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Die Reaktionen in Deutschland: „Schluss damit“ – mit der Homöopathie auf Kassenkosten

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Heute steigen auch die großen Medien in die Berichterstattung zum Aus für die kassenfinanzierte Homöopathie in Frankreich (und die möglichen Konsequenzen in Deutschland) ein.

Welt+ wartet mit einem ausführlichen Artikel von MedWatch-Mitbegründer und Carl-Sagan-Preisträger Hinnerk Feldwisch-Drentrup auf.

Feldwisch-Drentrup zitiert eingangs den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der die Entscheidung der französischen Regierung begrüßt:

Es gibt keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit homöopathischer Verfahren […] Wer homöopathische Mittel haben möchte, soll sie auch bekommen, aber bitte nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft.

Im Weiteren räumt Feldwisch-Drentrup mit dem Mythos der „sanften Pflanzenmedizin“ auf („Anders, als viele Menschen glauben, beruhen Homöopathika eben nicht ausschließlich auf pflanzlichen Stoffen wie zum Beispiel Arnica. Auch giftige Elemente wie Arsen oder Quecksilber haben einen Platz in der Homöopathie.“) und erklärt die völlige Unplausibilität der Homöopathie („Denn wo nichts ist, kann auch nichts wirken.“).

Nach einem internationalen Überblick („In vielen anderen Ländern sehen Experten die Homöopathie wesentlich kritischer.“) fasst der Autor die Punkte der Aufklärer in Deutschland zusammen:

Erstens unterliegen Homöopathika Sonderregelungen, sie dürfen anders als andere Arzneimittel auch ohne verlässliche Studien zur Wirksamkeit auf den Markt gebracht werden […] Zweitens ist die Apothekenpflicht umstritten […] Und drittens: Krankenkassen dürfen homöopathische Leistungen erstatten, so durch die 2012 eingeführten Satzungsleistungen. Dies erweckt den Eindruck, dass es sich um wirksame Mittel handelt.

Zum Schluss geht es natürlich auch noch um Hevert:

Der Hersteller Hevert – mit großen Anzeigen an den Hauptbahnhöfen in Hamburg oder Berlin vertreten – mahnte kürzlich Kritiker ab. So die Ärztin Natalie Grams, die vor einigen Jahren ihre homöopathische Praxis aufgab, als sie erkannte, dass Homöopathika nicht besser helfen als Placebos. Doch Grams unterschrieb nicht – stattdessen griff Jan Böhmermann das Thema in seiner TV-Sendung auf.

Er wiederholte die Aussage vielfach, dass Homöopathika nicht besser wirken als Placebos. Hevert sieht bei der Homöopathiekritik „mächtige Einflussgruppen mit eindeutig wirtschaftlichen Interessen“ am Werk, benennt aber auf Nachfrage keine einzige.

„Menschen wird durch Homöopathie nachweislich geholfen“, behauptet eine Sprecherin. Dennoch ist die Firma sich ihres Sieges wohl alles andere als sicher: Sie habe „keine weiteren gerichtlichen Schritte eingeleitet“.

Auch Spiegel-Online gibt Passagen eines (Paywall-) Interviews von KBV-Chef Andreas Gassen mit der Rheinischen Post wieder (ebenso Zeit-Online, der Deutschlandfunk, apotheke adhoc, die ÄrzteZeitung und viele andere Medien):

Die Kassen sollten ihre Finanzmittel vielmehr in die ambulante Versorgung leiten, „anstatt vor allem aus Marketingzwecken Beitragsgelder für Homöopathie auszugeben“.

Quarks hatte bereits vor einigen Tagen ein feines Erklärstück zur Homöopathie veröffentlicht:

Die Wirtschaftswoche ist mit einem (Paywall-) Artikel dabei, der von detektor.fm als Radiobeitrag (zirka sechs Minuten) aufbereitet wird.

Auch die Morgenpost spricht sich lapidar gegen Zuschüsse für Homöopathie aus:

Es gibt einfach keinen Grund dafür.

Ebenso der Bonner Generalanzeiger:

Schluss damit!

So gesehen, mag es nicht unbedingt verwundern, dass der französische Big-Globuli-Pharmakonzern Boiron in fassungslosem Entsetzen etwas von einem „organisierten Massaker“ an der Homöopathie faselt.

Total daneben ist es natürlich trotzdem.

Zum Weiterlesen:

  • Wo nichts ist, kann nichts wirken, Welt+ am 11. Juli 2019
  • Kassenärzte gegen Homöopathie: „Bitte nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft“, Spiegel-Online am 11. Juli 2019
  • Erstattung von Homöopathie-Leistungen in Gefahr, FAZ am 10. Juli 2019
  • Kassenärzte gegen Homöopathie-Kostenerstattung, Deutschlandfunk am 11. Juli 2019
  • Kassenärzte kritisieren Finanzierung von Alternativmedizin, Zeit-Online am 11. Juli 2019
  • So fragwürdig ist die Zulassung von homöopathischen Mitteln, quarks am 5. Juli 2019
  • Kommentar zur Erstattung von Homöopathie: Schluss damit! Generalanzeiger am 11. Juli 2019
  • Arzneimittelhersteller schickt Anwaltsschreiben zum konstruktiven Austausch, journalist am 8. Juli 2019
  • Frankreich kippt Homöopathie-Erstattung, hpd am 11. Juli 2019
  • Wie lange wollen deutsche Kassen noch Homöopathie bezahlen? Morgenpost am 11. Juli 2019
  • Der Globuli-Gau, ÄrzteZeitung am 11. Juli 2019

9 Kommentare

  1. Deutschland könnte auf diese Unvernunft gut verzichten, es hat an anderer Stelle noch genug davon.

  2. Der Welt+-Artikel ist jetzt im Volltext lesbar.

  3. Frau Anja Krüger ergeht sich in dunklen Andeutungen gegenüber evidenzbasierter Medizin sowie der Pharmaindustrie.

    https://taz.de/Homoeopathie-als-Kassenleistung/!5611598/

    Ein Rückschlag für die taz, nachdem ihr Kollege Bernd Kramer doch erst vor kurzem für seine Titelgeschichte „Das weiße Nichts“ zurecht gewürdigt wurde.

  4. Der Podcast zum heutigen „Tagesgespräch“ bei WDR 5 („Globuli und Co.: Nie mehr auf Rezept?“), zirka 45 Minuten, Studiogast Claudia Ruby:

    https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-tagesgespraech/index.html

  5. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) springen der Homöopathie bei:

    https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/07/12/druck-auf-homoeopathie-erstattung-waechst-industrie-haelt-dagegen

    Wie erklären die verschwörungsgläubigen Globuli-Lobbyisten a la Behnke und Co. das?

    Wir sind gespannt.

  6. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

    Die großen Homoöpathikahersteller sind Mitglied in den Lobbyverbänden BAH und BPI, da muss ihnen natürlich beigesprungen werden.

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