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Wieder Streit um Glyphosat: Greenpeace vs. BfR

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Greenpeace Austria behauptete vergangene Woche (unter Berufung auf „Medienberichte“), EU-Behörden hätten bei ihrer Glyphosat-Bewertung rund 100 Seiten wortwörtlich vom Konzern Monsanto abgeschrieben.

Die deutsche Greenpeace-Sektion legte vor zwei Tagen nach und schrieb, auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) habe „zum Teil einfach bei der Industrie abgeschrieben“ und deren Einschätzung [was die Unbedenklichkeit von Glyphosat angeht] „kritiklos übernommen, und zwar ohne die Quelle kenntlich zu machen“.

Das BfR hat sich jetzt zu den Vorwürfen geäußert und spricht von einem …

… erneuten Versuch, die Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Institutionen zu diskreditieren, die mit der Bewertung gesundheitlicher Risiken bei Pflanzenschutzmittelwirkstoffen wie Glyphosat beauftragt sind […]

Sämtliche Bewertungsbehörden europa- und weltweit, denen die Originaldaten vorlagen, kommen nach eigener Bewertung mittels etablierter international anerkannter toxikologischer Standardverfahren ebenfalls zu dem Schluss, dass Glyphosat nach derzeitigem Stand des Wissens nicht als krebserregend einzustufen ist.“

Das Fachorgan des österreichischen Bundes-Obstbau-Verbandes kommentiert diese jüngste Auseinandersetzung zwischen Glyphosat-Gegnern und -Befürwortern so:

Im Herbst wird über die Neuzulassung von Glyphosat entschieden und demenstprechend rauer wird die Kontroverse dazu geführt.“

Zum Weiterlesen:

  • Glyphosat: Substanzlose Kritik und „gekaufte“ Befürworter, GWUP-Blog am 11. Juni 2016
  • Glyphosatbewertung: IGP wirft Global 2000 & Greenpeace Populismus vor, besseres-obst.at am 21. September 2017
  • Glyphosat und Krebs – welche Studie stimmt denn nun? Fischblog am 18. Mai 2016

23 Kommentare

  1. „Wenn Fakten nicht recht zu einer (politischen) Agenda passen, werden leider allzu oft die Fakten zur Disposition gestellt und nicht die Agenda. Was besonders bedenklich und auch einigermaßen schizophren ist: Wenn wissenschaftliche Institutionen, die die Politik selbst ins Leben gerufen hat und die ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig sind, ungehört bleiben, nur als „Meinung“ unter vielen zur Kenntnis genommen oder gar diffamiert werden. So etwas schädigt den Ruf solcher Institutionen in der Öffentlichkeit und sendet das Signal, dass es nur ausreichender Einflussnahme (Lobbyarbeit) bedarf, um diese Institutionen „unschädlich“ zu machen.

    Vor kurzem las ich die schöne Formulierung, dass es in der faktenbasierten Sachpolitik nicht darum gehen könne, sich „an post-faktischen Beliebtheitswettbewerben zu beteiligen“. Das Anbrechen des postfaktischen Zeitalters wird von der Politik selbst laut beklagt. Dann möge sie sich aber auch selbst klar positionieren im Konflikt zwischen Aufklärung und pseudo-alternativer Verunklarung: Auf der Seite der klaren Fakten.“

    Zitat aus https://keineahnungvongarnix.de/?p=6212

    Aufs Gesundheitssystem gemünzt, aber passend auch hier – zur unsäglichen und verantwortungslosen Rolle von NGOs, die sich längst zu einem nur noch selbstreferenzierenden System entwickelt haben.

  2. Zum selber bewerten:
    Einen Vergleich der Texte (sozusagen eine Synopse) findet man in mehreren pdf-Dateien unter:
    http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/glyphosat-behoerde-schreibt-bewertung-von-monsanto-ab.html

  3. @Barchfeld:

    Netter Versuch, aber Sie haben nicht verstanden, worum es überhaupt geht – oder tun zumindest so.

    Aus der BfR-Stellungnahme:

    „In Europa und weltweit ist es in Bewertungsverfahren, nicht nur bei Pflanzenschutzmitteln, üblich und anerkannt, dass Bewertungsbehörden nach kritischer Prüfung auch relevante Passagen aus eingereichten Dokumenten in ihre Bewertungsberichte integrieren.

    Auch die Teildokumente des Bewertungsberichts enthalten deshalb solche Textteile aus öffentlich zugänglicher Literatur, die von den Antragstellern als Teil der gesetzlich geforderten Literaturrecherche eingereicht wurden. Dies wird aus den Überschriften der verschiedenen Kapitel und Teile deutlich.

    Die behördliche Gesamteinschätzung enthält neben den eigenständigen Bewertungen immer auch Zusammenfassungen wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Originalstudien und Literaturveröffentlichungen.

    Diese werden von den Experten des BfR hinsichtlich ihrer Qualität und Relevanz sowie der erhobenen experimentellen Befunde auf eine mögliche gesundheitliche Bedeutung eingehend geprüft. „Diese Zusammenfassungen veröffentlichter Studien sind zwangsläufig Teil der Einreichungsunterlagen“, ergänzt BfR-Präsident Hensel.“

  4. @ Barchfeld:

    Das Umweltinstitut in München – das waren doch auch die Könner, die Glyphosat in Muttermilch mit der ELISA-Methode nachgewiesen haben, nicht wahr?

    In solche Leute sollte man natürlich das vollste Vertrauen haben.

    Nicht.

  5. Hallo,
    im Artikel stand ein Verweis auf einen Verweis auf „Medienberichte“. Dies wollte ich mit „genaueren“ Quellen ergänzen. Nicht mehr, nicht weniger. Interessant, dass schon die Angabe einer Quelle zu solchen Reaktionen führt. Interessant ist auch, dass BfR-Experten einfach massenhaft abschreiben dürfen ohne dies zu kennzeichnen. Woanders führt das schon mal zu Aberkennungen von Titeln.
    Und noch eine Quelle zum Thema ( das BfR kommt auch drin vor ;-) ):
    http://jech.bmj.com/content/70/8/741

  6. @Barchfeld:

    „im Artikel stand ein Verweis auf einen Verweis auf “Medienberichte”. Dies wollte ich mit “genaueren” Quellen ergänzen.“

    Das haben Sie m.E. nicht getan.

    Sie verweisen in Ihrem ersten Kommentar lediglich auf eine weitere Umweltorganisation, deren Anwürfe nahezu im Wortlaut identisch sind mit den zwei bereits im Artikel verlinkten Greenpeace-Seiten. Mit einer „genaueren Quelle“ hat das wenig zu tun.

    Die „Medienberichte“, um die es geht, finden sich hingegen u.a. in der Süddeutschen und im Guardian (immerhin gibt’s in Ihrer „Quelle“ einen Link dazu).

    „Interessant ist auch, dass BfR-Experten einfach massenhaft abschreiben dürfen ohne dies zu kennzeichnen.“

    Was genau soll daran interessant sein? Diese Praxis wird doch in der BfR-Stellungnahme genau erklärt.

    Außerdem verstehe ich die in Ihrem ersten Link so genannte „Lüge“ nicht:

    „Das BfR hat nicht nur abgeschrieben, sondern sogar offensiv versucht, das zu verschleiern. Auf eine Frage des Abgeordneten Harald Ebner antwortete Staatssekretär Bleser aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium im Juni 2015:

    Das BfR hat (…) alle von den Antragstellern vorgelegten Originalstudien sowie die in wissenschaftlichen Zeitschriften publizierten Studien in eigener Verantwortung detailliert geprüft und qualitätsgesichert bewertet. Für alle Kapitel wurde vom BfR eine eigenständige Bewertung vorgenommen.“

    Was genau ist an der BfR-Antwort eine „Verschleierung“? Von was?

    Nochmal ein Zitat aus dem BfR-Statement:

    „In Europa und weltweit ist es in Bewertungsverfahren, nicht nur bei Pflanzenschutzmitteln, üblich und anerkannt, dass Bewertungsbehörden nach kritischer Prüfung auch relevante Passagen aus eingereichten Dokumenten in ihre Bewertungsberichte integrieren.“

  7. Sehr aufschlussreich, danke!

    Insbesondere finde ich den Abschnitt zur Vorgehensweise von Bewertungsinstituten sehr interessant, also dass der zu prüfende Bericht als Grundlage dient und fehlerhafte Passagen gestrichen bzw. überarbeitet werden. Das wusste ich nicht. Zunächst sah das für mich auch sehr nach wissenschaftlich unsauberem Arbeiten aus.

  8. Sie Sueddeutsche berichtet über die Kritik am BfR mit Zitaten von Eberhard Greiser:

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/glyphosat-wenn-monsanto-die-risiken-einfach-selbst-bewertet-1.3678432

  9. @libertatdor:

    Nun ja, „die Süddeutsche“ ist hier mal wieder Silvia Liebrich:

    http://ludgerwess.com/silvias-welt-oder-die-sueddeutsche-im-kampf-gegen-gifte-geld-und/

  10. @ Bernd Harder:

    So langsam hat Frau Liebrich ihr Bewerbungsportfolio für einen Psiram-Eintrag aber zusammen.

  11. @Bernd Harder
    Danke für den Hinweis. Kannte die Autorin nicht.

  12. „Die gesteuerte Glyphosat-Erregung – Vor der Wahl hat die Bewirtschaftung der öffentlichen Sorgenwelt durch Politik und Medien Hochkonjunktur“

    http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/5289196/Die-gesteuerte-GlyphosatErregung

  13. @ Barchfeld:

    Den Ausdruck „Zitat“ kennen Sie?

    Sind Sie sicher, dass Ihnen das Umweltinstitut ALLE relevanten Textpassagen zeigt?

    Das Bild könnte ja auch nur ein Ausriss sein, der die vorhergehende Zeile „Zitat aus Monsanto-Bericht XXX“ NICHT enthält.

    @Bernd Harder:

    Gibt es eigentlich einen Link auf die Stellungnahme des BFR?
    Dann würde sich das Thema ja ganz leicht klären lassen.

  14. @Andreas Kuhn:

    Ja, bei „geäußert“.

  15. „Wurst macht Krebs, heißer Tee und Glyphosat auch: Immer wieder liefert die Internationale Agentur für Krebsforschung Schreckensmeldungen. Aber das theoretische Risiko hat mit dem Alltag oft nichts zu tun.“

    http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/krebsrisiko-staendig-alarm-1.3046047

  16. Global 2000 hat inzwischen mit einem Gutachten nachgelegt. In diesem Plagiatsgutachten steht nur drin, was wir vorher schon wussten: Dass Textpassagen aus dem Antragstellerdossier auch im Bewertungsbericht wieder auftauchen.

    Warum man dafür einen Gutachter braucht (Textpassagen vergleichen kann jeder, der des Lesens mächtig ist), ist mir ein Rätsel. Aber in Österreich ist Wahlkampf und da kommt man derzeit mit jedem Blödsinn in die Zeitung.

    Auffällig ist, dass Global 2000 nicht die Zusammenfassungen des Bewertungsberichtes angeschaut hat, also die Passagen, wo die eigentliche Bewertung der Behörde vorgenommen wird, sondern die eher technischen Kapitel, in denen die untersuchten Studien einzeln aufgeführt werden.

    So zeigt sich, dass die Plagiate aus seitenlangen Tabellen mit Studien bestehen – was hätte man denn hier umschreiben sollen? Auch die Abstracts der untersuchten Studien werden als Plagiat bewertet, dabei haben bereits die Antragsteller diese Abstracts abgeschrieben, nämlich aus der Veröffentlichung der jeweiligen Studie und das ist auch so vermerkt.

    Die Vorwürfe sind völlig albern, nur hat kein Journalist das Hintergrundwissen, um das auch so zu benennen. Und in Österreich ist Wahlkampf, ach, das sagte ich ja bereits …

  17. Ich glaube, im Kern geht es eher um folgendes Problem:

    Sich als Laie eine vernünftige Meinung zu bilden, wenn dazu komplexes Fachwissen notwendig ist.

    Ich kenne niemanden, der zu seiner Meinungsbildung Originalstudien heranzieht. Die sind nicht für Laien geschrieben und für Laien (wenn ich von mir ausgehe) i. d. R. nicht verständlich. Was sich an Laien richtet ist bestenfalls populärwissenschaftlich, schlimmstenfalls ideologische Propaganda.

    Interessenskonflikte sind per se etwas negatives. Im Fall „wer finanziert eine Studie“ ist das allerdings kaum zu vermeiden: Eine Studie wird von demjenigen in Auftrag gegeben, der ein Interesse am Ergebnis hat. Die Schornsteinfeger-Innung wird kaum eine Studie zu Glyphosat in Auftrag geben. Die Tendenzen im Ergebnis, je nachdem ob Monsanto oder Greenpeace eine Studie in Auftrag gibt, sind auch kaum zu übersehen. Noch deutlicher ist es, wenn es um Wirksamkeit von Homöopathie geht. Auch hier lehne ich mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, ein Laie kann nicht feststellen, ob und warum eine Studien Unsinn ist, und darauf sollte (!) es ankommen.

    Das scheint aber gar keine Rolle für die populistische Meinungsbildung zu spielen, dafür eher die vorhandene Meinung in Kombination mit Bestätigungsfehlern und Dunning-Kruger-Effekt.

  18. Und hier ein Beitrag von Schillipaeppa über die Portier Papers:
    https://schillipaeppa.net/2017/10/14/portier-papers/

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