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Ein Polizist auf Yeti-Jagd

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Markus Hemmler (32) ist Mitarbeiter der Polizei Baden-Württemberg und geht seit zwölf Jahren einem ungewöhnlichen Hobby nach: er ist Kryptozoologe. Was das genau bedeutet, welche Probleme diese Tätigkeit mit sich bringt und inwiefern er wissenschaftlich arbeitet, wollte Sebastian Bartoschek von ihm wissen.

An dieser Stelle bringen wir eine gekürzte Fassung des Interviews. Die vollständige Version findet sich hier.

Herr Hemmler, was ist Kryptozoologie überhaupt?

Die beste Definition traf Chad Arment:

Kryptozoologie ist eine zielorientierte, interdisziplinäre Suchmethodik der Zoologie, die im Unterschied zu sonstigen Neuentdeckungen Quellen verschiedenster Art nutzt, um möglicherweise existierende, bislang unbekannte oder als ausgestorben gedachte, Tierarten aufzuspüren.

Alle Definitionen decken eine Bandbreite an „verborgenen Tieren“ ab, angefangen von den Sichtungen von Großkatzen […], menschenähnlichen Affenwesen auf Sumatra (Orang Pendek) über Sichtungen ausgestorben gedachter Arten wie dem Beutelwolf bis hin zu vielleicht noch lebenden prähistorischen Tieren.

Natürlich muss man sagen, dass die Kryptozoologie nur kategorisierend ist: man weiß am Anfang eines Ermittlungsprozesses nicht ob ein Kryptid, wie man solch ein vermeintlich verborgenes Tier bezeichnet, eine unbekannte Tierart, ein eigentlich ausgestorbenes Tier, ein psychologisches Phänomen oder nicht mehr als ein Mythos ist. Genau das gilt es herauszufinden.“

Was spricht Ihrer Meinung nach dafür, was dagegen, Kryptozoologie als eigenständige Wissenschaftsdisziplin anzusehen?

Ich bin natürlich nicht ganz unvoreingenommen, bitte sehen Sie mir das nach.

Ein Aspekt, der eine eigene Disziplin fördern könnte, ist der Gewinn von Wissen, den die Kryptozoologie ermöglicht. Heutige Entdeckungen der Zoologie finden in der Regel nicht durch gezielte Suche statt. Eine eigenständige Disziplin innerhalb der Zoologie könnte hier forcierend wirken und Überraschungen bieten. […]

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Schutz der Kryptiden und ihrer Umwelt. Die Lebensräume von Tieren und die Artenzahlen schwinden derzeit unglaublich schnell, der Großteil davon als Auswirkung des menschlichen Handelns. […]

Gegen eine Anerkennung als Wissenschaft spricht für mich vor allem eines: die unwissenschaftliche Arbeit vieler Personen, die sich in der Kryptozoologie wiederfinden. […] Erst wenn die Kryptozoologie sich dessen bewusst geworden ist und sich davon entfernt, wird sie womöglich als Disziplin der Zoologie anerkannt. Dazu gehört für mich die Einhaltung von wissenschaftlichen Standards wie Peer-Reviews und ähnliches.“

Gibt es verschiedene Richtungen innerhalb der Krypto-Zoologie?

Ein großer Teil der Kryptozoologie beschäftigt sich mit ethnologischen Quellen über menschen- und affenähnlichen Kryptiden. Der russische Wissenschaftler Dr. Dmitri Bayanov führte dafür den Begriff „Hominologie“ ein.

 Während der Begriff „Hominologie“ in der Kryptozoologie akzeptiert ist, ist dies für die „Dracontologie“ nicht (mehr) Fall. Der Kanadier Jacques Boisvert befragte einen Mönch nach einem Wort für eine Wissenschaft von seltsamen, unidentifizierten seebewohnenden Kreaturen. Dieser schlug ihm den Begriff „Dracontologie“ vor.

Er wurde er im Laufe der Zeit als Zusammenfassung für alle wasserbewohnenden Kryptide gebräuchlich. In den neunziger Jahren geriet der Begriff in die Kritik, zumal sich „Dracontologie“ eigentlich auf Drachen bezieht. Ein besserer Begriff hat sich bis heute aber nicht gefunden.“

Kryptozoologie scheint vor allem etwas zu sein, das im Ausland aktiv ist, beispielsweise in Sachen Yeti, Bigfoot, Nessie. Was sind kryptozoologische Fälle aus Europa bzw. Deutschland?

Es gibt in Europa Berichte über hominoide Kreaturen, z.B. aus dem europäischen Russland, Spanien, Schweden, Deutschland, Italien oder Polen. Hinzu kommen sogenannte Alien Big Cats außerhalb ihres eigentlichen Verbreitungsgebiets in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden.

Es gibt kryptide Schlangen in Großbritannien, der Schweiz, Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland; kryptide Vögel in Schottland oder Schweden und natürlich kommen ungezählte Monster in den europäischen Seen und vor den Küsten hinzu. […]

In Deutschland machten vor allem Alien Big Cats von sich reden, insbesondere der angeblich im Grenzgebiet von Deutschland, Belgien und Luxemburg umher schleichende „Eifel-Panther„. Auch ein nicht zu fassender Bär trieb bei Dillenburg in Hessen sein Unwesen. Beide Angelegenheiten verliefen ergebnislos, zumal sowieso nicht mit einer Großkatzen- oder Bärenpopulation in Deutschland zu rechnen ist.“

Wie reagiert Ihr Umfeld darauf, dass Sie sich für kryptozoologische Fragen interessieren?

Wenn man damit anfängt etwas über den Yeti, Bigfoot oder Nessie zu erzählen, muss man sich nicht wundern, wenn man belächelt wird. Deshalb ziehe ich diese Kryptide trotz ihrer Bekanntheit nicht gerne als Beispiele heran. Im Allgemeinen aber sind die Reaktionen in meinem Umfeld gut: man muss das Thema nur entsprechend kommunizieren – und so beginne ich ein Gespräch mit „ehemaligen“ Kryptiden wie dem Berggorilla oder dem Okapi.“

Woran arbeiten Sie aktuell?

Meine derzeitige Faszination gilt sogenannten „Pseudo-Plesiosaurier“ – angeschwemmte tote Tiere von deinen eigentlich bekannt ist, um welche Art es sich handelt, bspw. einen Riesenhai. Von ihrer äußeren Form erinnern diese Kadaver aber oftmals an Vertreter der ausgestorbenen Reptiliengruppe der Plesiosaurier. Die Ähnlichkeit wird bedingt durch den Verwesungsprozess und äußere Faktoren. […] Das Aussehen führte immer wieder dazu, dass Kadaver nicht gleich von jedem identifiziert werden konnten, sondern vielmehr als „Seeungeheuer“ beziehungsweise kürzlich noch lebende, eigentlich ausgestorbene Meeresreptilien angesehen und somit zu einem Fall für die Kryptozoologie wurden.“

Zum Weiterlesen:

Autor: Inge Hüsgen

Redaktionsleiterin Skeptiker - Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken

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