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Ist Sucharit Bhakdi „unwürdig“, einen Professorentitel zu tragen?

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Spiegel-Online beschäftigt sich mit der Frage, ob es überhaupt möglich ist, Sucharit Bhakdi den Professorentitel zu entziehen – wie die Universität Mainz und das Land Rheinland-Pfalz es beabsichtigen.

Entscheidend dafür ist der Begriff der „Unwürdigkeit“, wie es im § 52 des rheinland-pfälzischen Hochschulgesetzes heißt:

Für Professorinnen und Professoren ist ihre Amtsbezeichnung zugleich eine akademische Bezeichnung. Sie darf auch nach dem Ausscheiden aus dem Dienst ohne den Zusatz „außer Dienst (a. D.)“ geführt werden. Auf Vorschlag der Hochschule kann das fachlich zuständige Ministerium die Weiterführung wegen Unwürdigkeit untersagen.

„Unwürdigkeit“ sei aber ein „unbestimmter Rechtsbegriff“ und daher Auslegungssache:

In der bisherigen Rechtsprechung wurde ein Professorentitel nur bei Straftaten oder wissenschaftlichem Fehlverhalten entzogen,

zitiert der Autor den Berliner Juristen Matthias Losert.

Bei lediglich geschmacklosen Äußerungen sei ihm keine Entscheidung in Deutschland bekannt, die zu einem Entzug des Professorentitels geführt habe.

Spiegel-Online geht davon aus, dass es letztendlich auf die juristische Würdigung von Bhakdis Aussagen zu Holocaust, Juden und Israel ankommen wird. Im Mai hatte die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein Anklage gegen Bhakdi wegen des Verdachts der Volksverhetzung erhoben.

Ein Schuldspruch in diesem Strafverfahren sei für die Aberkennung des Professorentitels zwar nicht notwendig, „würde den Entzug aber sicher erleichtern“, meint Losert.

Eine Sprecherin des Mainzer Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit erklärt dagegen die aktuell laufende Prüfung zum „eigenständigen Verwaltungsverfahren, unabhängig von eventuellen Disziplinarverfahren und formell und inhaltlich unabhängig von möglichen Strafverfahren“.

Das allerdings würde eine Entscheidung für die Aberkennung von Bhakdis Professorentitel juristisch extrem anfechtbar machen, lässt der Artikel am Ende durchblicken.

Und das, obwohl Bhakdi immer wieder „blanken Unsinn“ von sich gegeben hat, wie die Medizinredakteurin Veronika Hackenbroch in einem Begleitartikel ergänzt.

Als Beispiele nennt sie die Behauptungen, dass

  • in Deutschland jeder, der mit einem positiven Testergebnis stirbt, als Coronatoter zähle (falsch)
  • Masken keinen signifikanten Nutzen hätten (falsch)
  • die Coronaimpfung nicht vor einer Infektion schützen könne (falsch)

Eine Sammlung von Faktenchecks zu Bhakdis Aussagen gibt es hier und hier.

Zum Weiterlesen:

  • Wie unwürdig darf ein Professor sein? Spiegel+ am 21. Juni 2022
  • Drei große Irrtümer des Sucharit Bhakdi, Spiegel+ am 21. Juni 2022
  • Generalstaatsanwaltschaft klagt Bhakdi wegen Verdachts der Volksverhetzung an, GWUP-Blog am 12. Mai 2022
  • Mit diesen vielen Faktenchecks widerlegt ihr alle Bhakdi-Anhänger, volksverpetzer am 13. Mai 2022

14 Kommentare

  1. Der Begriff „Unwürdigkeit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, korrekt. In der Rechtslehre ist der aber keineswegs „Auslegungssache“, also Gegenstand irgendeines „Ermessens“.

    Das Verwaltungsrecht geht von der interessanten Fiktion aus, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff zwar unbestimmt ist, es aber nur EINEN richtigen Anwendungsrahmen für einen solchen gibt. Das hat mit der Gleichbehandlung gleicher Fallkonstellationen, aber auch mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsanwendung zu tun.

    Ermessensregelungen sind etwas anderes. So eine Art juristische Nadel im Heuhaufen.

    Bedeutet für den Praktiker vor allem, dass er nach bisheriger Rechtsprechung und in die einschlägigen Kommentare schauen muss, um den richtigen Faden aufzunehmen. Weicht eine Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs (zu sehr) von den v.a. von der Rechtsprechung fixierten Kriterien für die „richtige Anwendung“ ab, ist sie nicht gerichtsfest.

    Das macht die Sache nicht einfacher. Ebenfalls nicht einfacher ist es dadurch, dass es (ich hab jetzt nicht recherchiert) wenig Rechtsprechung und Literatur zu diesem speziellen Anwendungsfall geben dürfte.

    Was mir aber bekannt ist: dass die Universität Konstanz nach allerlei Rechtsrat davon abgesehen hat, ein Entzugsverfahren wegen „Unwürdigkeit“ gegen den wohlbekannten Stefan Lanka, seines Zeichens Deutschlands führender Virenleugner und bekannter Gerichtsurteils-Fehldeuter, einzuleiten. Das ist schon mal vielsagend.

    Man sollte mit sowas nicht nur aus juristischen Gründen vorsichtig sein, sondern auch mit solchen Aktionen nicht Bhakdi wieder eine Plattform bieten. Aber das Kind scheint ja insofern schon in den Brunnen gefallen zu sein.

  2. „Verewigt statt gelöscht: Die Bhakdi-Videos jetzt auf DVD“:

    https://www.kopp-verlag.de/a/ignoriert-unterdrueckt-diffamiert

  3. Bhakdi, dessen Videos sich die Fans sehr wahrscheinlich sowieso längst gesichert haben werden, gibt es nicht mal auf Blu-Ray sondern nur auf DVD? Warum denn nicht gleich VHS? Oder Super 8?

  4. Was mir an dem Spiegel Anreissertext aufgefallen ist: Meines Wissens nach ist Bhakdi doch „nur“ Biologe, aber kein Immunologe, oder?

  5. @Thunder1977:

    Bei Wikipedia werden „Forschungen zum Immunsystem“ erwähnt.

    Dass er die Zusatz-Weiterbildung zum Fachimmunologen hätte, wäre mir auch neu.

  6. @Bernd Harder
    Naja, vor 50 Jahren, im Bereich bakterieller Toxine. Ich finde die Bezeichnung jedenfalls unpassend und hätte stattdessen „Mikrobiologe“ genommen. So wird eine Kompetenz impliziert, die nicht vorhanden ist, da er sich bei seiner Forschung nie mit Viren beschäftigt hat.

  7. Laut Wikipedia war Bhakdi als „Fachgutachter für medizinische Mikrobiologie und Immunologie“ tätig. Vielleicht kommt daher der Fehler, weil seitens des Spiegels unsauber recherchiert wurde.

    Oder man wollte schlicht einen knackigen Aufmacher (Clickbait) in der Überschrift. Unter Immunologe können sich die Leute nach 1,5 Jahren Coronaimpfungen etwas vorstellen. Bei „Facharzt für Mikrobiologie“ müssten die meisten erstmal nachschlagen.

    @Thunder1977

    So wird eine Kompetenz impliziert, die nicht vorhanden ist, da er sich bei seiner Forschung nie mit Viren beschäftigt hat.

    Das war bereits vor 2 Jahren das Problem, als Bhakdi zum 1. Mal in der Querdenkerszene auftauchte.

    Die Querdenkerszene aber auch verunsicherte Personen haben ihm noch mehr als Wodarg und Schiffmann alles mögliche abgekauft, weil er ja Medizinprofessor (und nicht nur Doktor) war. Alle Einwände, dass Bhakdi in seinem Leben nie an Viren geforscht hat, wurden ignoriert.

    Die Leute sind dem „argumentum ab auctoritate“ reihenweise sehenden Blickes zum Opfer gefallen.

  8. @RPGNo1

    Ist mir alles bekannt, u.a. deswegen ärgert mich sowas ja.

    Wenn sowas in der BILD steht, ist das ja normal, da erwarte ich keine journalistischer Sorgfalt, beim Spiegel schon.

    Ausserdem, nur etwas anders nennen, damit sich die Leute etwas darunter vorstellen können? Vor 2 Jahren dachten die meisten Leute beim Begriff „Corona“ auch höchstens an Bier, trotzdem hat man das Virus nicht „Chinagrippe“ genannt. Journalismus ist dazu da, Dinge zu erklären und einzuordnen, nicht um es den Leuten besonders einfach zu machen.

    Vor allem sollen Journalisten es sich selbst nicht zu einfach machen, sonst können sie ja gleich „Experte“ als universelle Berufsbezeichnung verwenden. ;-)

    Ausserdem finde ich es durchaus zumutbar, mal Tante Google zu befragen, wenn ich einen Begriff nicht kenne, soviel Anspruch dürfen Journalisten schon an ihr Publikum haben. Oder man schreibt eben einen Satz mehr, in dem man den Begriff kurz erklärt.

  9. @Thunder1977:

    da erwarte ich keine journalistischer Sorgfalt, beim Spiegel schon.

    Nur eine Kleinigkeit, aber in dem Spiegel-Artikel ist auch von „§ 54“ des Hochschulgesetzes die Rede – es ist aber der Paragraf 52.

  10. @Thunder1977

    Kein Widerspruch von meiner Seite. Clickbait (denn darauf läuft es letztendlich mMn doch hinaus) ist dann doch eine zu verlockende Droge für eigentlich seröse Medien. Da will man sich die halbe Stunde Zusatzrecherche lieber sparen.

  11. Wir brauchen doch nur daran zu denken, wie ein Clemens Arvay ständig dabei war, mit seiner hinterfragbaren „Qualifikation als Biologe“ zu winken, die ihn ohnehin nicht als akademischen Experten für das hätte ausweisen können, was er glaubte, zum Impfstoffthema sagen zu müssen.

    Ist so eine Sache mit der Kompetenz. Man muss nicht in der Pfanne gelegen haben, um über ein Schnitzel schreiben zu können – einer meiner Lieblingssätze, stammt von Maxim Gorki. Wagt man sich trotzdem an ein Thema heran, sollte man aber die relevanten Quellen verstehen und auch richtig interpretieren (und aus ihnen schlussfolgern) können und nicht eigene Fantasievorstellungen an deren Stelle setzen. Skeptisches Denken eben.

    Ist doch eigentlich lustig, dass Leute, die einem legitimen Kompetenzargument nicht vertrauen (z.B. in Bezug auf Prof. Drosten), sich dann aber auf höchst hinterfragbare Kompetenz / Autorität bei ihren Idolen berufen …

    Ja, das Autoritätsargument. Wäre das ein KO-Kriterium, hätte ich in den letzten Jahren kaum mehr schreiben können als Grußpostkarten.

  12. @RPGNo1

    Zum Thema Bhakdis Auflösung:

    https://twitter.com/umlatten/status/1527021004236763137

  13. @Sebastian Taege

    Danke. Eine DVD also, dessen Inhalt in billigster Auflösung präsentiert wird. Sie hätten doch besser auf VHS oder Super 8 zurückgreifen sollen.

  14. „Covid-19 Vaccines May Have Saved 31 Million Lives (so far)“:

    https://gidmk.medium.com/covid-19-vaccines-may-have-saved-31-million-lives-so-far-3ef457c34e5a

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