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AOK Plus kündigt die Selektivverträge Homöopathie

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Geht doch:

Das INH schreibt dazu:

Da bricht dem Homöopathie-Marketing aber ein schöner Zacken aus der Krone, vor allem, wenn dies Signalwirkung entfaltet. Wir haben ja seit jeher dazu aufgefordert, dass mal jemand den Anfang machen solle, insofern eine mehr als positiv zu bewertende Sache.

Was heißt das nun?

In diesem Falle, dass es keine Abrechnung extraordinärer Honorarsätze für therapeutische homöopathische Leistungen bei Vertragsärzten (d.h. Teilnehmer am Selektivvertrag) mehr geben wird. In der Tat ist das ein Problem, das die Krankenkassen selbst lösen müssen – die Selektivverträge mit der Marketingabteilung des Zentralvereins homöopathischer Ärzte sind privatrechtlicher Natur und mit gesetzlichen Regelungen nicht einfach auszuhebeln.

Ein wichtiges Signal also.

Da ist es zunächst zu verschmerzen, dass die AOK Plus ihren homöopathieaffinen Kunden ein Trostpflaster anbietet: Sie können Punkte ihres Bonusprogramms für Homöopathie-Erstattungen verwenden.

Therapeutische Leistungen dagegen werden nur noch abgerechnet wie alles andere auch (d.h. in der Regel abgedeckt in der Vierteljahrespauschale) – was allerdings laut Info auch bedeutet, dass alle Kassenärzte und auch Heilpraktiker (sic!) Homöopathie in diesem Rahmen verordnen können. Unterm Strich dürfte das für die Kasse wohl günstiger sein als die Honorierung nach dem Selektivvertrag – was z.B. die BKK Melitta schon vor einigen Jahren erkannt hatte.

Wir machen uns keine Illusionen darüber, dass die Gründe für diesen Schritt wohl eher betriebswirtschaftlicher Natur sein dürften und weniger der Einsicht entspringen, dass Homöopathie im Portfolio einer Krankenkasse nichts verloren hat.

Gleichwohl, wir nehmen den Vorgang durchaus mit Befriedigung zur Kenntnis. Es ist von den Auswirkungen her alles noch nicht völlig klar, aber die Bedeutung der Kündigung von Selektivverträgen ist jedenfalls ein ganz entscheidender Einschnitt. Und das nicht von einer kleinen Kasse, sondern von der AOK.

Ob wohl die Fokussierung auf Thüringen und Sachsen damit zu tun hat, dass man mit guten Gründen erwarten kann, dass in diesen Bundesländern in diesem Jahr auch die „ärztlichen Zusatzbezeichnungen Homöopathie“ ein Ende finden werden … ?

In jedem Fall ohne Wenn und Aber ein sehr wichtiger Schritt und eine deutliche Korrektur der unsäglichen Privilegierung der Homöopathie gegenüber der normalen ärztlichen Versorgung.

Und deshalb durchaus: Hut ab, AOK Plus.

Vor einem Jahr hatte die Kassenärztliche Vereinigung Bremen drei Selektivverträge Homöopathie gekündigt.

Zum Weiterlesen:

  • AOK Plus stoppt Homöopathie-Vertrag für Behandlung bei Kassenärzten, krankenkasseninfo am 26. Januar 2023
  • Aber die Krankenkassen würden doch keine wirkungslosen Mittel bezahlen! INH am 16. September 2016
  • Gesetzliche Krankenkassen und Homöopathie, Informationsnetzwerk Homöopathie am 10. März 2017
  • Umstritten: Viele Kassen zahlen Homöopathie, weil die Nachfrage danach steigt, medscape am 5. Oktober 2015
  • Warum Krankenkassen endlich aufhören sollten, für Homöopathie zu bezahlen, motherboard am 3. Juni 2016
  • Christian Lübbers bei hr-info: Homöopathie ist „hochgradiger Quatsch“ und Desinformation, GWUP-Blog am 16. Dezember 2022

2 Kommentare

  1. „Vierteljahrespauschale … und auch Heilpraktiker (sic!) “

    Der Passus verwirrt mich etwas. Können Heilpraktiker im Rahmen von Vierteljahrespauschalen wirklich Homöopathie verordnen? Oder geht das bei der AOKPlus jetzt über die Umwandlung von Bonusprämien bzw. den Zusatzvertrag naturPLUS?

    Vielleicht kann vom INH jemand dazu noch zwei Sätze schreiben?

  2. @Joseph Kuhn:

    Wir schrieben ja auf Facebook (hier auch zitiert), dass die „Auswirkungen nicht ganz klar“ seien – was auch zum Ausdruck bringen soll, dass uns derzeit hier noch einiges verwirrt. Wie es im Moment scheint, hat die Informationsquelle (Krankenkassen-Info) die Zusammenhänge auch nicht so ganz verstanden und die „Heilpraktiker“ in fröhlicher Sorglosigkeit dazugesetzt.

    Wobei ja die Erstattung von HP-Leistungen keineswegs ausgeschlossen ist, denn die „anderen Leistungserbringer“ gehören ja auch zu denen, deren Leistungen nach § 11 Abs. 6 SGB V zu den möglichen Satzungsleistungen gehören (einige wenige GKV-Kassen bieten das auch offensiv an, die meisten lassen aber wohlweislich die Finger davon, weil das eine nicht zu bewältigende Nachfragewelle nach sich ziehen könnte).

    Natürlich ist es vorstellbar, dass die AOK Plus ihren Versicherten auch von HP verordnete Homöopathika erstattet, aber das berührt nicht die Erstattungsfähigkeit von deren therapeutischen Leistungen. Und wenn die Erstattung für Homöopathika eh gedeckelt ist, kann es der Kasse letztlich egal sein, ob die Verordnung von Ärzten oder von HP kommt. Sie hat ihre Kalkulationsgrundlage ja fix.

    Wenn es keine besondere Abrechnungsmöglichkeit für therapeutische homöopathische Leistungen wie den Selektivvertrag mehr gibt, dann bleibt nur die Honorierung ärztlicher Bemühungen im Rahmen der Regelleistungen, also letztlich der Kopfpauschale.

    Ein Mechanismus, der die Leistungserbringen (homöopathisch tätige Ärzte) über die Bonuspunkte der Versicherten honoriert, scheint kaum vorstellbar (es gibt ja nach dem Wegfall der Selektivverträge gar keine Grundlage mehr für eine besondere Honorierung außerhalb der Regelleistungen), wir beziehen die Sache mit den Bonuspunkten nur darauf, dass der satzungsmäßige Höchstbetrag für Homöopathika je Jahr damit gesteigert werden kann.

    Wir haken da gerade nach, aber so ungefähr wird es wohl sein.

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