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Herausforderung für unsere Rechtsordnung: Voodoo-Flüche und magische Eheanbahnung

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Die Rechtswissenschaftlerin Verena J. Dorn-Haag von der Universität Augsburg hat ihre Dissertation über „Hexerei und Magie im Strafrecht“ geschrieben.

Es geht darin um die historischen Hexenprozesse, insbesondere aber auch um eine aktuelle Bewertung von Delikten im Bereich der Esoterik. Was sie mit ihrer aufwändigen Arbeit erreichen möchte, erklärt sie im neuen Skeptiker (4/2016):

Dass auch die Rechtswissenschaft sich mit dem Thema beschäftigt.“

Denn „heute noch geschehen – nicht zuletzt in Kreisen von Esoterikern, Heilern und Anhängern der modernen Geisterbeschwörung – Seltsamkeiten, die der Rechtsordnung schlüssige und generalisierbare Antworten abfordern“, schreibt die FAZ in einer Rezension.

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Die Praxisrelevanz des Themas zeigt ein Fall in Hamburg, aber auch die „Voodoo-Prozesse“, die zunehmend Schlagzeilen machen.

Dorn-Haag im Skeptiker:

Dabei geht es darum, dass Menschenhändler Frauen aus Afrika hier in Deutschland mit Voodoo-Flüchen und Zauberei zur Prostitution zwingen. Das Erschreckende ist, dass dieser Hokuspokus tatsächlich besser wirkt als die Androhung von Schlägen und ähnlichem.

Hier kommen wir also definitiv nicht weiter, wenn wir den Opfern nur dann eine Schutzwürdigkeit zubilligen, wenn sie sich nach unseren Maßstäben rational verhalten.“

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Damit kritisiert die Augsburger Rechtswissenschaftlerin eine verbreitete Haltung ihrer Zunft:

Viele Kolleginnen und Kollegen meinen, dass jemand, der sich nicht an den geltenden Rationalitätsstandards orientiert, den Schutz des Staates durch das Strafrecht nicht verdient. Ich finde das aber nicht richtig, da es an der Realität vorbeigeht.

Der Täter spiegelt dem Opfer aktiv falsche Tatsachen vor. Er nutzt den hieraus resultierenden Irrtum des Opfers erfolgreich für seine finanziellen Zwecke aus. Warum sollte der Aberglaube des Opfers den Täter entlasten, wenn dieser doch gerade den Aberglauben des Opfers bewusst ausnutzt?

Das Opfer hat daher aus meiner Sicht nicht die Pflicht, sich gegen den sogenannten Okkulttäter zu schützen.“

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Allerdings hält Dorn-Haag kein Plädoyer für eine Ausweitung des Strafrechts:

Ich denke nicht, dass der Staat alle Lebenssachverhalte mit den Mitteln des Strafrechts regeln muss. Mein Ziel ist es, Wissenschaft und Praxis für die rechtlichen Probleme im Umgang mit dem Übersinnlichen zu sensibilisieren.

Mein Appell geht an die Rechtswissenschaft, dabei die Rechtswirklichkeit im Blick zu behalten und sich zu fragen, ob es wirklich immer sachgerecht ist, im Bereich der Hexerei und Magie primär auf rein objektive Realitätserwartungen abzustellen und so eine Bestrafung des fraglichen Verhaltens abzuschneiden.“

Das vollständige Interview gibt’s im Skeptiker 4/2016, der auch als ePaper erhältlich ist.

Zum Weiterlesen:

  • Verena J. Dorn-Haag: Hexerei und Magie im Strafrecht. Mohr Siebeck, 474 Seiten, 99 €
  • Voodoozauber und Gaukelei, Skeptiker 4/2016
  • Rezension: Hexerei und Magie im Strafrecht, jurablogs am 8. Oktober 2016
  • Rezension: Menschenofer für den Katzenkönig, FAZ am 5. November 2016
  • Recht: Welche Leistung ist „unmöglich“ – und warum? GWUP-Blog am 8. August 2013
  • Esoterik im Recht, LTO am 25. Mai 2015
  • Die absurde Geschichte einer „Hellseherin“, die für viel Geld eine Ehe vermittelt, Stern-Online am 29. September 2016

Ein Kommentar

  1. „Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!
    Fluch jener höchsten Liebeshuld!
    Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
    Und Fluch vor allen der Geduld!…“

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