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Der „oberste Ufo-Skeptiker“ Werner Walter ist tot

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Wenn Werner Walters „Ufo-Hotline“ klingelte, dann passierte meist etwas in der Art:

 Hören Sie zu, wir sehen gerade etwas Unglaubliches!“

stößt ein Herr K. atemlos in den Hörer.

Da zieht eine fliegende Untertasse am Horizont seit einer halben Stunde hin und her, so groß wie der Vollmond.“

Über den Hügeln in der Nähe soll das Objekt schweben, bei einer kleinen Ansiedlung etwa 70 Kilometer nordwestlich von Halle. Gelegentlich strahle so etwas wie „ein Suchscheinwerfer“ zu Boden, der „immer denselben Punkt abtastet“.

Im Hintergrund ist die Ehefrau des Anrufers zu hören, die anscheinend am Wohnzimmerfenster steht:

Da ist es wieder, aber es landet nicht!“

Walter will wissen, wie das Ufo aussieht.

Milchig irgendwie. Es schwankt hin und her und führt alle zehn Sekunden einen Durchgang aus. So was haben wir noch nie gesehen. Es zieht nun schon eine halbe Stunde auf seiner Bahn hin und her. Wissen Sie, was das ist?“

Fast immer wusste er es.

1957 geboren, war Walter ein Kind des Weltraumzeitalters:

Mitte der 1970er-Jahre, nach den bemannten Apollo-Missionen, erfasste mich als junger Mann das Ufo-Fieber“,

schrieb er 2012 in seinem letzten großen Skeptiker-Artikel „Bekenntnisse und Fazit eines Außenseiters der Ufo-Forschung“.

Eigentlich wollte ich nur wissen: Was geht am Himmel vor? Und: wie und warum? Eben genau das, was den Astronomie-Enthusiasten interessiert. Relativ bald erkannte ich, dass für 90 bis 98 Prozent aller Ufo-Sichtungen – der subjektiven Wahrnehmungen von unidentifizierten Flugobjekten also – einige wenige Stimuli verantwortlich sind.

Nur erkannten die Zeugen sie nicht oder wollten sie nicht erkennen, aus welchen Gründen auch immer.“

Seine allererste persönliche Begegnung mit dem Ufo-Phänomen erzählte Walter auch beim Bühnenprogramm der 25-jährigen GWUP-Jubiläumsfeier 2012 in Roßdorf:

Ich spielte mit einem Klassenkameraden Tischtennis, in unserer Siedlung in Mannheim-Vogelstang. Es war am 5. September 1973, so gegen 21 Uhr, jedenfalls nach Einbruch der Dämmerung.

Der Ball flog ins Aus und ich lief hinterher. Während ich den Ball aufhob, schaute ich zum Himmel und sah dort ein dunkelrotes geometrisches Gebilde, das sich horizontal über den Viernheimer Panzerwald hinweg bewegte.

Ich machte einen Freund darauf aufmerksam, der die Erscheinung ebenfalls sofort erblickte, und auf einmal, so als ob man das Licht ausschalten würde, war es weg. Es war kein Verglühen, sondern einfach wie ein Abschalten.

Wir wohnten in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens, zudem befand sich in der Nähe der größte amerikanische Stützpunkt für Hubschrauberwartung, doch unsere Sichtung hatte nichts mit diesen Dingen gemeinsam.

Wir besuchten beide einen Astronomie-Kurs an unserer Schule, was es uns ermöglichte, das Gesehene auch klar von den üblichen Himmelserscheinungen abzugrenzen. Also gingen wir in die Buchhandlungen und besorgten uns Literatur zu Ufos.

Wenn es dieses Erlebnis nicht gegeben hätte, würde ich mich mit diesem Gebiet heute gar nicht befassen.“

Eine Zeitungsanzeige ließ Walter auf die „Deutsche Ufo/IFO Studiengesellschaft“ des Karl L. Veit aufmerksam werden, der seit 1956 die „Ufo-Nachrichten“ herausgab. Walter trat der DUIST bei.

Doch während ihn bei den Besuchern aus dem All vor allem die astronomische und technische Seite interessierte, gewann er zunehmend den Eindruck, Veit und Co. gehe es weniger um Aufklärung, als um Spekulation und Geschäftemacherei.

Als seine Fragen mit immer neuen kostenpflichtigen „Heilsbotschaften“ der Außerirdischen abgespeist wurden, monierte er – und flog. Daraufhin gründete er 1976 seine eigene Organisation: das Centrale Erforschungsnetz außergewöhnlicher Himmelsphäomene (CENAP).

1987 gehörte Walter auch zu den Gründungsmitgliedern der GWUP.

Vom begeisterten Ufologen zum Skeptiker mutierte Walter, als er auf der Berliner Funkausstellung zufällig einer kommerziellen Lichterschau ansichtig wurde, genauer gesagt der Präsentation von neuartigen Laserprojektoren. Der Ufo-Fan bekam große Augen, als ein roter Rubinlaser ein Trapez an die Hallendecke malte – „exakt dieselbe Leuchterscheinung“, wie Walter sie beim Tischtennisspielen in Mannheim beobachtet hatte.

Seitdem gab es für ihn nur noch „nicht erkannte identifizierbare Objekte“ am Himmel.

4000 Meldungen über Ufo-Beobachtungen gingen Walter und seine Mitstreiter vom CENAP nach. Außerirdische Raumschiffe entdeckten sie dabei keine.

Auch nicht im Falle seines abendlichen Anrufers, Herrn K.

K. wollte, dass Walter sofort aufbricht und nach Halle fährt. Da das natürlich nicht möglich war, initiierte der skeptische Ufo-Forscher übers Telefon eine Aktion vor Ort. Zunächst schlug er vor, die Nachbarn zu alarmieren.

„Was dann folgte“, berichtete Walter später, „war ein aufregendes Schauspiel auf dem Niveau eines Radiohörspiels.“

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Herr K. und seine Frau machten sich mit eingeschaltetem Funktelefon zu den Nachbarn auf und lotsten sie ins heimische Wohnzimmer, um ihnen das Ufo zu zeigen. Walter bat die sechs Personen (Herr und Frau K., das Nachbars-Ehepaar und deren zwei Töchter), das Ufo zu verfolgen, um es weiterhin im Blick zu behalten. Die Beteiligten liefen zum VW-Bus des Herrn K. Mittlerweile zeigte die Uhr 22.15 Uhr.

Im Fahrzeug stieg die Spannung, „mittlerweile war kaum noch etwas zu verstehen“, erinnerte sich Walter. Die Fahrt ging durch hügeliges Gebiet, zeitweise verschwand das Ufo, doch es tauchte immer wieder auf – diffus, gleichmäßig zog es hin und her.

Fast eine halbe Stunde verging, bis das Team fast Halle erreicht hatte und eines der beiden Mädchen plötzlich rief:

Das ist doch die Disko, die haben da einen Strahler aufgebaut!“

Im Wageninnern machte sich Enttäuschung breit. Herr K. klang deutlich frustriert, erinnerte sich Werner Walter, als er via Funktelefon durchgab:

Ja, das ist nur ein Scheinwerfer. Gibt’s doch gar nicht, Sch…“

Und legte auf.

„Ufo-Jagd“ – das war für Walter eine „packende Detektivarbeit“, wie er 1996 im Vorwort zu seinem Buch „UFOs. Die Wahrheit“ schrieb.

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Am Ende entpuppten sich die Himmelsphänomene indes stets als Wetter- und Heißluftballone, beleuchtete Reklame-Zeppeline, Flugzeuge, Hubschrauber, Testflugkörper, Wolken, Vögel, Disko-Scheinwerfer, Satelliten, helle Sterne oder ähnliches.

Was mich persönlich bei allen „Ufo“-Meldungen nach wie vor wirklich verblüfft, ist eigentlich nur dieses: wie wenig der moderne Mensch sich mit ganz normalen Himmelserscheinungen auskennt“,

notierte er in einem Skeptiker-Bericht über die „Ufo-Meldestelle“.

Zur Beweislage in Sachen extraterrestrische Besucher erklärte er in dem Sammelband „Das Rätsel: Unbekannte Flugobjekte“:

Will mich jemand von außerirdischen Raumschiffen überzeugen, muss er mir einige sehr überzeugende Beweise vorlegen.

Ein solcher Beweis muss frei von Verzerrungen durch persönliche Motive oder kulturelle Erwartungen sein, frei von Übersteigerungen, Widersprüchen und Schwammigkeit.

Liegt ein solcher Beweis endlich einmal vor, dann will ich gerne meinen Skeptiker-Orden auf den Müllhaufen der Geschichte werfen.“

Freunde machte Walter sich damit nicht.

Werner Walter war nicht unstrittig, um das einmal sehr höflich auszudrücken“,

schreibt der Mystery-Autor Alexander Knörr in einem Nachruf.

Bei grenzwissenschaft-aktuell ist die Rede von …

… Deutschlands ebenso führendem wie aufgrund seiner verbalen Tiefschläge gegen die, die er kritisierte, umstrittensten UFO-Kritiker- und Skeptiker. Trotz oder gerade deswegen war Walter wahrscheinlich der von seinen eigenen Kritikern wie von den Medien meist zitierte UFOloge Deutschlands.“

Er selbst führte im Skeptiker dazu aus:

Für Ufo-Fans, die an echte, außerirdische Besucher glauben, bin ich seit Beginn meiner Beschäftigung ein rotes Tuch. Die Szene will und mag ganz und gar nicht, dass jemand ihre geliebte Sandburg zertrampelt.

Schade, aber Günstigeres kann ich nach über 35 Jahren Beschäftigung mit den scheinbar außerirdischen Besuchern nicht bescheinigen.

Ich tue dies als wissenschaftlicher Laie, der intensiv ehrenamtlich und unkommerziell sein halbes Leben dem sagenhaften Kupferkessel voller Geld am Ende des Regenbogens nachpirschte – und nur Katzengold in der alten Blechbüchse fand.

Manche jedoch veranstalten um diesselbe Büchse noch heute ihren Tanz um das goldene Kalb.“

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Nach diesem „Bekenntnis und Fazit“ wurde Werner Walter müde. In einem Interview mit der dpa sagte er:

Es waren also keine Außerirdischen am Werk?

Das sowieso nicht. Es gibt keine außerirdische Präsenz auf Erden. Die gibt es bloß im Fernsehen und im Kino – mehr oder weniger gut gemacht.“

Sind Sie Ufo-müde?

Meine Kollegen und ich haben uns aus dem Ufo-Thema zurückgezogen. Wir sind die ersten Ufologen weltweit, die den Hals dicke haben.“

Wieso das?

Das liegt ganz einfach daran, dass sich alles unendlich wiederholt, bloß in neuen Facetten. Und das ist langweilig.“

Sie sind also genervt von dem Thema, das Sie vorher so fasziniert hat?

Ganz genau. 40 Jahre lang, aber das ist erloschen, eben weil es keine neuen Facetten gibt, die interessant sind.“

Im März 2014 erlitt Werner Walter einen Schlaganfall. Seitdem lebte er in einem Pflegeheim in Mannheim. Seiner eigenen Deutung nach war seine schwere Erkrankung eine Folge von „Hass“ und „Ufologen-Terror“.

Werner Walter verstarb am 7. November 2016 im Alter von 59 Jahren.

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Seinen publizistischen Nachlass – die Ausgaben des von 1976 bis 2002 erschienenen skeptischen Ufo-Magazins Cenap Report – stellt die Seite ufo-information der Öffentlichkeit digitalisiert zur Verfügung. Eine Fotostrecke mit „Momentaufnahmen von Werner Walter“ hat CENAP heute veröffentlicht.

Hörenswert ist sein Interview mit Radio free FM zum Welt-Ufo-Tag 2013.

Ohne Werner Walter würde es unter anderem diesen Blog nicht geben. Mehr braucht man über seine Bedeutung und Inspiration für die Skeptiker-Szene kaum zu sagen.

 Zum Weiterlesen:

  • Die Ufo-Meldestelle, GWUP-Blog am 4. Mai 2013
  • UFOS sind tot, es leben IFOS, GWUP-Blog am 17. November 2012
  • Klingelt’s? Die Ufo-Hotline, Skeptiker 1/2005
  • Werner Walter im Gespräch, ufo-information am 7. Juli 2015

14 Kommentare

  1. Sehr schöner Nachruf und Abriss seiner Aktivitäten.
    Danke!

  2. Schade um Werner Walter. Den „Möbelverkäufer“, wie ihn sein langjähriger Erzrivale Michael Hesemann immer nannte.

    Ich kannte Werner noch aus seiner Zeit, als er ein sehr unkritischer Ufo-Gläubiger war, der an echte „Kontaktler“ glaubte.

    Ich konnte ihn nur mühsam davon abhalten, Trickfotos, die ich von „Ufos“ machte, zu veröffentlichen. Umso besser, dass er irgendwann die Kurve kriegte und skeptisch hinter die Kulissen der Ufo-Industrie blickte.

    Leider hat er sich viel zu lange in diesem unergiebigen Gebiet verrannt. Es gibt so viel Wichtigeres, was heute aufgeklärt werden muss, was eine viel größere Rolle für die Menschen spielt. Seit die Ufos aus den BILD-Schlagzeilen verschwanden, interessiert sich doch niemand mehr dafür.

    Hesemann wurde nach der Ufo-Welle zum Esoteriker und Papstbiografen. Da hätte es ein ausgiebiges Betätigungsfeld für Werner Walter gegeben. Aber auch so wird er mir als streitlustiger Aufklärer in Erinnerung bleiben…

  3. Danke für den Nachruf für Werner,
    stehe immer noch unter dem gestrigen Eindruck!

    Möchte nur festhalten, Werner eine Engelsgeduld mit der Tel-Hotline hatte, bis nach Jahren der Geduldsfaden riss und er sich gegen die vielen beleidigenden Anrufe sowie „Kommentare“ in Internet-Foren wehrte und gipfelte in einer perfiden YouTube-Verarsche der UFO-Melde-Hotline im Jahre 2013, dem Jahr in welchem er erkrankte, welche immer noch zu finden ist.

    Traurige Belege sind im CENAP-Archiv vorhanden.

    Möge er jetzt die Ruhe haben, die er sich wünschte.

    Hansjürgen Köhler/CENAP

  4. Was mich interessieren würde, ist wie genau der „“Hass” und “Ufologen-Terror”“ konkret aussah. Gibt es dazu Quellen?

  5. Werner hat durch sein Engagement, Tatkraft und Hartnäckigkeit sehr viel für die Seriöse UFO-Forschung beigetragen. Dafür müssen wir Ihm dankbar sein!

    Machst Gut Werner mögest du egal wo du bist weiter Forschen
    Josef Garcia

  6. Ich kannte ihn nicht persönlich – aber die traurige Nachricht hat mich stark berührt.

    „Seiner eigenen Deutung nach war seine schwere Erkrankung eine Folge von “Hass” und “Ufologen-Terror”.

    Dieser Aussage gibt mir sehr zu denken und macht seinen frühen Tod noch trauriger.

    Wieso müssen so oft die Guten und die, die etwas positiv bewegen, die Welt viel zu früh verlassen?

  7. Verdammt! 59 ist wirklich kein Alter zum sterben!

    Ja, der Kampf gegen den Ufoglauben, ist ein Kampf gegen Windmühlen…

    Wer wirklich glaubt, dem sind Fakten ein Gräuel, die den schönen Glauben zerstören können, das trifft aber auf jede Form des Glaubens zu.

  8. Du wirst uns fehlen. Ich weiß noch, dass ich es immer sehr unterhaltsam fand, wenn er von Ufo-Sichtungen erzählte. Sein Wissen war unglaublich umfangreich, obwohl man seine CENAP-Reports teilweise nicht lesen konnte;-) Stichwort Textwüste…aber so war Werner….We miss you,

  9. Gerade ist mir beim Aussortieren und Aufräumen ein 15 Jahre alter „FOCUS“ von 2002 in die Hände gefallen. Ich blättere ihn durch und entdecke ein Interview mit Werner Walter mit einem Foto, dass einen sehr gutgelaunten 45-jährigen Werner Walter zeigt – heute ist er leider im Himmel.

    Erschreckend.

    Traurig!

  10. @Pierre Castell:

    Ja, das ist es wirklich.

  11. @ crazyfrog
    Danke für den Link.

  12. @crazyfrog:

    Sogar mit Link auf den GWUP-Blog.

  13. Passend zum Todestag von Werner Walter, von unserem Kommentator Ralf Bülow:

    http://www.spiegel.de/einestages/ufologie-a-948811.html

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