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GWUP-Konferenz-Rückblick: Vorsicht Seelenpfuscher!

| 3 Kommentare

Käme jemand auf die Idee, einen kranken Zahn von einem „spirituellen“ Hobby-Zahnklempner anbohren zu lassen, der sein „Wissen“ um Wurzelbehandlungen und Vollnarkosen aus der Akasha-Chronik channelt?

Oder wie wär’s mit „Operieren nach Zahlen“ für den ambitionierten Do-it-yourself-Chirurgen?

Das mag absurd klingen – aber wenn es nicht um körperliche, sondern um die seelische Gesundheit geht, sind wir vom Druidentum nicht weit entfernt.

„Therapeut“ darf sich in Deutschland jeder nennen. Und 20 000 bis 30 000 „Rebirther“, „Engelbotschafter“, „Familienaufsteller“ und Co. bieten rund 1000 Verfahren für praktisch alle Probleme und Krankheiten an, sagte Heike Dierbach bei der GWUP-Konferenz in Köln.

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Dierbach ist diplomierte Psychologin, Wissenschaftsjournalistin und Autorin des Buches

Die Seelen-Pfuscher: Pseudotherapien, die krank machen“.

Oft enttäuscht von kassenfinanzierten Psychotherapien seien Patienten bereit, sich auf „unkonventionelle“ Methoden einzulassen – zumal, wenn diese sich mit Beschreibungen wie „ganzheitlich“ oder „sanft“ schmücken.

Unter den Anbietern fänden sich auch Ärzte und Psychotherapeuten, die Mehrheit seien jedoch „Berufswechsler mit Heilpraktikerschein“.

Und diese beschränken sich keineswegs auf ein bisschen Huschi-Fuschi mit Duftkerzen und Klangschalen – auch „Hilfe“ bei schweren Erkrankungen wie Krebs liege voll im Trend.

Nicht selten werde der Tumor den Betroffenen als „Zeichen“ erklärt, das ein „Umdenken“ erfordere.

Generell kommen in der Heilerszene Krankheit und Schicksal „nicht von ungefähr“.

Sie beruhen auf „falschem Denken“, gelten als Ausdruck eines seelischen Konflikts oder als „Sühne für Unrecht“ (Bert Hellinger) oder gar als Folge von schuldhaften Handlungen in früheren Leben:

Alle Krankheiten sind angeblich psychisch verursacht oder beeinflusst“,

fasste Dierbach ihre Recherchen zusammen.

Das widerspricht indes wissenschaftlichen Erkenntnissen, nach denen es zum Beispiel so etwas wie eine „Krebspersönlichkeit“ definitiv nicht gibt.

Fatal ist vor allem der Umkehrschluss, der aus diesem Zerrbild von körperlichem und seelischem Leid folgt – und der vor allem von „Wünschelwichten“ wie Rhonda Byrne („The Secret“) suggeriert wird:

Alles Negative haben wir selbst verursacht. Und scheitert die „Therapie“, ist ausschließlich der Patient verantwortlich.

Weil er seine Gedanken nicht kontrolliert hat. Er gar nicht gesund werden will. Oder seine Seele noch nicht bereit ist „für diesen Quantensprung“. Oder was auch immer.

Auch aus diesem Grund schaden Nonsens-Verfahren mehr, als dass sie nutzen, erklärte Dierbach:

Die Seele ist einer der verletzlichsten Teile des Menschen. Pfusch daran hat gravierende Folgen. Vielen Menschen geht es nach der Teilnahme an einer Pseudotherapie schlechter als vorher.“

Denn letztendlich bleibe der Patient mit seiner Not allein.

Seelische Wunden werden in Windeseile aufgerissen, für die Heilung bleibt keine Zeit.“

Außerdem sind die Anbieter kaum therapeutisch ausgebildet (Dierbach: „Eigene Erfahrungen mit Krankheiten sind noch keine Qualifikation“) und gerieren sich als eine Art Guru, der ein tiefes Machtgefälle zwischen Anbieter und Ratsuchendem herstellt – und damit Abhängigkeitsverhältnisse schafft.

Als Merkmale von Seelenpfuschern nannte die Referentin unter anderem ein „übersinnliches Element“ in der Therapie (z.B. Engel), hohe Kosten bei kurzer Dauer, Heilungsversprechen, die Werbung mit Fallgeschichten und Dankschreiben sowie die subtile Verächtlichmachung der wissenschaftsbasierten Medizin.

In ihrem Fazit wandte Dierbach sich dezidiert gegen die Ausübung der Psychotherapie durch Heilpraktiker.

Die GWUP unterstützt diese Forderung nachdrücklich.

Zum Weiterlesen:

  • Heike Dierbach: Die Seelen-Pfuscher: Pseudotherapien, die krank machen. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2009
  • Rezension in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Januar 2010
  • „Es gibt keine Krebspersönlichkeit“, Zeitung des Klinikums Nürnberg Nr. 4/2010
  • Psychische Einflüsse auf die Krebsentstehung, krebsinformationsdienst.de
  • Morbus Dahlke: Mein Schnupfen und ich, GWUP-Blog am 17. Januar 2011
  • GWUP-Konferenz-Rückblick: Der Publikumstag 2013, GWUP-Blog am 13. Mai 2013
  • GWUP-Konferenz-Rückblick: Pseudomedizin bei Autismus, GWUP-Blog am 18. Mai 2013

 

 

 

 

3 Kommentare

  1. Ich verstehe nicht ganz, was der Artikel mit der Fordung am Ende zu tun hat.

    HPfP hat ja mit dem anfangs beschriebenen nichts zu tun. So lange die Krankenkassen nur Labertherapie und Verhaltenstherapie bezahlen, ist es doch kein Wunder das man sich zB humanistische und systemische Methoden woanders zuwendet.

    Wenn ich mir die Lerninhalte vom HPfP anschauen, sehe ich das doch etwas differenzierter. Eine größere Normung mag angeraten sein, aber wenn ich mir die fehlende Qualitätskontrolle der anerkannten Therapeuten anschauen, sollte man das Thema wie gesagt insgesamt größer und differenzierter angehen.

    So kritisch ich Heiler und HP auch sehe.

  2. Ich denke, für einen Psychologiestudenten ist das Leben prinzipiell sehr schwierig.

    Nie durfte er erfahren, dass Messergebnisse auch einfach nicht stimmen, wenn man falsch misst. Stattdessen kreist die Welt um sein Ego. Der Psychologiestudent meint somit, dass sich die Naturgesetze ihm anpassen und nicht umgekehrt er sich der Welt.

    Das ist eingentlich das Grundproblem der Therapeuten.

    Wo Physiker und Chemiker in hunderten von Versuchen die Welt vermessen und immer wieder ab der ersten Stunde damit konfrontiert werden, dass die Welt nun einmal anders ist, wie sie es sich vorstellen, werden Psychologiestudenten zur freien Assoziation und zum Spinnen förmlich aufgefordert.

    Aber auch Mediziner haben wenig Chance in den Praktikas eine derartige Erfahrung zu machen. Heraus kommen lauter kleine „Harry Potters“, die wünscheln und wichteln, Homöopathie verschreiben, Eigenurin trinken.

    Und danach werden sie auf die armen Patienten losgelassen.

  3. Das Problem liegt darin, dass die seriösen Therapeuten in ihrem „wissenschaftlichen“ und abstinenten Gebahren zwar weniger falsch machen, aber wenig Herz zeigen.

    Es gibt da draußen einen riesigen Wunsch nach mehr Menschlichkeit, Herz, Anteilnahme in den Behandlungen und das öffnet die Menschen für das esoterische, scheinbar liebevollere und warmherzigere Angebot. Und viele esoterisch angehauchte Therapeuten sind ja durchaus guten Willens und idealistisch, glauben selbst was sie sagen, verschließen sich aber systematischen Überprüfungen.

    Diese wiederum sind aber so kritisch zu betrachten, dass man sich fragen muss, was sollen uns Studien beweisen, in denen es Placebo-Gruppen fast so gut geht wie Behandlungsgruppen. Die Effektstörken sind gering und Fakt ist, wir wissen nicht was wirkt.

    Die therapeutische Beziehung? Die ist bei Esoterikern oft besser… so lange der Pat. macht was sie sagen.

    Testen kann man seinen Therapeuten indem man kritische Fragen stellt und schaut, wieviel Druck dann kommt. Je mehr Druck kommt, desto mehr Sektenähnlich ist das Ganze.

    Ein seriöser Therapeut wird immer angemessen mit Kritik und Skepsis umgehen und den Patienten nicht abwerten.

    Kritisch zu sehen sind auch völlig überteuerte Stundensätze: eine Kassentherapie kostet 85 Euro die Stunde. Es kann nicht sein, dass unausgebildete Esoteriker mehr nehmen, nur weil sie mehr werben dürfen.Und sobald mir ein Verfahren Schuldgefühle macht, kann es nicht gut sein!!!

    Allen hier viel Erfolg auf ihrem Weg.

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