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Neue Info-Broschüre über „Reichsbürger“ und Verschwörungsphantasten

| 3 Kommentare

Die Amadeu Antonio Stiftung hat eine Info-Broschüre über die „Reichsbürger“ herausgebracht.

Sie steht hier als PDF zum kostenlosen Download bereit und kann in Druckform angefordert werden.

Auf den 32 Seiten geht es um „Überzeugungen, Gefahren und Handlungsstrategien“ in Bezug auf die vordergründig „skurrile“, im Kern aber gefährliche Bewegung der Reichsideologen.

Dabei benennt der Autor Jan Rathje auch den Unterschied zu echten Systemkritikern beziehungsweise kritischen Fragestellern:

Anstatt einzelne Fakten zu einer allgemeinen Aussage zusammenzubringen, steht diese Aussage bereits fest […]

Das bedeutet, dass die Person eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Überzeugungen nicht zulässt und glaubt, die einzig wahren Lösungen für historische und aktuelle gesellschaftliche Probleme zu kennen.“

Rathje prüft unter anderem die sechs gängigsten „Argumente“ der „Reichsbürger“ auf Plausibilität, rät aber zugleich davon ab, sich in die „detaillierte Auseinandersetzung“ zu begeben.

Besser:

Zeigen Sie nach Möglichkeit die rechtsextremen Elemente innerhalb der reichsideologischen Argumentation auf.“

Ein aktuelles Interview mit Jan Rathje (vom 12. Dezember) kann man in der ARD-Mediathek nachhören.

Parallel dazu ist im Online-Portal Publikative.org der Amadeu Antonio Stiftung der Artikel

Pegida: Wenn Untertanen aufmüpfig werden“

erschienen.

Auch dieser Beitrag sieht Verschwörungsphantasten und selbst ernannte „Enthüller“, die angeblich „unterdrückte“ Themen auf die Agenda bringen, weit entfernt von redlichen Aufklärern:

Rebellion gegen den Mainstream muss überhaupt nicht schlimm, sondern kann vielmehr für eine Gesellschaft der Garant für kulturellen und gesellschaftlichen Fortschritt sein – vorausgesetzt, es handelt sich dabei um progressive Bewegungen und nicht um einen reaktionären Sumpf, wie er sich derzeit in Deutschland massiv ausbreitet […]

Der Zerfall von autoritären Strukturen bedeutet einen zivilisatorischen Fortschritt, die Ausdifferenzierung einer einst fürchterlich homogenen Gesellschaft ein Gewinn an Freiheit. Doch geht es hier nicht um Menschen, die nach mehr Freiraum streben, um diesen für sich füllen zu können.

Es geht um die Kehrseite von Freiheit – und um die Menschen, die Angst haben vor der größeren Verantwortung, die von einer Fragmentierung in verschiedenen Bereichen verunsichert werden.“

Die Denkweise dieser Konspirologen beschreibt der Autor so:

Schaut beispielsweise ein überzeugter Klimaskeptiker in große Medien, findet er Meldungen, die in seiner Community als extrem wichtig erachtet werden, lediglich als Randnotiz. Oder gar nicht.

Beispielsweise, weil die Meldung in der Gewichtung der jeweiligen Redaktion als nebensächlich eingestuft wurde oder weil die Quelle schlicht unseriös war.

Daraus folgert unser Klimaskeptiker in einem bemerkenswerten Umkehrschluss, dass die jeweilige Meldung nicht zu unwichtig, sondern vielmehr zu wichtig und brisant sei, um in den „Systemmedien“ aufzutauchen.

Das soll nicht bedeuten, über redaktionelle Gewichtung solle nicht gestritten werden, denn offenkundig gibt es vor allem strukturelle Gründe, warum einige Themen oft vorkommen, andere aus meiner Sicht weniger oft.

Dennoch kann es nicht schaden, den Wert von Themenvielfalt an sich anzuerkennen und die Diskussionen über die Relevanz der „eigenen“ Fachgebiete auch als Realitätscheck zu begreifen.

Interessant ist zudem, dass sich die Leute, die schnell von Zensur und gesteuerter Presse sprechen, gerne auf Artikel in etablierten Medien beziehen, wenn der jeweilige Inhalt mit der eigenen Weltsicht korrespondiert.

Glaubwürdigkeit ist also ein flexibler Begriff, der täglich neu definiert wird. Die Grundregel dabei lautet: Hohe Glaubwürdigkeit genießt der, der mir sagt, was ich ohnehin hören will.

Genau auf dieses Liefergebiet haben sich einige Publizisten und Polit-Aktivisten spezialisiert.“

Zum Weiterlesen:

  • Pegida: Wenn Untertanen aufmüpfig werden, publikative am 11. Dezember 2014
  • Vertrauen sie niemandem – schon gar nicht Xavier Naidoo, GWUP-Blog am 12. Dezember 2014
  • Was „Reichsbürger“ im Original so von sich geben, GWUP-Blog am 11. Oktober 2014
  • Prozessbericht: Peter Fitzek vor dem AG Dessau, Sonnenstaatland am 8. Dezember 2014
  • Die “Reichsbürger” und der fehlende Friedensvertrag, GWUP-Blog am 4. Januar 2014
  • Dabei sein – beim Karneval für Reichsdeutsche und Chemmies, GWUP-Blog am 2. Oktober 2014
  • Haben wir eine “Systempresse”? Was ist das überhaupt? Kann man denn noch guten Gewissens Zeitung lesen? Indub.io am 3. November 2014
  • Ist halt so, ist die Wahrheit! FAZ am 9. Dezember 2014
  • Die „Reichsbürger“: Überzeugungen, Gefahren und Handlungsstrategien, hrsg. von der Amadeu Antonio Stiftung

3 Kommentare

  1. Es liegt auch zu einem großen Teil am Internet. Man braucht nur mal ein paar Verschwörungs-Buzzwords in die bekannte Suchmaschine einzugeben und man bekommt eine Unmenge an obskuren Quellen.

    Es gibt leider eine große Anzahl von Menschen, die sich von solchen Quellen „informieren“ lassen.

    Ich kann mich noch daran erinnern, als damals ‚Akte X‘ im Fernsehen lief und es wirklich einige gab, die glaubten, die Geschichten basierten wirklich auf reale Fälle aus den sogenannten X-Akten.

  2. Welt – FAZ – Focus….. naja, das sind ja die anerkannten Qualitätsmedien…..

    Sorry, aber da krieg ich ja schon Ausschlag, wenn ich die Links nur sehe…..

    Seriöse Berichterstattung sieht anders aus…..

    http://www.nachdenkseiten.de

  3. Diese Reichsbürger verteidigen um so mehr ihr Weltbild, je mehr ihnen Bewusst ist, wie wenig Macht sie besitzen. Da ist es sinnlos sie über ihr absurdes Weltbild aufzuklären.

    Da könnte ich auch behaupten die Abdankung des Kaiser 1918 war unrechtmässig und erklärte als Privatman ein Nachkomme Kaiser Wilhelms zum Herrscher.

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