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Skeptiker-Interview mit der Comic-Bloggerin Nadja Hermann: „Erzähl mir nix!“

| 3 Kommentare

In der aktuellen Heilpraktiker-Debatte hat irgendjemand einen drei Jahre alten Spiegel-Online-Artikel über „Deutschlands schwierigste Abschlusstests“ herausgekramt, zu denen auch die Heilpraktiker-Prüfung gehören soll.

Darüber gab es denn auch lebhafte Diskussionen, unter anderem bei Wissenschaft & Skeptizismus und Misharrrgh, der Facebook-Seite von Misha Anouk:

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Mittendrin tauchte auch ein Comic von erzaehlmirnix auf:

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 Wer aber verbirgt sich hinter den kleinen Strichmännchen?

Es ist die promovierte Verhaltenstherapeutin Dr. Nadja Hermann. Im neuen Skeptiker (3/2016) gibt es ein Interview mit der Comic-Bloggerin.

Ein Auszug:

Bei Diskussionen in den sozialen Medien mit Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern oder Homöopathie-Fans posten Skeptiker häufig Comicstrips von Ihnen, die sehr treffend die argumentative Situation auf den Punkt bringen und im konkreten Zusammenhang wie gerufen kommen. Deckt sich das mit Ihrer eigenen Intention – Argumentationshilfen zu geben?

Nadja Hermann: Für mich ist es eigentlich eher Psychohygiene. Wenn ein unlogisches Argument sich für einen guten Comic eignet, ist mir erst mal egal, um welches Thema es geht. Meine kleinen Geschichten drehen sich ja auch um Rechtspopulismus, psychische Erkrankungen, Politik oder Veganismus.

Die konkrete Problematik ist nicht so wichtig, es kommt eher auf die Argumentationsstruktur an. Manchmal mache ich auch Witze auf meine Kosten, wenn ich eine Sache zwar gut finde, aber zugeben muss, dass ein Argument dafür einfach doof ist.“

Sie lassen sich mithin von guten Gegenargumenten überzeugen. Und Ihre Leser beziehungsweise Leute, die mit Ihren Comics konfrontiert werden?

Ich gehe nicht mit der Erwartung ran, irgendwen von einer bestimmten Haltung zu überzeugen. Es überrascht mich jedes Mal, wie oft dann doch Leute sagen, dass sie über ein Argument nachgedacht oder sogar ihre Meinung zu einem Thema geändert hätten.“

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Könnte das generell ein Mittel für den Umgang mit Glaubenskriegern und Verschwörungstheoretikern im Netz sein: Humor plus den Spiegel vorhalten?

Ich glaube nicht, dass es erfolgversprechend ist, mit Verschwörungstheoretikern in Kommentarspalten zu diskutieren. Erfahrungsgemäß kommt Humor in der direkten Interaktion auch nicht gut an, was völlig verständlich ist, weil die Leute ohnehin permanent das Gefühl haben, zu wenig ernst genommen zu werden. Genau das ist ja das Problem, das sie wahrnehmen. Insofern bestärkt jeder Versuch, dem mit Humor zu begegnen, sie nur in dieser Wahrnehmung.“

Im Kern geht es in Ihren Geschichten um die charakteristische Wortwahl und Rhetorik antiwissenschaftlicher Rechtfertigung – die könnte man aber den Leuten doch vorhalten.

 Wenn ich ernsthaft mit einem Verschwörungstheoretiker reden würde, würde ich wohl gar nicht argumentieren, sondern mehr nachfragen und Gedankengänge zu Ende führen lassen. Also nein, ich glaube, meine Comics wären keine gute Gesprächsvorlage, wenn man ernsthaft irgendwen überzeugen will. Dafür sind sie zu schnippisch. Eine Überzeugung kann man nur ändern, wenn man das selbst will, und je mehr man Demütigung oder Gesichtsverlust fürchten muss, desto geringer ist die Bereitschaft dazu.“

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Als Gesprächsvorlage würden Sie die Erzaehlmirnix-Strips also nicht empfehlen. Und als Posting bei Kommentarschlachten?

 Wie gesagt, ich schreibe meine Comics so gut wie nie mit einem Gläschen Rotwein und klassischer Musik im Hintergrund, während ich denke: „Oh, hoffentlich werden diese wohlformulierten Panels während einer gesitteten Debatte in positiver Atmosphäre gepostet, um so viele Leute wie möglich von meiner wahrsten aller Meinungen zu überzeugen.“

Ich denke, wenn jemand durch eines meiner Comics seine Meinung ändert, dann aus eigener Initiative, weil er vielleicht generell etwas mit den Zeichnungen und dem Stil anfangen kann und dann beim Lesen eines Comics, das eine Gegenposition zu seiner Überzeugung vertritt, bereit ist, darüber nachzudenken, ob er etwas mit diesem Argument anfangen kann.

Aber ich denke, das geschieht fast immer in Ruhe und weil die Person selbst gerade Lust hat, sich damit zu beschäftigen, und nicht im Rahmen einer Diskussion oder wenn jemand einen Comic mit der Anmerkung „Siehste! Denk mal drüber nach (Vollidiot!)“ postet.“

Erzaehlmirnix-Comics finden sich neben dem gleichnamigen Blog auch bei Facebook und Twitter.

Darüber hinaus bloggt Nadja Hermann zum Thema Fettlogik überwinden. Sie hat die Bücher „Erzähl mir nix“ (Heyne, 2016) sowie „Fettlogik überwinden“ (Ullstein, 2016) geschrieben.

Das vollständige Interview ist im Skeptiker 3/2016 erschienen. Den Skeptiker gibt es in unserem Online-Shop, das epaper sowie einzelne Artikel bei United Kiosk.

3 Kommentare

  1. Wikimannia?

  2. Wow, das Fazit der Autorin finde ich super.
    Kein Wunder das es hier kaum diskutiert wird ;)

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