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Pseudomedizin: „Ein großes und auch ernstzunehmendes Problem“ – Interview mit Prof. Lars Bräuer

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Das INH hat heute ein ausführliches Interview mit Prof. Lars Bräuer, dem Koautor von

Der belogene Patient: Warum Impfkritiker, Wunderheiler und andere Scharlatane gefährlicher sind als jedes Virus

veröffentlicht.

Ein Auszug:

Wir als INH haben ja schon oft beklagt, dass die Dimension dieses Themas von professioneller Seite nicht ernst (genug) genommen wird und es an Positionierungen von dieser Seite fehlt. Was glauben Sie, mögen die Gründe dafür gewesen sein, dass den pseudomedizinischen Versprechungen so lange mit Laissez-faire begegnet wurde und wird – in Wissenschaft und Politik? Hat man die gravierenden Auswirkungen auf die Gesundheitskompetenz der Menschen wirklich nicht erkannt?

Ich denke, der Großteil der Wissenschaftler misst dem Thema „Pseudowissenschaft“ und im Speziellen „Pseudomedizin“ nur einen äußerst geringen – eigentlich gar keinen – Stellenwert bei.

Ernsthafte Forschung ist enorm aufwendig, kostet viel Geld und Nerven und es ist schwer auf diesem kompetitiven Feld erfolgreich zu sein. Warum sollte man also Energie in Zauberei und Hokuspokus investieren? Pseudowissenschaft findet daher sozusagen unterhalb des Radars der „echten“ Wissenschaft statt. Ich denke, vielen meiner Kollegen ist überhaupt nicht bewusst, dass hier ein großes und auch ernstzunehmendes Problem besteht, das auch Menschenleben kostet.

Ein weiterer Aspekt ist hier sicher die Trägheit des Systems. Wenn ich bedenke, welche bürokratischen und emotionalen Hürden überwunden werden müssen, um nur kleine Veränderungen am Curriculum der Studenten vorzunehmen oder gar die Approbationsordnung für Ärzte oder Zahnärzte anzupassen, dann verwundert es nicht, dass einem hier sehr schnell die Luft ausgeht. Abgesehen von einigen wenigen Fakultäten ist die Homöopathie noch immer Bestandteil des Medizinstudiums – und nein, ich spreche hier nicht vom Fach Medizingeschichte, wo es sicher hingehören dürfte –, das finde ich erschreckend.

Glücklicherweise hat zumindest die Marburger Erklärung dafür gesorgt, dass dies nicht mehr durch das IMPP (Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen) abgeprüft wird. Dennoch wird hier suggeriert, dass dieser Zweig der Pseudowissenschaft einen Stellenwert hat, was er aber nicht haben dürfte.

Jeder aufmerksame Student müsste doch eigentlich nach dem Grundstudium, wo Physik, Chemie und Mathematik gelehrt werden, aufschreien, wenn ein Unidozent mit homöopathischem Unsinn plötzlich gegen sämtliche Naturgesetze verstößt. Naja, und finanzielle Interessen sowie Lobbyismus darf man in der Diskussion hier natürlich auch nicht vernachlässigen.

Kurzum, ich denke, man ist sich der Auswirkungen auf die Gesundheitskompetenz der Menschen möglicherweise schon bewusst, hat aber aufgrund der oben genannten Punkte keinen Anreiz und auch keine Energie, etwas zu verändern.

Zum Weiterlesen:

  • Video: „Der belogene Patient“ – die beiden Autoren im Sat.1-Frühstücksfernsehen, GWUP-Blog am 10. März 2021
  • „Der belogene Patient: Warum Impfkritiker, Wunderheiler und andere Scharlatane gefährlicher sind als jedes Virus“, GWUP-Blog am 3. März 2021
  • „Der belogene Patient“ bei Der DocPod
  • Video: „Wie gefährlich ist Homöopathie?“ mit Falk Stirkat, GWUP-Blog am 13. März 2021
  • Fünf Jahre INH – und die Welt ist ein wenig anders, GWUP-Blog am 31. Januar 2021
  • Pseudomedizin: Die Schäden sind vielfältig und verheerend, GWUP-Blog am 2. Oktober 2015
  • Im Patienteninteresse – ein Interview mit Prof. Lars Bräuer, INH am 23. März 2021

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