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Indien: Aktivistin für Rationalität und kritisches Denken ermordet

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Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) und die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) verurteilen den Mord an der Journalistin und Rationalistin Gauri Lankesh in Bengaluru, Indien. Die 55-Jährige wurde am Dienstagabend von Terroristen am Eingang ihres Hauses  erschossen.

Gauri Lankesh war Redakteurin einer Wochenzeitschrift in der Sprache Kannada und eine exponierte Kritikerin der rechtspopulistischen „Hindutva“-Politik der indischen Regierung. Sie wandte sich gegen das Kastensystem und die Aufwieglung der Menschen gegeneinander nach ihrer jeweiligen  Gruppenzugehörigkeit.

Dieser infame Mord ist ein Anschlag auf die Demokratie und Pressefreiheit in  Indien“,

sagt der Vorsitzende der GWUP, Amardeo Sarma.

Er macht uns deutlich, welche große Gefahr uns nahestehende Menschen in Indien eingehen, die sich konsequent für Vernunft, Wissenschaft und kritisches Denken und gegen Aberglauben und Rückständigkeit engagieren.“

Dies sieht gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon genauso. Er verweist auf die „im Westen bislang weitgehend verdrängte Tatsache, dass in Indien die größte rechtspopulistische Partei der Welt an der Macht ist, die eine hochgefährliche Identitätspolitik betreibt“.

Der Mord an Gauri Lankesh ist Teil einer Anschlagserie gegen Menschen, die sich für Rationalismus und gegen Aberglauben eingesetzt haben. Frühere Opfer waren die ausgewiesenen Rationalisten M M Kalburgi und Narendra Dabholkar.

Sarma und Schmidt-Salomon rufen daher die Bundesregierung und die Europäische Union auf, „bei der indischen Regierung vorstellig zu werden und für die Sicherheit von Menschen einzutreten, die sich für Menschenrechte, Rationalität und Meinungsfreiheit engagieren“.

In diesem Zusammenhang appellieren GWUP und gbs auch an das rationale Selbstinteresse der westlichen Politiker:

Indien ist nach China das bevölkerungsreichste Land der Erde, nicht nur eine globale Wirtschafts-, sondern auch eine Atommacht. Was dort geschieht, geht uns alle an.“

Zum Weiterlesen:

  • Regimekritikerin Gauri Lankesh in Indien ermordet, GWUP-News am 7. September 2017
  • Who is Gauri Lankesh? The Indian Express am 6. September 2017
  • Gauri Lankesh murder: Journalist who spoke her mind shot dead in Bengaluru, The Indian Express am 6. September 2017
  • Gauri Lankesh murder: „Murder of democracy, climate of hate, intolerance complicit“, says civil society, The Indian Express am 6. September 2017
  • It takes a Gandhi in the BJP to hold mirror to those whose hateful ideology killed Gauri Lankesh, Janta Ka Reporter am 6. September 2017
  • Indien: Führender Aktivist gegen Aberglaube und Hexerei ermordet, diesseits am 22. August 2013
  • Leben und Sterben in Indien, dieausrufer am 25. August 2013
  • Die Gurubusters von Indien, GWUP-Blog am 1. November 2013
  • Indien: Gesetz gegen Aberglauben verabschiedet, GWUP-News am 25. August 2013
  • Suspension of disbelief, frontline am 4. Oktober 2013
  • Regimekritikerin Gauri Lankesh in Indien ermordet, hpd am 7. September 2017

11 Kommentare

  1. So ein falsches Bild kann man von der Welt haben.

    Bei Indien denke ich an lauter Ghandis, die sich friedlich für ihre Ziele einsetzen, und wo Muslime, Hindus und Buddhisten (und noch mehr) relativ harmonisch miteinander leben.

    Dass die indische Regierung rechtsgerichtet ist, war mir bisher nicht klar… in den Nachrichten wurde neulich nur berichtet, dass ein Dalit wohl aussichtsreichter Präsidentschaftskandidat sei; was wohl aber auch eher eine PR-Sache war, um die Stimmen der vielen Dalits zu gewinnen.

    Sehr traurig, dass nun diese kritische Autorin ermordet wurde, die sich für Vernunft und kritisches Denken eingesetzt hat.

  2. @Christian Becker

    Viele Menschen haben ein etwas zu idealisiertes Bild von Indien. Dazu zählt auch die Annahme, dass Indien ein durch und durch spirituelles Land wäre. Aber das ist so nicht.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Atheismus_in_Indien

    6,6% liest sich jetzt wenig, aber umgerechnet auf die Bevölkerung ist das schon eine Menge. Und neu ist der Atheismus in Indien auch nicht. Es ist kein Phänomen der Neuzeit. Die Charvaka Bewegung beispielsweise ist noch einige Jahrhunderte vor dem Christentum entstanden. Diese existiert leider in der alten Form nicht mehr. Heute lässt sich all das was früher entstand unter dem modernen Begriff des Atheismus subsumieren.

  3. @nihil je: Die Charvaka waren in erster Linie Materialisten und sie hielten ein Jenseits oder ein Leben nach dem Tode für unbelegt. Sie waren konsequenter, als Epikur, da sie Göttern auch keine Existenz in einer Sphäre ohne Wirkung auf das Diesseits billigten.

    Es gibt allerdings auch Religionen in Indien, die in gewissem Sinne atheistisch sind. Jains leugnen einen Gott und die ursprünglichen Buddhisten schweigen dazu, sie glauben aber in „das Göttliche“ in jedem und im Gegensatz zu den Charvaka an die Existenz einer „Seele“, sind also Dualisten. Es gibt also auch „atheistische“ Religionen.

    Viele der heutigen Rationalisten in Indien berufen sich auf die Charvaka; http://nirmukta.net/Thread-Manifesto-of-Charvaka-Movement.

    Allerdings sind Rationalisten in Indien sehr heterogen.

    Johannes Quack hat hierzu ein empfehlenswertes Buch geschrieben: „Disenchanting India“: https://www.amazon.de/Disenchanting-India-Organized-Rationalism-Criticism/dp/0199812624/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1504904347&sr=8-1&keywords=disenchanting+india – leider nicht sehr billig.

  4. Mir fällt wieder auf, das Lesen des gwup-Blogs mitsamt der Diskussionen ist eine Bereicherung, danke dafür.

  5. @Amardeo Sarma

    Danke für die wuchtigen Ergänzungen. Ich persönlich kenne weitgehend das historische Umfeld dieser Philosophien. Die Geschichte der indischen Philosophie, die sich um die Nastika an lagert, fasziniert mich schon seit einigen Jahren. Einiges aus den Grundlagen dieser Philosophien, ist noch in unserer Modernen Zeit brauchbar und integrierbar. Gerade aus der Charvaka. Denn so richtig „untergegangen“ ist sie ja auch nie, wie Sie schon erwähnt haben. Ich persönlich hege zur der Bewegung durchaus auch Sympathien und ich wäre traurig wenn sie im Laufe der Geschichte komplett verschwinden würde.

  6. Indien – das Land der Homöopathie… ja, es wird immer argumentiert, es sei nicht möglich, die gesamte Bevölkerung angemessen medizinisch zu versorgen und so weiche man auf die homöopathische „Versorgung“ aus.

    Man darf aber den Verdacht hegen, dass hier Wissenschaftsfeindlichkeit eine erhebliche Rolle spielt. Der Homöopathie werden erhebliche öffentliche Mittel für „Forschung“ verfügbar gemacht und es werden Patienten für diese Forschung regelrecht rekrutiert. Und wenn man glaubt, die Homöopathie sei hier bei uns im Gesundheitssystem „verankert“, dann möge man sich mal die indischen Regierungsvertreter ansehen.

    Krebstherapie in Indien mit Homöopathie siehe hier (was für eine Geldverschwendung, brauchen doch nur mal in der Klinik Santa Croce nachfragen…):
    https://keineahnungvongarnix.de/?p=5081

  7. Also wenn man sich mal bei Quora (eine Q&A Seite ähnlich Yahoo!Answers) umsieht, dann ist es erschreckend wieviele indische Rationlalitätsverweigerer es gibt…

  8. Vielen Dank, dass die GWUP hier Stellung bezogen hat.

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