterbach könnte es ändern.

  9. Lauterbach könnte es ändern.

    Jo, Lauterbach schießt sich mit dieser (absolut berechtigten) Meldung ein Eigentor.

  10. @Joseph Kuhn

    Lauterbach könnte es ändern.

    Sind Sie sich da sicher? Wir leben in einer Mehrheits- und interessengeleiteten und keiner, allenfalls idealen, vernunftbasierten Demokratie.

  11. @ Carsten Ramsel:

    Dann von mir aus so: „Lauterbach könnte ernsthaft versuchen, es zu ändern.“

    Mag sein, dass er aus Rücksicht auf die Homöopathiefreunde in der Koalition nichts unternehmen will und einfach nur die Gelegenheit nutzt, der Opposition billig eins mitzugeben. Wie dem auch sei: Sein tweet geht am eigentlichen Problem vorbei.

    Zumal man bei seinem tweet auch noch vermuten muss, dass ihm gar nicht klar ist, warum diese Studie aus EBM-Sicht problematisch ist. Er scheint ja zu glauben, dass hier Studien grundsätzlich fehl am Platz sind.

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