gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Homöopathie: Das Ministerium windet sich, das INH hakt nach

| 13 Kommentare

Nach neun Wochen hat ein BMG-Referatsleiter auf den Offenen Brief des INH an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geantwortet.

Tenor: Der Schutzzaun um die „Besonderen Therapierichtungen“ wird unbeirrbar verteidigt.

grö

Das INH hakt nach – und der neue Blog Keine Ahnung von Garnix kommentiert das BMG-Schreiben Punkt für Punkt:

Offenbar ist immer noch nicht klar geworden, welche  potenzielle Patientengefährdung die Anwendung unwirksamer pseudowissenschaftlicher Methoden an gutgläubigen Menschen anrichten kann.

Die Hauptgefahr liegt selbstverständlich in der verspäteten Einleitung oder gar Unterlassung einer wirksamen evidenzbasierten Behandlung von Erkrankungen! Das allein sollte den Verantwortlichen längst zu denken gegeben haben.“

Zum Weiterlesen:

13 Kommentare

  1. einfache Frage an Hr. Gröhe.

    In Deutschland gibt es ein Patientenrechtegesetz, das für alle in der Heilkunde Tätigen gilt. Dieses besagt dass, auch der Hömöopath über evtl Alternativ-Therapie, also dhier dann evidenz-basierte Medizin, informieren muss.

    Streng genommmen muss der Homöopath sogar dem Patienten sagen, dass für eine homöopathische Behandlung keine über den den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung vorliegt, sonst macht er sich strafbar.

    Wie ist die Anwendung der Homöopathie dann mit dem Patientenrechte-Gesetz vereinbar?

    Also Herr Minister Dr. Gröhe (von Beruf Jurist): Entweder Umsetzen der Patientenrechte oder Abschaffung der Patientenrechte.
    Ich halte bei der Sturheit und Ignoranz der Politiker nur die Unvereinbarkeit der Homöopathie mit dem Patintenrechtegesetz als gangbaren Weg, auch wenn mir selbst die Juristerei zuwider ist.

  2. @ Dr.Rolf Emmert:

    „Wie ist die Anwendung der Homöopathie dann mit dem Patientenrechte-Gesetz vereinbar?“

    Ohne adäquate Aufklärung gar nicht. § 630e BGB ist ja recht eindeutig: „Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.“

    Aber welcher Patient wird seinen Homöopathen wegen einer Pflichtverletzung in diesem Punkt vor Gericht bringen? In der Regel werden sie sich in der Ablehnung der „schulmedizinischen“ Verfahren ja einig sein, deswegen die Auswahl des Behandlers.

  3. Der denkbar ungünstigste Zeitpunkt, um bei Herrn Gröhe Gehör zu finden. Wahlen stehen an. Wer wird sich da schon exponieren?

    @Joseph Kuhn

    „Aber welcher Patient wird seinen Homöopathen wegen einer Pflichtverletzung in diesem Punkt vor Gericht bringen?“

    Richtig. Niemand. Und wenn doch jemand seine Scham überwindet, dann gibt es keinerlei gerichtsverwertbare Standards. Also auch kein gerichtsverwertbares Gutachten.

    Wo kein Gutachten, da kein Urteil, geschweige denn Schmerzensgeld.

    Wer den Schaden hat, die/der solle sich schämen. So er/sie denn noch lebt.

  4. Neben der rein wissenschaftlichen Betrachtung der Pseudomedizin ist die juristische in der Tat sehr wichtig. Aus einem Beitrag aus meinem Blog, der sich auch mit diesem Aspekt befasst (bisher nur am Rande, demnächst ausführlicher):

    „Die Rechtsprechung stellt an Ärzte als “Ausübende der Heilkunde” die Anforderung, dem Patienten jederzeit die für ihn beste und nach neuestem Wissensstand wirksamste Therapie auszuwählen. Er kann sich nicht, so der Tenor des Bundesgerichtshofs, aus “Eigensinn oder Hochmut über gültige Regeln der medizinischen Wissenschaft hinwegsetzen, ohne vom Fortschritt der Wissenschaft Kenntnis zu nehmen”. Oft ist selbst ein wissenschaftlich ausgebildeter Arzt allein nicht in der Lage, diese Anforderung zu erfüllen. So kann logischerweise bereits eine unterlassene Überweisung an einen Facharzt als ärztlicher Fehler gewertet werden.

    Aber ein Heilpraktiker soll das können. In seinem Universum. Ohne Kontrolle. Mit Verfahren, die er nach seinem eigenen Gusto aussucht und anwendet. Einschließlich der Applizierung von Medikamenten. Was beispielsweise einem ausgebildeten Rettungsassistenten, der täglich mit Ärzten zusammenarbeitet, verboten ist.

    Zitat von Prof. Prokop, dem Altmeister der deutschen Gerichtsmedizin:

    ‚Wenn zum Beispiel darauf hingewiesen wird, es gebe für Ärzte einen höheren Voraussehbarkeitsgrad als für Heilpraktiker (wegen der umfassenderen wissenschaftlichen Ausbildung), also könne man letzteren nicht so schnell einen Schuldvorwurf machen wie etwa Ärzten, die den gleichen Fehler machen, so ergibt sich aus dieser Interpretation, dass es der Staat, der Personen zu solchen Praktiken ohne Auflagen zulässt, mit der Gesundheit seiner Bürger nicht ernst nimmt'“.

    (https://keineahnungvongarnix.com/2016/10/05/nachtrag-zu-zum-kuckuck-ein-aufschrei-aus-aktuellem-anlass-27-9-2016/)

    Dass das BMG nach diesen Maßstäben in der Tat den Patientenschutz nicht ernst nimmt, hat es in seiner „Antwort“ an das INH selbst deutlich verlautbart.

    Es ist manchmal zum Auswandern.

  5. @Udo Endruscheit

    Vielen Dank für diesen Beitrag!

    Aber wie gesagt: Es stehen Wahlen an. Und da kann man sich wirklich nicht mit solchen Marginalien befassen. Zumal es nicht nur Wählerstimmen, sondern zu allem Überfluss auch noch Steuereinnahmen kosten würde. Die Deutung von lustiger Scharlatanerie überlässt man gerne verantwortungsfreien Pausenclowns, die damit ebenfalls Umsätze generieren.

    Es ist wirklich zu manchmal zu Auswandern…

  6. @Dr. Bertelsen:

    << Die Deutung von lustiger Scharlatanerie überlässt man gerne verantwortungsfreien Pausenclowns, die damit ebenfalls Umsätze generieren. << Ihre Äußerungen reißen langsam jede Peinlichkeitsgrenze.

  7. @ Bernd Harder
    „Ihre Äußerungen reißen langsam jede Peinlichkeitsgrenze.“

    Endlich wird das mal klar und deutlich ausgesprochen!

  8. @ Bernd Harder:

    „Ihre Äußerungen reißen langsam jede Peinlichkeitsgrenze.“

    Langsam?

  9. @noch’n Flo:

    Wie gesagt: alles „sehr wohlwollend“ ausgedrückt …

  10. Der weiße Schaum vorm Mund kommt in diesem Fall wohl nicht vom Zähneputzen.

    Ich verstehe ja die Verärgerung und den Frust, den man bei diesem Thema bekommen kann. Blindwütiges um sich Schlagen hilft aber auf keinen Fall weiter.

  11. Wobei ich zur Ehrenrettung des Kollegen Bertelsen zugeben muss, dass ich hier im Blog (und auch anderswo im Internet) oftmals deutlich direkter und aggressiver in Diskussionen gehe (vor allem mit Esos und Trollen), als sonst im Alltag. Dies vor allem, damit ich meine Patienten nicht immer wieder meinen Frust über Pseudomediziner und andere Scharlatane spüren lassen muss.

    Meine Praxis ist zwar seit Jahren streng pseudomedizinfrei (und die entsprechenden „Hardcore-Patienten“ bin ich inzwischen losgeworden), aber dennoch kommen immer wieder Patienten mit irgendwelchen tollen Behandlungen, umwerfenden Diäten o.ä., von denen sie mich überzeugen wollen bzw. über die sie meine Meinung hören wollen. Da kann es manchmal auch durchaus kontraproduktiv sein, alles pauschal als Blödsinn abzutun – eben weil die Patienten oft sehr überzeugend klingende Anekdoten anbringen können.

    Und manches Mal ist es halt der beste Kompromiss, einen Patienten seine eigenen Erfahrungen machen zu lassen (sofern das Risiko dabei nicht zu gross ist).

    (Dies auch in Ergänzung zur Hirschhausen-Diskussion nebenan: https://blog.gwup.net/2016/10/01/wunder-wirken-wunder-wie-medizin-und-magie-uns-heilen-von-echart-von-hirschhausen, in der Dr. Bertelsen ja inzwischen ebenfalls verbal entgleiste.)

  12. Den Laien wundert es ohnehin, dass das Patientenrechtegesetz (bisher?) eine so geringe Rolle in der Homöopathiedebatte spielt. Für sich alleine genommen klingt es ja ziemlich eindeutig antipseudo – wäre da nicht der Binnenkonsens, der ja ebenfalls ein gültiges Gesetz ist.

    Kann man juristisch sauber belegen, dass die gesetzliche Duldung des Heilpraktikerunwesens i.V.m. dem Binnenkonsens zur Schädigung von Patient/inne/en entweder ursächlich beiträgt oder diese nicht hinreichend verhindert?

    Das würde u.a. erfordern, dass man heilpraktische von ärztlichen Behandlungsfehlern argumentativ trennen kann, etwa in dem Sinne, dass Ärzten eher Ermessensfehler im Rahmen wissenschaftlicher Standards unterlaufen, während Heilpraktiker die ihren eher aus Hybris oder ideologischen Gründen begehen und dafür vom Gesetz auch noch besser beschützt werden als richtige Ärzte.

    Keine Ahnung, ob man das fallweise oder generell oder beides darlegen muss. Sollte dieser Beweis geführt werden können, käme eine Verfassungsbeschwerde bzgl Art 2 GG in Betracht (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit). Im Passagierflugzeugabschussurteil hat das BVG nämlich bereits festgehalten, dass dem Staat aus diesem Artikel eine aktive Schutzaufgabe erwächst. Diese Aufgabe verletzt er m.E. durch Binnenkonsens und Heilpraktikerduldung und beeinträchtigt damit zumindest die persönlich davon betroffenen Bürger in ihren verfassungsmäßigen Rechten.

    Vielleicht ist das zu spitzfindig und vermutlich mache ich mir einfach nur die Welt schön. Gibt es unter den Skeptikern einen Verfassungsjuristen?

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.