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GWUP-Konferenz-Rückblick: Pseudomedizin bei Autismus

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Wie kaum eine andere Erkrankung haben Impfgegner, Verschwörungstheoretiker und Pseudomediziner sich Autismus zur Beute gemacht.

Möglicherweise hat das damit zu tun, dass Autismus ungewöhnlich vielschichtig ist und sich nicht immer auf konkrete Symptome festlegen lässt.

Außerdem ist noch unklar, warum ein Mensch zum Autisten wird. Diskutiert werden unter anderem genetische Faktoren.

Und immer, wenn es um komplexe Zusammenhänge geht, sind die Simplifizierer nicht weit.

1998 veröffentlichte der britische Chirurg Andrew Wakefield mit einer Gruppe von Co-Autoren eine Studie in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet.

Darin wird ein Zusammenhang zwischen der Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR) und kindlichem Autismus hergestellt.

2010 zog The Lancet den Artikel vollständig zurück, nachdem Wakefields Thesen keiner kritischen Überprüfung standgehalten hatten und zudem der Vorwurf der bewussten Datenfälschung laut wurde.

Nichtsdestotrotz gilt der mutmaßliche Betrüger Wakefield in einschlägigen Foren als eine Art Märtyrer, der „aufgrund seiner unerwünschten Forschungsergebnisse“ vehement „angegriffen, kritisiert und verspottet“ werde.

Aber nicht nur bei der Frage nach den Ursachen von Autismus schlagen Wissenschaftsfeinde jede Menge Lärm – auch in der Therapie machen sich Scharlatane breit.

Darüber referierte Jan Oude-Aost bei der diesjährigen GWUP-Konferenz in Köln.

Skepkon_Jan

Er arbeitet als Arzt in der Autismus-Ambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Dresden.

Exemplarisch nannte Oude-Aost die CEASE-Therapie (Complete Elimination of Autistic Spectrum Expression) des niederländischen Homöopathen Tinus Smits.

Smits ist Autor eines Buches mit dem beziehungsreichen Titel

Autism, Beyond Despair: Homeopathy has the Answers“

CEASE ist aus verschiedenen Pseudo-Methoden zusammengeclustert, darunter Homöopathie und orthomolekulare Medizin.

Oude-Aosts lapidares Urteil:

Mit Wasser, Zucker und Vitaminen kann man keinen Autismus heilen.“

Selbiges gelte für diverse „Wundermittel“ wie Sekretin (ein gastrointestinales Peptidhormon) oder Vancomycin (ein Antibiotikum).

Dass auch Persönlichkeiten von ansonsten hervorragender Intelligenz nicht vor Fehlschlüssen und seltsamen Verirrungen gefeit sind, zeigte Jan Oude-Aost am Beispiel von Luc Montagnier, der 1983 das HI-Virus entdeckt hatte und dafür 2008 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Montagnier propagiert in Sachen Autismus den „microbial track“, was in etwa bedeutet, dass der französische Virologe für die Erkrankung elektromagnetische Signale verantwortlich macht, die Bakterien und Viren (beziehungsweise deren DNA) ins Blut abgeben.

Letztendlich ist das nichts anderes als eine Art „neue Homöopathie“ – die allerdings auch dann nicht glaubwürdiger wird, wenn …

… HIV-Entdecker Luc Montagnier indirekte ,Erklärungen‘ dafür liefert“,

merkt derStandard an.

Vielmehr ist Montagnier

… auf dem besten Weg, die Galionsfigur der Pseudowissenschaften zu werden.“

Oude-Aosts Fazit:

Autismus ist nicht heilbar und es gibt gegen die Kernsymptome keine Medikamente.

Die Therapie des Autismus ist symptomatisch und verhaltenstherapeutische Ansätze sind aktuell die vielversprechendsten und in ihrer Wirksamkeit am besten belegten. Ziel ist es dabei, das für das Individuum höchstmögliche Maß an Autonomie zu erreichen. Doch die Verhaltenstherapie von Kindern mit Autismus ist ein langer und für alle Beteiligten anstrengender Weg.

Hier öffnet sich ein Tätigkeitsfeld für Pseudomediziner. Mit einfachen Erklärungen und Lösungen für eine komplexe Störung kosten sie im besten und häufigsten Fall Zeit und Geld, im schlechtesten und seltensten das Leben.“

Nicht umsonst heißt ein kritisches Buch zum Thema „Bad Science“ und „Risky Medicine“ in der Autismustherapie:

Autism’s False Prophets“

Zum Weiterlesen:

  • Autismus und Pseudomedizin: Notizen und Links, diaphanoskopie am 11. Mai 2013
  • Evaluation, diagnosis, and treatment of gastrointestinal disorders in individuals with ASDs: a consensus report, Pediatrics. 2010 Jan;125 Suppl 1:S1-18. doi: 10.1542/peds.2009-1878C
  • BJM: Autismusstudie war eine Fälschung, aerzteblatt.de am 7. Januar 2011
  • Autismus, Impfungen und fünf fehlende Affen, derFreitag am 22. September 2012
  • Die wundersame Welt des Luc Montagnier, WeiterGen am 29. Oktober 2009
  • Der tiefe Fall des Andrew Wakefield, impfblog.de am 18. Februar 2010
  • Wir Mediziner – weshalb viele von uns lieber nichts von Skeptikern wissen wollen, skeptiker.ch am 3. April 2013
  • GWUP-Konferenz-Rückblick: Der Publikumstag 2013, GWUP-Blog am 13. Mai 2013
  • Von der 22. GWUP-Konferenz in Köln, BlooDNAcid am 12. Mai 2013
  • So war die Skepkon – für mich, Cloudpharming am 16. Mai 2013
  • Skeptiker-Konferenz: Dialoge sind am schönsten zu zweit, diesseits am 16. Mai 2013
  • SAP stellt Hunderte Autisten ein, Spiegel-Online am 21. Mai 2013

 

 

5 Kommentare

  1. Die Frage ist: Kann ein Autist zum Esoteriker werden? – Die Antwort ist: Nein…Warum? – Weil ein Autist die Welt „real“ erfasst und sich nicht mit Belanglosem, wie Emotionen abgibt…die reale Welt ist emotionslos, sie kennt keine Gnade, keine Liebe…sie ist nur „Konsequenz“ aus unseren Handlungen…kein Schutzengel, der um uns schwirrt…niemand ist da, außer unseren Mitmenschen und uns selbst…traurig, aber wahr… :-(

  2. @Ralf:

    So einfach ist das natürlich nicht.

    Es gibt Menschen mit Autismus, die esoterischen Ideen anhängen. Menschen mit Autismus haben auch Emotionen, sie haben jedoch meist Probleme sie bei anderen zu erkennen und manchmal auch eigene einzuordnen und zu zeigen.

    Eine Kollegin, die schon lange in dem Bereich arbeitet sagte jedoch auch mal, bei Menschen mit Autismus wäre ihr häufiger eine sehr rationale Einstellung begegnet.

    Aber auch mit rationaler Sichtweise auf die Welt kann man zu falschen Schlüssen kommen. Mark Benecke geht darauf in seinen Vorträgen ja gerne ein.

  3. Zum Thema Autismus, „Spirit of Health“-Kongress 2014 in Hannover, „Umweltmedizin“ – und Pseudomediziner Dr. D. Klinghardt immer dabei:

    http://www.psiram.com/ge/index.php/Dietrich_Klinghardt

    http://www.ostmed.net/detox/detox.pdf :
    “ … Man weiß, dass Patienten, die in einen funkfreien Bereich ohne jegliche EMF-Strahlung gebracht
    werden, sehr viel schneller ausleiten. Autistische Kinder, beispielsweise, leiten dort aus, ohne dass
    Medikamente gespritzt werden müssen und fangen nach wenigen Wochen an, über 1000 Wörter zu
    sprechen und Blickkontakt mit den Eltern aufzunehmen (persönliche Mitteilung Dr. Dietrich
    Klinghardt („Physician of the Year in Integrative Medicine“)) . Auch Kinder, welche am
    Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ADS leiden, werden innerhalb weniger Stunden im strahlungsfreien
    Bereich absolut ruhig. … “
    und:
    “ … P.S.: die Chancen stehen sehr gut, dass der brasilianische Heiler Joao de Deus als „Schirmherr“
    einen Tag zwischen dem 14. und 21. Januar dort anwesend sein wird! “

    http://spiritofhealth2014.org/ :
    (als „namhafter Referent“)

    http://www.umweltbedingt-erkrankte.de/downloads/9_umwelttagung/INKFlyer_Strahlung_Druckfassung.pdf
    (Motto: „Strahlung“ ist an Allem schuld; selbst an Krebs, Parkinson, Burn-Out etc.)

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