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Jetzt ist es raus: Gut informierte Gesundheitspolitiker gaben die Homöopathie-Studie in Auftrag

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Gute Nachricht:

Das ist dann also die dritte Landesärztekammer, die die Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung streicht.

Was gibt’s sonst noch Neues?

Die Süddeutsche Zeitung hat nochmal beim bayerischen Landtag nachgefragt, auf welcher fachlichen Grundlage der Beschluss für eine Studie basiert, die untersuchen soll, ob Homöopathie den Einsatz von Antibiotika verringern oder teilweise ersetzen kann (Drucksache 18/3022).

Es zeigt sich, dass insbesondere zwei Herren vehement um das Goldene Brett vorm Kopf 2019 kämpfen.

Da ist zum einen der CSU-Abgeordnete Bernhard Seidenath, Vorsitzender des Gesundheitsauschusses im bayerischen Landtag:

Seine Angaben zu den Studien fallen ziemlich wolkig aus. Es gebe da „Metastudien im HNO-Bereich“, Literatur, Quellen. „Das haben wir hier rausgefunden und gegoogelt“, sagt Seidenath und verweist auf einen Bamberger Arzt als Gewährsmann: Professor Jorgos Kavouras sei ein Mann, der sowohl in der Schulmedizin als auch in der Homöopathie daheim sei.

Der Gesundheitspolitiker scheint damit ernsthaft den Vithoulkas-Schüler Jorgos Kavouras zu meinen, der einen „Professoren“-Titel von der Universität Timisuara führt (im zarten Alter von 60 Jahren erworben) und das Buch „Heilen mit Orgonenergie“ auf den Markt geworfen hat.

Zum anderen sticht der Abgeordnete Klaus Holetschek aus Schwaben hervor. Er gehört dem CSU-Arbeitskreis Gesundheit als zweiter Vorsitzender an:

Zu den im Antrag genannten Studien könne er nichts sagen, räumt er ein. Man müsse aber bloß mal mit Müttern reden, dann wisse man: Die Sache mit der Homöopathie werde in der „Realität draußen“ anders gesehen als von der „veröffentlichten Meinung“.

Ein Gesundheits-„Fachpolitiker“, der mit Anekdoten argumentiert – auch mal was Neues.

Doch halt, es kommt noch was! Holetschek hat da tatsächlich schon mal was von jener ominösen „Studie“ aus Australien gehört,

… die jedoch unter Verschluss gehalten worden sei, weil sie positive Effekte der Homöopathie belegt habe.

Wow – es geht doch nichts über gut informierte Volksvertreter. In dem Fall plappert Holetschek nur den Nonsens der Globuli-Lobby nach, der vom INH vor vier Wochen gründlichst debunked worden ist.

Auch SZ-Redakteur Sebastian Beck kommt nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass …

… sich die Drucksache 18/3320 offensichtlich auf eine Sepsis-Studie bezieht, die von der Fachwelt zerrissen wurde, weil sie schwere Mängel aufwies. Trotzdem wird sie von der Homöopathie-Lobby immer wieder zitiert. Ihr Verfasser ist der Wiener Uni-Professor Michael Frass.

Seine Homöopathie-Vorlesungen wurden vor einem Jahr von der Uni Wien gestrichen, weil es wiederholt zahlreiche Beschwerden von Studenten gegeben hatte […]

Ähnlich wie mit der Sepsis-Studie verhält es sich mit den vermeintlich positiven HNO-Studien, die von der CSU-Fraktion nachgereicht werden. Auch sie stehen wegen methodischer Mängel in der Kritik.

Schließlich hat Beck auch an höherer Stelle nachgefragt:

Das bayerische Gesundheitsministerium ließ sich vier Tage Zeit, um eine Anfrage der SZ zu beantworten. Die Stellungnahme klingt so, als wolle man dem Landtag keinesfalls auf den Schlips treten. Trotzdem kommt auch das Gesundheitsministerium zu dem Schluss: Zur Homöopathie gebe es „keine belastbaren Hinweise auf eine Wirksamkeit, welche über die bekannten positiven Placebo-Effekte von Ritualen, Gespräch und Zuwendung hinausreichen“.

Das Gesundheitsministerium müsse nun die Sepsis-Studie in Auftrag geben,

… auch wenn es Homöopathie für erwiesenen Unfug hält.

Fähigen und fachlich versierten Politikern à la Seidenath und Holetschek sei Dank.

Spiegel-Online schreibt dazu kurz und bündig:

Das ist im besten Fall hinausgeworfenes Geld, im schlimmsten Fall fahrlässig […]

Für alle demokratischen Parteien in Deutschland gilt, gerade in dieser Zeit: Man kann sich nicht einerseits, was die Klimakrise angeht, auf wissenschaftliche Erkenntnisse berufen und andererseits fortgesetzt Hokuspokus den Anstrich von Wissenschaftlichkeit geben wollen

(Aber-)Glaube ist Privatsache.

Zum Weiterlesen:

  • Politik mit Medienresonanz, Gesundheits-Check am 8. November 2019
  • Warum Bayern jetzt homöopathische Präparate untersucht, SZ+ am 16. November 2019
  • Zwischen Kopfschütteln und Belustigung: Reaktionen auf die bayerische Globuli-Debatte, GWUP-Blog am 8. November 2019
  • “Beleidigungen und absurde Anschuldigungen”: Tim kämpft gegen Homöopathie-Fans bei den Grünen, bento am 15. November 2019
  • Grüne streiten um Zuckerkügelchen, Ruhrbarone am 10. November 2019
  • Globuli und Medizin: Hurra, ich lebe noch, SPON am 16. November 2019
  • Dr. Oetker provoziert Homöopathie-Fans mit Pizzawerbung, Welt-Online am 17. November 2019
  • Homöopathie. Bei Sepsis??? Psiram am 9. November 2019

10 Kommentare

  1. Andere sind genauso dumm:

    Eichen-Prozessionsspinner können gefährlich sein, wenn Unbedarfte sich ihnen nähern. Darum versucht man Nester von ihnen zu bekämpfen – in Hörstel ab jetzt mit Homöopathie. Natürlich mit dem gewohnten Grad der Evidenz: „eine Frau aus dem Ort habe das erfolgreich getestet!“.

    https://twitter.com/Susannchen01/status/1194368288723263489

  2. Herr Seidenath als auch Herr Holetschek haben Rechtswissenschaften studiert. Von diesen Herren wollte ich nicht vertreten sein, wenn sie bin einem Rechtsfall genauso gründlich recherchiert haben sollten, wie sie im Fall der Homöopathie getan haben.

  3. Die zu erwartende Antwort des DZVhÄ auf die Streichung der Zusatzbezeichnung ‚Homöopathie‘: Substanzleeres Geblubber

    https://verbaende.com/news.php/Streichung-der-Zusatzbezeichnung-aendert-nichts-an-Bedeutung-der-Homoeopathie?m=131892

  4. Bei diesem „Arzt“ muss man ganz starke Nerven haben.

    https://www.spiegel.de/forum/wissenschaft/globuli-und-medizin-hurra-ich-lebe-noch-thread-984131-44.html#postbit_81190873

    https://donotlink.it/ajapm

    Wieso dürfen solche Scharlatane eigentlich noch eine Zulassung besitzen?

  5. „(Aber-)Glaube ist Privatsache.“ – Ist er NICHT! Wer Blödsinn glaubt, verhält sich auch blödsinnig, und das betrifft immer auch Andere.

  6. @RPGNo1:

    „Streichung der Zusatzbezeichnung ändert nichts an Bedeutung der Homöopathie“

    Diesem Satz kann ich sogar vollinhaltlich zustimmen. Hatte für mich vorher und auch nachher keine Bedeutung.

  7. Ich schäme mich für meinen Landtag.

    Kann man bei Sepsis durch Homöopathie Antibiotika einsparen? Gibt es keinen wissenschaftlichen Dienst, auf den der ratsuchende Abgeordnete zurückgreifen kann? Eine solche Studie in Auftrag geben zu wollen zeugt von einer gewaltigen Ahnungslosigkeit vom wissenschaftlichen Medizinbetrieb.

    Wenn Sie bei einem Scheinmedikament durch eine Studie eine Wirkung sicher feststellen wollen, brauchen Sie eine große Anzahl von Studienteilnehmern die von einer Anzahl von Wissenschaftlern ausgewählt und nach festzulegenden Kriterien untersucht und durch die Studie begleitet werden.

    Kompliziert wird die Angelegenheit dadurch, dass es sich bei der zu untersuchenden Krankheit um eine Sepsis also um eine lebenbedrohliche Krankheit handelt.

    Es müssen also in mehreren großen Kliniken mit einem entsprechenden Krankengut seriös wissenschaftlich arbeitende Ärzte gefunden werden, die bereit sind sich mit dieser unwissenschaftlichen und von Anfang an unseriösen Fragestellung zu befassen. Dieser ganze Komplex wird den Landtag sehr viel mehr kosten als die vorgesehenden paar 100 000 Euro.

    Geben Sie dieses Geld, das Sie offensichtlich sonst nicht brauchen, dem Deutschen Museum, dann haben Sie der Wissenschaft einen echten Dienst erwiesen.

  8. Pingback: Darf’s a bisserl mehr sein? Die bayerische Homöopathiestudie wird teurer – Gesundheits-Check

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