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Wir irren uns empor: Neue Folge im GWUP-Videotalk mit Nikil Mukerji und Bianca Holtschke

| 36 Kommentare

Heute Abend (Mittwoch, 31. August) um 21 Uhr geht im Youtube-Kanal der GWUP das Video

Postmoderner Bullshit

online.

Wie bei jeder Videopremiere können die Zuschauer live mit uns chatten. Danach steht das Video hier zur Verfügung.

„Wir irren uns empor.”

So lautete der Titel des Nachrufs auf den Wissenschaftsphilosophen Karl R. Popper, den Gerhard Vollmer im Jahr 1995 im Skeptiker veröffentlichte.

Mittlerweile handelt es sich dabei um einen feststehenden Ausdruck, der die Leitlinie des kritischen Rationalismus kompakt zusammenfasst. Uns dient Vollmers Wendung als Titel einer neuen Reihe, in der Skeptikerinnen und Skeptiker von ihren eigenen Irrwegen erzählen, Lektionen ableiten und Tipps geben, wie man Denkfehler vermeiden kann.

In der zweiten Folge sprach Nikil Mukerji mit GWUP-Mitglied Bianca Holtschke. Sie war in ihrem Studium mit postmoderner Theorie in Kontakt gekommen und merkte erst nach und nach, dass es sich dabei um irrationalen Unsinn handelt.

Im ersten Teil von „Wir irren uns empor“ sprach Mukerji mit dem GWUP-Vorsitzenden Amardeo Sarma über Wunschdenken und Pseudowissenschaft.

Update vom 5. September

  • Gastbeitrag: Zynische Theorien – Wie Identitätsideologie die Geistes- und Sozialwissenschaften beschädigt

Zum Weiterlesen:

36 Kommentare

  1. In einem der letzten Ferngespräche wurden – unwidersprochen – Thesen des „Postmodernen Bullshits“ verbreitet. Wie im Video angemerkt, sollte sich „die GWUP um dieses Thema kümmern“ und ich würde mich sehr über ein Ferngespräch mit Bianca Holtschke freuen! Vielen Dank für dieses Video!!!

  2. @Judith Ellen:

    Da würde ich Sie zunächst einmal um eine Präzisierung bitten: Welcher Bullshit in welchem Ferngespräch?

    (Allerdings ist die GWUP nicht die Veranstalterin des Ferngesprächs – wir können dort nur Vorschläge zu Themen und Personen machen.)

  3. Schön zu sehen, dass man sich in der GWUP auch mal dieses Themas annimmt.

    Es ist – wie die beiden in dem Video sagen – ein Thema, das man scheinbar in Skeptikerkreisen eher gemieden hat. Dabei ist es die ideologische Basis für beinahe jeden Schwurbel (bzw. kann dafür herhalten – Walach und E. Wunder sind Beispiele).

    Auch viele Themen, die man gerne umschifft, sind nur aus dieser Geisteshaltung zu erklären; etwa auch die Genderdebatte. Es dürfte innerhalb der GWUP (vermute ich mal) sicher nicht leicht werden, das als Schwerpunkt durchzusetzen. Mukerji hat das gut erkannt, aber sind alle dort so überzeugt?

    Achso: in den Ferngesprächen wird sicherlich auch der postmoderne BS (wahrscheinlich unreflektiert) wiedergegeben. Das ist einfach zu verbreitet, um das nicht zu reproduzieren. Ich tippe mal in Richtung Hoaxillas. (Postmoderner BS wäre doch mal ein schönes Ferngesprächsthema).

  4. @Bernd: sehr gerne.

    Ich weiß, dass die GWUP nicht der Veranstalter ist; ich war nur froh, dieses Thema hier zu sehen, wie auch @Konfuse schrieb: „Es ist einfach zu verbreitet, um das nicht zu reproduzieren.“ Genau das.

    Identitätspolitik, postkoloniale Theorie vor allem.

    Bei Hoaxillas immer wieder in kleineren Bemerkungen (Folge neu gemischt wegen der Verwendung des Begriffs „Zigeuner“, ohne sich der postmodernen Denkmuster hinter solchen Forderungen klar zu sein), in „Demokratische Herdenimmunität 2“ sehr ausführlich, Nana Walzer hat versucht, gegenzuhalten.

    Vielen Dank @Bernd Harder, dass du geantwortet hast :-)

  5. @Judith Ellen

    Den zumindest im Deutschen abwertend konnotierten Begriff „Zigeuner“ nicht zu verwenden, sondern Roma (und Sinti, wiederum spezifisch in Deutschland aufgrund Zuwanderungs- und Ansiedlungsgeschichte) zu benutzen, halte ich nicht für eine Erscheinung aktueller, „postmoderner Identitätspolitik“.

    Das war bereits in den 80ern Standard, zumindest an Schulen und Universitäten, nachdem sich der Zentralrat gegründet hatte.

    Gleiches gilt für N.,

    Das ist nichts Neues, dass Menschen sich darum bemühen, sprachlich nicht abgewertet zu werden oder von der anderen Seite her nicht abzuwerten.

    Und wenn die Waschkaus nun einen ihrer Podcasts neu abmischen, weil sie das so tun wollen, sehe ich da keinen Bullshit, sondern Rücksichtnahme.

    Dass heißt ja nicht, dass aktuelle Ideen und Versuche, diese Intention sowohl gesellschaftlich als auch sprachlich umzusetzen, der Weisheit letzter Schluss sind.

    (Bullshit sehe ich eher z.B. bei J. Butlers Idee, dass selbst biologische Geschlechter sozial begründet seien.)

  6. Es kommt immer sehr auf den Kontext an, in dem man Begriffe verwendet.

    „Zigeuner“ ist ein Begriff, der nun mal existiert. Will ich darüber aufklären, dass er heute problematisch ist und woher er kommt, muss ich den Begriff verwenden. Es gibt ja auch einen Wikipedia-Eintrag dazu; den verschwinden zu lassen, löst keine Probleme.

    Ich kenne den Kontext der Hoaxillas nicht, aber wenn man den Begriff nur löscht, weil er problematisch ist, dann hat man etwas falsch verstanden.

    „Bullshit sehe ich eher z.B. bei J. Butlers Idee, dass selbst biologische Geschlechter sozial begründet seien“

    Ja, da wird es deutlich. Das sprachliche Gendern baut auf dieser Idee auf („Sprache konstruiert gesellschaftliche Realität“ etc.). Das wird auch ziemlich selbstverständlich hingenommen und praktiziert (meist aus gut gemeinten Gründen).

    An der Stelle gleich mal der Disclaimer: Nein, ich vertrete keine rechten Positionen und sehe darin auch nicht den Untergang des Abendlandes. Aber es gehört auch zum kritischen/skeptischen Denken, das mal zu hinterfragen.

    Noch eine Bemerkung zu den Videos: Man kann auf YT nicht kommentieren, deshalb mal hier. Das ist eine schöne Reihe und der Nikil macht das sehr sympathisch locker und qualifiziert.

    Damit ist es auch unterhaltsam und nicht trocken belehrend.

  7. „Sprache konstruiert gesellschaftliche Realität“

    Ist der Satz falsch? Oder wird gesellschaftliche Realität erst durch Sprache fassbar?

    Und das in verschiedenen Möglichkeiten, für FDP-Fans anders als für Linke-Fans?

  8. @Konfuse

    Das sprachliche Gendern baut auf der Idee auf, dass prinzipiell jeder Mensch jede soziale Funktion und Rolle annehmen kann und nicht z.B. Berufe einem Geschlecht zugeordnet werden. Das sprachliche Gendern kann sowohl als inkludierend als auch motivierend verstanden werden.

    Es hat aber nichts mit der sozialen Begründung biologischer Geschlechter zu tun, was vor allem Gegner des Genderns ob aus Unwissenheit oder Absicht gerne mal behaupten.

  9. Ich glaube, dass das Verschwindenlassen von Begriffen das Problem Rassismus nicht lösen wird und noch nicht einmal ein Schritt in diese Richtung ist. Wie andere Begriffe schon gezeigt haben, wird der Rassismus auf den neuen Begriff übertragen, was bedeutet, dass dann „Sinti und Roma“ negativ kontiert sein wird.

    Zitiert nach Helen Pluckrose (Zynische Theorien):

    „Im postmodernen Denken gilt Sprache als inhärent gefährliches Instrument, da sie die Macht besitzt, die Gesellschaft und unser Denken zu kontrollieren. (…) Darüber hinaus besitzt nach Derridas Ansicht die Bedeutungsabsicht des Sprechers keine höhere Autorität als die Interpretation des Zuhörers. (…) In der Praxis hat der dekonstruktivistische Ansatz folglich viel Ähnlichkeit mit spitzfindiger Wortklauberei – just um die eigentliche Aussage ganz bewusst misszuverstehen.“

    Mit Derridas Behauptungen zur gefährlichen Macht der Sprache hat sich Steven Linker auch auseinandergesetzt und diese als nicht wissenschaftlich belegt bezeichnet.

    Wobei ich nun wieder bei dem Punkt bin, weshalb ich dieses Video der GWUP so wichtig finde: Postmoderne Theorien sind NICHT wissenschaftlich belegt und belegbar/falsifizierbar.

    Viele Menschen, die sich für eine gerechte Welt einsetzen wollen (mich, bevor ich auf diese Bücher und Videos gestoßen bin), folgen aber den Postulaten des postmodernen BS. Es ist so schwierig, auf postmoderne Argumente zu antworten, ohne gleich als rechts dazustehen. Siehe Disclaimer von Konfuse – ich wurde schon mehrmals nicht nur als Terf, auch als Nazi beschimpft.

    Und ein letztes Mal möchte ich mich Konfuse anschließen: Schöne Reihe, Nikil macht das super, tolle Videos!

  10. Sollen denn Begriffe „verschwinden“? Oder geht es um den kontextbewussten Gebrauch?

    Und die Aussage, „postmoderne Theorien“ seien nicht falsifizierbar: Auf welche Theorien bezieht sich das konkret und anhand welcher Prüfversuche wurde festgestellt, dass sie nicht falsifizierbar seien?

    Oder ist diese Aussage selbst nicht falsifizierbar, weil nicht hinreichend gegenstandsbezogen?

  11. Zum Begriff „Zigeuner“ sagte Markus Reinhardt, Grossneffe des Jazzgitarristen Django Reinhard, in einem Interview:

    T: In der Schweiz diskutieren wir seit Monaten über politisch korrekte Begriffe. Nun nennen Sie sich Zigeuner. Wieso?

    MR: Weil es die richtige Bezeichnung für mich ist. Ich möchte so genannt werden. Es gibt viel mehr Stämme als nur die Sinti und die Roma – wo bleiben die Kalderasch, die Manouche? Zigeuner ist für mich ein Überbegriff für alle. Auch ändert man bestimmte Dinge nicht, wenn man nur den Namen ändert. In Österreich habe ich ein Plakat gesehen: Sinti und Roma raus.

    T: Andere wollen explizit «Roma» genannt werden. Können Sie das verstehen?

    MR: Natürlich. Der Begriff «Zigeuner» wurde ja gerade in der Nazizeit negativ besetzt.

    https://www.tagesanzeiger.ch/zigeuner-ist-die-richtige-bezeichnung-fuer-mich-342780184640

    Auch Martin Luther King bezeichnete sich selbst und alle anderen dunkelhäutigen US-Amerikanern als „Negro“.

    Die Wirklichkeit ist also weitaus komplexer.

  12. Von kultursensiblem Umgang in der ärztlichen Versorgung über die Gendermedizin bis hin zur Umbennenung des Mitteilungsblatts der Berliner Ärztekammer in „Berliner Ärzt:innen“ (die Kolleg_*:Innen in Brandenburg haben das bis dato nicht für erforderlich erachtet), habe ich sehr unterschiedliche Auswirkungen und Beeinflussungen der Medizin durch postmoderne Theorie erfahren.

    Und gewiß ist es sinnvoller, sich konstruktiv mit manchen Veränderungsversuchen auseinanderzusetzen, als mit anderen – aber: durchaus einiges hat eine klare Berechtigung.

    Aber auch als nicht in der Forschung tätiger Arzt stelle ich mir seit geraumer Zeit die Frage, ob manches, was und Gesellschafts- und Geisteswissenschaften präsentieren, überhaupt noch als Forschung bezeichnet werden sollte.

    Natürlich ist mir auch klar, daß Geisteswissenschaften anders „funktionieren“ als Naturwissenschaften. Aber in den Publikumsmedien tauchen eine ganze Menge Protagonisten auf, die anscheinend Thesen generieren, welche sie mit aller intellektuellen Gewalt bestätigen wollen. Ich frage mich ernsthaft, was geschehen würde, wenn diese Forscher Indizien dafür finden würden, die ihre Thesen nicht stützen?

    Würde ich beispielsweise mit derselben Herangehensweise versuchen, die Wirksamkeit einer Intervention oder eines Medikamentes zu belegen, dann wäre meine Karriere mit einem Schlag beendet.

    Und noch etwas ist mir aufgefallen:

    Viele der Protagonisten, an die ich denke, zumindest diejenigen, die in den Medien präsent sind, haben Doppelrollen, sind Forscher und „Aktivisten“ gleichzeitig. –

    Um nicht mißverstanden zu werden: Ich glaube, daß Wissenschaften nicht im Elfenbeinturm bleiben sollten, angesichts der diversen gesellschaftlichen Herausforderungen heutzutage sowieso nicht.

    Ob allerdings bei manchen dieser Akteure nicht die Objektivität auf der Strecke bleibt und die Ideologie siegt?

  13. @RPGNo1:
    Danke für den Verweis auf Familie Reinhardt.

    Ich halte gerade seinen Verweis auf die _Selbst_bezeichnung für sehr wichtig.

    Und, wie gesagt, die aktuelle Debatte halte ich für wichtig, denn offensichtlich bewegt es uns als Gesellschaft und als Mitglieder dieser. Auf was wir uns einigen, welche Strömungen parallel bestehen bleiben, mal gucken.

    Ideologie würde ich nicht nur auf Seiten der „extremen Postmoderne“ sehen, sondern ebenso auf Seiten der „extremen Konservativen (im Wortsinn)“. Es wäre schon großartig, wenn alle derjenigen, die sich öffentlich beteiligen (Linguistinnen, Grammatiker, Soziologen, Publizistinnen usw.) ihre eigene emotionale Reaktion reflektieren.

    Und bzgl. des Genderns bin ich tatsächlich verwundert ob der teils aggressiven Ablehnung durch einige Linguisten/-innen ;) , waren Binnen-I, Doppelungen wie Bürgerinnen und Bürger oder geschlechtsneutrale Umschreibungen zumindest während meiner Schul- und Studienzeit bereits in den 80ern bis 2000ern gängig.

    Schauen wir.

  14. @ Tina

    Danke für den interessanten Link!

    @ Magda Eckstein

    In der Tat, was von konservativer Seite als „Alternative“ zum „linken Diskurs“ geboten wird, ist oftmals menschenfeindlich und inhaltlich armselig. Spontan muß ich an Herrn Posener und seine Homöpathieverteidigung denken, die ja gerade hier im Blog diskutiert wird. Zumindest letzteres hat er unter Beweis gestellt.

    Traurige Zeiten!

  15. Ich zitiere mich mal selbst aus einem anderen Forum:

    Ich habe mir auf Empfehlung das Buch „Zynische Theorien“ von Pluckrose/Lindsay (siehe auch @Tinas Link) gekauft und arbeite mich jetzt langsam durch. Vielleicht verstehe ich dann besser, wie die Aktivisten ticken und wie der Postmodernismus einen solchen Einfluss auf Öffentlichkeit und Politik gewinnen konnte.

  16. @RPGNo1:

    Auch im Skeptiker rezensiert.

    Vielleicht frage ich mal an, ob wir den Text hier veröffentlichen können.

  17. @Judith Ellen: High Five ;)

    Die Frage ist doch: sind postmoderne „Theorien“ Aussagen im wissenschaftlichen Sinn, sind sie also empirisch begründet und widerlegbar?

    In dem Video oben wird das so beschrieben, wie ich es auch kenne. Es sind eher philosophische Annahmen oder einfach nur Texte, in denen die Welt so beschrieben wird.

    Auch ich musste so was lesen, habe es aber, wie die allermeisten Kommilitonen, nicht wirklich verstanden. Das war den Dozenten, die so etwas für grundlegend hielten, bewusst. Daher gab es immer Kurzfassungen, was man aus diesen Texten zu lesen hat.

    Das sind keine Texte, die sich auf Studien berufen, es sind halt „Philosophien“. Daraus leitet sich mittlerweile aber eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Konsequenzen ab, die Sprachregelungen sind nur ein Beispiel.

    Die Sprache ist hier aber zentral, sie dient – folgt man den Texten – nicht der Beschreibung der Welt, sie dient der Erschaffung von „Wirklichkeiten“, wie sich von bestimmten Kreisen erwünscht ist.

    Das sind immer irgendwelche Mächtigen, die die Welt in einem ungerechten Zustand halten wollen. Das klingt überspitzt, aber wer das aus der Lehre kennt, der hat das bestimmt auch so wahrgenommen. Die Beiden aus dem Video sind ja teils noch selbst in der akademischen Lehre aktiv und beschreiben das.

  18. @Konfuse

    Ich halte es mit Sokals Elegantem Unsinn. Er hat diesen Test 20 Jahre später meines Wissens noch einmal wiederholt und ist zum selben Ergebnis gekommen. Ich fand dazu allerdings nur eine Diskussion 20 Jahre später (in französischer Sprache):

    Impostures intellectuelles, 20 ans après – Entretien avec Alan Sokal et Jean Bricmont

    https://www.youtube.com/watch?v=4N04Z-0amII (Teil 1)

    https://www.youtube.com/watch?v=9EU1WVxG77s (Teil 2)

    Die Frage ist doch: sind postmoderne „Theorien“ Aussagen im wissenschaftlichen Sinn, sind sie also empirisch begründet und widerlegbar?

    Eine Konsequenz aus Ihrer Frage, würde bedeuten, dass Philosophie, Mathematik und Jura keine Wissenschaften sind. Denn die dortigen Theorien und Beweise sind zwar widerlegbar, aber nicht empirisch überprüfbar.

    Die Forderung, dass eine wissenschaftliche Theorie sowohl empirisch überprüfbar als auch falsifizierbar sein soll, ist aber eine philosophische, genauer gesagt wissenschaftstheoretische (z. B. Popper, Logik der Forschung, 1935). Und nur um Missverständnisse vorzubeugen: Ich bezeichne jene Frage als philosophisch, die wir noch nicht empirisch beantworten können, deren Antworten aber grundsätzlich begründet falsch sein können.

    Wenn wir sie beantworten können, ist es eine Frage der Einzelwissenschaften, so z. B. im 20. Jahrhundert mit der Sprachphilosophie und Linguistik geschehen.

    Außerdem müsste Ihre Frage doch mit „Ja“ beantwortet werden, denn Sie versuchen doch gerade mit einigem Verve den „postmodernen BS“ als empirisch unbegründet und widerlegt darzustellen.

    @borstel

    Ich frage mich ernsthaft, was geschehen würde, wenn diese Forscher [Sozial- und Geisteswissenschaftler] Indizien dafür finden würden, die ihre Thesen nicht stützen?

    Ich würde behaupten, die Sozial- und Geisteswissenschaften sind besonders anfällig dafür, dass Indizien, welche die eigene Theorie nicht stützen, gerne „übersehen“ werden, weil sozial- und geisteswissenschaftliche Theorien, etwas mit unserem Selbst- und Weltbild zu tun haben.

    Wenn ich mir allerdings die skeptische Betrachtung mancher medizinischer Studien hier ansehe, gilt dies für die Verfechter dieser Theorien ebenso.

    Mir kam auch mal zu Ohren, dass bestimmte in Auftrag gegebene (tier-)medizinische Studien, Ergebnisse produziert haben, die sich der Auftraggeber gewünscht hat, aber hier kommt es auf den Einzelfall an.

  19. Bevor das Buch von Pluckrose/Linday noch zum Offenbarungstext wird:

    https://www.deutschlandfunkkultur.de/pluckrose-lindsay-zynische-theorien-100.html

    Mir kommt es vor wie ein verspäteter Beitrag zu den science wars der 90er Jahre. Wissenschaftstheoretisch längst eine tote Debatte.

    Interessant ist, dass das gerade jetzt wieder hochkommt, in Zeiten, in denen Identitätspolitik so wirkmächtig geworden ist, Putin z.B. sogar den Ukrainekrieg mit der Verteidigung tradierter Werte gegen den woken Westen begründet.

    Vielleicht geht es also mehr um Politik und gesellschaftliches Selbstverständnis und weniger um Wissenschaft?

  20. Zur Reszension von Jens Balzer:

    [Er] arbeitet als Autor und Kolumnist für DIE ZEIT, Deutschlandfunk, Rolling Stone und radioeins. Von 2000 bis 2017 war er Popredakteur und stellvertretender Feuilletonchef bei der Berliner Zeitung. Seine jüngsten Bücher sind: „Pop. Ein Panorama der Gegenwart“ (2016), „Pop und Populismus“ (2019) und „Das entfesselte Jahrzehnt. Sound und Geist der 70er“ (2019).

    Neben seiner journalistischen Tätigkeit betreut er den Popsalon am Deutschen Theater und lehrt Popkritik an der Berliner Universität der Künste; er hat als Kurator u.a. an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gearbeitet und ist künstlerischer Berater des Donaufestivals Krems.

    https://listen-to-berlin-awards.de/portfolio-item/jens-balzer/

    Ob ein Popkritiker unbedingt die geeignete Person ist, ein kritisches Buch über postmodernistische Theorien zu beurteilen? Zweifel seien mir erlaubt.

  21. Ich hab das Buch Zynische Theorien gelesen. Mir hat es gut gefallen und ich bin eher links orientiert. Mit diesen philosophischen Strömungen, besteht die Gefahr wissenschaftliche Methoden über Bord zu werfen, Spaltung und Rassismus weiter voranzutreiben und die wahren Probleme von Minderheiten nicht zu ändern.

    Positives aus dem Buch

    – die Kapitel, die vermutlich von Pluckrose stammen, sind analytisch und sachlich auf hohem Niveau

    – ich hab verschiedene Bücher zum Thema gelesen, aber die Analyse bzw. Kritik erscheint mir die fundierteste zu sein

    Negatives aus dem Buch

    – die Texte, die vermutlich von Lindsey stammen, wirken teils polemisch

    – leider bekommt man von rechts viel Applaus, was ich ekelhaft finde

    Aber wir können diese Entwicklung nicht nicht kritisch beäugen, nur weil sie scheinbar auf der richtigen Seite stehen. Wir sollten aber behutsam und sachlich vorgehen, damit wir uns mit der berechtigten Kritik auch Gehör verschaffen.

    Zwar sind einzelne Aussagen der Postmodernen Jünger auch eher Randphänomene, aber von Selbstreflexion und Abgrenzung vom größten Unfug ,hört man in der Szene sehr wenig

    Die Buchbesprechung vom Deutschlandfunk halte ich übrigens für etwas schwach, das ist keine kritische Würdigung sondern ein Verriss . Das hat mich nicht überzeugt.

    Das Buch mag Schwachstellen haben, bspw im Schreibstil, aber wie gesagt, die Qualität der Texte schwankt.

    Ich glaube es wäre besser gewesen Pluckrose hätte das Buch alleine veröffentlicht, ohne. Lindsay

  22. Der Extremismusexperte Armin Pfahl-Traughbe hat das Buch zynische Theorien auch besprochen

    https://hpd.de/artikel/identitaetspolitik-postmoderne-20273

  23. Pfahl-Traughber hat sich auch zu dem Buch „Zynische Theorien“ausgelassen und meint:

    Die Autoren bemerken in der Einleitung, es handele sich um eine Einführung auch für Laien. Gleichwohl sind viele Ausführungen, die sich auch und gerade auf Entwicklungen in den USA beziehen, keineswegs in einfacher Verständlichkeit vorgetragen. Die detaillierte Auseinandersetzung damit lohnt aber, um die angesprochene Entwicklung besser zu verstehen und zuzuordnen. …

    Beachtenswert ist die ausgesprochene Feststellung, dass diese identitäre Linke objektiv so die identitäre Rechte ermutige und stütze. Bilanzierend hat man es also mit einem lesenswerten Buch zu tun, das nicht nur die ideologischen Hintergründe der Identitätspolitik thematisiert, sondern auch die Gegensätze zur kulturellen Moderne deutlich herausarbeitet.

    https://hpd.de/artikel/identitaetspolitik-postmoderne-20273

    Zur Identitätslinke hat er 2020 den Artikel „Die Identitätslinke und ihre Positionen“ veröffentlicht.

    Die Identitätslinke nimmt denn auch bei den gemeinten Minderheiten meist nur deren eigene Unterdrückungssituation wahr. Der Gedanke, dass Unterdrückte auch selbst unterdrücken können, bleibt dabei außerhalb der Wahrnehmung.

    Daher wird mitunter über Antisemitismus, Frauendiskriminierung oder Homosexuellenfeindlichkeit geschwiegen, wenn es um Angehörige anderer Kulturen geht, wo einschlägige Einstellungen mit zum feststellbaren Selbstverständnis zählen.

    https://hpd.de/artikel/identittaetslinke-und-ihre-positionen-18679

  24. @ Carsten Ramsel:

    D’accord! Fälschung, Betrug oder auch massive Voreingenommenheit sind selbstverständlich auch in den Naturwissenschaften und der Medizin möglich und leider auch üblich.

    Nur glaube ich, daß man in diesen Fächern nicht nur leichter auf die Spur kommen kann, weil die Resultate, um die es geht, „materiell“ sind. Sondern vor allem eine kritische Grundhaltung (nicht zu verwechseln mit dem, was anderweitig gerade als „kritisch“ sehr in Mode ist) zu den präsentierten Ergebnissen vorhanden ist.

    Also verkürzt gesagt das, was hier im Blog, beim INH, Prof. Ernst, Psiram ebenso wie bei der Diskussion eines Fachartikels in einer Zeitschrift geschieht – ein scharfer Blick auf die Studien, Laborversuche und so fort.

    Spontan fallen mir gerade ein: diverse gefälschte Studien zu Hydroxyethylstärke und Pregabalin und natürlich auch viele fragwürdige Arbeiten zur Homöopathie (beste Grüße an Herrn Prof. Frass nach Wien).

    @ Joseph Kuhn:

    Ja, ich denke, daß ist ein ganz wichtiger Punkt: Ich glaube, daß es einer ganzen Menge Menschen um Weltanschauung und Politik geht, die sie dann mit Wissenschaft verbrämen.

  25. @ RPGNo1:

    Zweifel sind immer erlaubt, gerade in einem Skeptiker-Forum. ;-)

    Man sollte sie aber idealerweise inhaltlich begründen. Oder würdest du Frau Pluckrose auch ihr Studium in English literature vorhalten wollen?

    Das Buch der beiden ist durchaus lesenswert. Aber eine Wiederholung von science wars-Gefechten mit entsprechender Lagerbildung ist unangebracht, wie auch die in manchen Kreisen sehr unkritische Zustimmung zum Aktivismus von Pluckrose & Co.

    Dazu noch zwei Links:

    https://www.praefaktisch.de/002e/fake-hoax-bullshit-wissenschaft-sind-einige-gebiete-der-geistes-und-sozialwissenschaften-unwissenschaftliches-blabla/#more-779

    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2017/05/25/sokal-reloaded-nett-aber-sonst/

    Für mich bleibt die Frage: Warum findet das jetzt wieder Anklang und ist das wirklich eine Debatte der Wissenschaftstheorie oder eine des politischen Feuilletons?

  26. @borstel

    Dem BS aus den Geistes- und Sozialwissenschaften kommen Sie genauso leicht auf die Schliche. Vielleicht sogar noch viel schneller. Sonst könnten wir hier nicht so ausführlich darüber schreiben. Erinnern Sie sich z. B. an die Diskussionen hier um Richard David Precht oder Markus Gabriel.

    Es gibt einen Unterschied, den ich sehe, aber ich möchte mich vor Verallgemeinerungen hüten. Die kritische Haltung ist in den Naturwissenschaften ausgeprägter, weil es in den Geisteswissenschaften häufig an guter wissenschaftstheoretischer und methodischer Ausbildung mangelt.

    Und Verlautbarungen aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften bekommen schneller eine gesellschaftliche und politische Bedeutung, weswegen sie öffentlich, aber nicht unbedingt wissenschaftsintern, stärker diskutiert werden.

    @Joseph Kuhn

    Eine des politischen Feuilletons!

    Denn wie Sie richtig schrieben, hat sich die wissenschaftstheoretische Diskussion seit Jahren erledigt. Und wahrscheinlich eine Frage der Wissenschaftspolitik: wer darf wo, wann über was, für wen öffentlich sprechen?

  27. @Joseph Kuhn

    Ich werde jetzt erst einmal das Buch zu Ende lesen, um mir eine konkretere Meinung zu bilden. Alles andere macht wenig Sinn, um die Diskussion fortführen zu können. :)

    @Lisa

    Danke für die Einschätzung. Ich werde sie bei meiner Lektüre im Hinterkopf halten wie auch die Tatsache, dass Lindsay sich inzwischen um einiges vom Liberalismus entfernt zu haben scheint, wenn seine Unterstützung für Trump wie bei der Wahl 2020 immer noch gilt.

    @Skeptischetante

    Danke für die weitere Reszenion von Armin Pfahl-Traughber. Bei seiner Vita kann man zumindest nicht behaupten, dass er nicht wüsste, wovon er redet.

  28. @ RPGNo1:

    Man müsste idealerweise nicht nur das Buch der beiden lesen, sondern auch die postmodernen Autoren, die sie kritisieren und dazu noch einordnende Kontextliteratur. Wie will man sonst beurteilen, was stimmt, aber wer hat dazu die Zeit?

    Darum braucht man manchmal sachkundige Rezensionen. Ganz los wird man das „Eminenzbasierte“ wohl nicht, und damit die Frage, wem vertraue ich.

    Etwas allgemeiner: So schön es ist, sich bestätigt zu fühlen, es führt kein Weg daran vorbei, nachdenken. Zumindest, wenn man mehr will, als seine Meinung bestätigt zu sehen.

  29. @Joseph Kuhn

    Eine ideale Welt haben wir leider nicht. Wir müssen uns eben mit weniger zufrieden geben. :)

  30. Die Rezensionen aus der englischen Wikipedia zu „Zynische Theorien“, dann reicht es jetzt erst einmal.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Cynical_Theories#Critical_reception

  31. @RPGNo1:

    Ich werde die Rezension im Skeptiker heute noch online stellen.

  32. Bislang scheinen wir nur den kritischen Rationalismus als brauchbares Framework einer Wissenschaftstheorie zu haben. Der Kritizismus ist selbstanwendbar, denn solange kein Letztbegründungsverfahren bekannt ist, ist eben alles kritisierbar. Das funktioniert beim postmodernen Relativismus nicht; dieser zerstört sich bei Selbstanwendung selbst, wie bereits gezeigt wurde.

    Hans Albert hat den Kritizismus insbesondere für die Sozial- und Geisteswissenschaften weiterentwickelt und ihn in seinem „Traktat über kritische Vernunft“ systematisch ausgearbeitet. In diesem theoretischen Umfeld erschien 2021 der folgende für die aktuelle Diskussion relevante und lesenswerte Artikel von Armin Pfahl-Traughber „Die antiaufklärerische Dimension linker Identitätspolitik“:

    https://hans-albert-institut.de/die-antiaufklaererische-dimension-linker-identitaetspolitik

  33. Zur Kritikimmunisierung durch „Kontaktschuld“:

    Das ist ein beliebtes Fehlargument. Wird die Aussage „Meine Tasse fällt immer zu Boden, wenn ich sie loslasse“ tatsächlich dadurch invalidiert, dass ein AFD-Mitglied dem zustimmt? Eher nicht. (Mir ist übrigens bereits die FDP zu rechts.)

    Wenn eine Gruppe von Menschen nun häufig Unfug erzählt, kann man heuristisch zwar davon ausgehen, dass eine dort getroffene Aussage mit nicht zu vernachlässigender Wahrscheinlichkeit falsch ist.

    Des weiteren ist auch bekannt, dass die Technik der Instrumentalisierung von Tatsachenaussagen durchaus beliebt ist. Eine inhaltliche Überprüfung von Aussagen lässt sich dennoch nicht vermeiden, insbesondere wenn sie prima facie plausibel ist.

  34. @Judith, @Bernd: Ich möchte mich Judith deutlich anschließen und gehe gern noch einmal ausführlicher aus dem Gedächtnis auf das Ferngespräch ein.

    In der betreffenden Folge (Demokratische Herdenimmunität 2) sollte es meiner Erinnerung nach um Diversität in der Demokratie gehen und wie sie gelingen kann, aber es ging weitgehend um Diskriminierung von Minderheiten und wie diese aussehen kann.

    Interessant fand ich die Beispiele von latenter Diskriminierung, die vor allem Außenstehenden oftmals nicht auffallen, z.B. wenn ausgerechnet eine POC als einziger Fahrgast einer Fahrkartenkontrolle unterzogen wird. Solche Erlebnisse sind natürlich frustrierend und prägend, ob es nun aus Vorurteilen heraus geschieht oder einfach wegen einem besonders Auffälligen Merkmal.

    Die anwesende POC hat aber scho ziemlich deutlich mit diesem starren Grid aus Machtmerkmalen gearbeitet (Hautfarbe, Geschlecht etc.), die darüber bestimmen, ob man nun Unterdrücker oder Unterdrückter ist. Sie hat wahrscheinlich keine so scharfen Aussagen gemacht wie „Ihr seid per Definition Rassisten“, dafür müsste ich die Folge noch einmal hören.

    Das Framework wurde einfach sehr unkritisch übernommen, schließlich will man nicht als böser weißer Mann dastehen. An diesem starren Framework stört mich aber wahnsinnig, dass es einem eigentlich die Möglichkeit nimmt, sich wirklich empathisch auf andere einzulassen und auf sie zuzugehen.

    Zum Hineinversetzen gehört meiner Ansicht nach auch ein bisschen Ergebnisoffenheit und die Aussagen anderer auch zu hinterfragen, um einen Zugang zu finden.

    Wenn die Aussagen sowieso in Stein gemeißelt sind und mir diktiert wird, was ich als moralische Unterdrückerin zu tun habe, kann ich auch drauf verzichten. Wenn ich mich angegriffen fühle, könnte ich auch einfach von Fehlannahmen ausgegangen sein. Gefühle kann man nicht anzweifeln, aber die Annahmen.

    Die Stelle, an der Frau Walzer gegenzuhalten versucht, ging leider etwas daneben, hätte aber viel Potential gehabt. Sie hat sinngemäß die Frage gestellt, warum wir uns gegenseitig durch diese Schubladen wahrnehmen müssen statt als Individuen mit quasi unendlich vielen Merkmalen.

    Die POC hat herumlaviert („Dann nimmst du mir einen Teil meiner Identität weg“), und Herr Waschkau hat als Argument angeführt, dass Menschen sich lieber in Gesellschaft von ihnen ähnlichen Menschen aufhalten. Letzteres habe ich schon als ein etwas seltsames Argument auf den Einwand empfunden.

    Es stimmt im Grunde schon, aber man kann sich auch alle möglichen anderen Merkmale aussuchen, nach denen man sich gesellschaft sucht.

    Hingegen finde ich es als Mehrfachbehinderte sehr nachvollziehbar, dass man das betreffende Merkmal ungern einfach so weglächelt, solang man dadurch realer Benachteiligung ausgesetzt ist. Es spielt eben noch eine Rolle.

    Damit meine Probleme nicht einfach vergessen oder unterschätzt werden, versuche ich sie nicht gewaltsam zu kompensieren oder zu verbergen, aber ich definiere mich auf keinen Fall über eine entsprechende Gruppenzugehörigkeit. Wie man die welt erlebt, gehört gewissermaßen auch zur eigenen Identität, das kann man nicht mal eben zur Seite schieben.

    Die Frage habe ich aber auch eher als Frage nach der mittelfristigen Perspektive verstanden, die angestrebt werden sollte. Auffällig fand ich auch in den Erzählungen der POC über ihre kleine Tochter, wie viel Wert sie darauf lege, ihre Tochter von Anfang an für die Rolle als Diskriminiert zu sensibilisieren.

    Und im Kindergarten sei den Kindern Gruppenzugehörigkeit nach Geschlecht schon ganz wichtig. Um ehrlich zu sein ist mir diese Person im Laufe des Gesprächs immer unangenehmer geworden.

    Insgesamt habe ich die Folge als relativ verkrampft und distanziert in Erinnerung, wofür ich den beschriebenen idiologischen Überbau verantwortlich mache. Ironischerweise war das Schlusswort, dass reden der Schlüssel zum Umgang mit Diversität sei.

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