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Interview mit Anousch Mueller: Sollten wir uns den Besuch beim Heilpraktiker künftig sparen?

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Bei Edition F (ein digitales Lifestyle-Business-Magazin für Frauen) ist ein Interview mit Anousch Mueller zu ihrem „Unheilpraktiker“-Buch erschienen:

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Edition F: Auch im Bereich der Medizin gibt es die gesellschaftliche Tendenz, Dinge „von früher“ als besonders qualitätsvoll und erstrebenswert anzusehen, Stichwort Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Woher rührt das? Ist das so eine „Früher war alles besser’-Einstellung, die auch auf den Bereich Gesundheit übergreift?

Anousch Mueller: Ja, ich habe das Gefühl, die Leute hängen tatsächlich einer Art medizinischer Nostalgie an.

,Das benutzen die Leute schon seit tausenden von Jahren’, heißt es dann, aber: Was bedeutet das eigentlich? Wenn man das kritisch hinterfragt: Früher hatten die Leute eine Lebenserwartung von 30 Jahren, ein Großteil der Kinder sind vor dem ersten Geburtstag gestorben, die Menschen sind elend krepiert an Krankheiten, die sich heute wunderbar verhindern lassen.

In China ist man meines Wissens sehr froh, über eine moderne Schulmedizin zu verfügen, TCM läuft da eher so wellnessmäßig nebenher.

Wir sind historisch zu wenig gebildet. Die Versprechung ,Das haben schon unsere Vorfahren vor  Jahren gemacht’ ist eine Verheißung, ein Slogan, aber eigentlich eine ziemlich leere Worthülse. Da werden alte Zeiten beschworen, und da muss man wirklich sagen: Das sind Zeiten, in denen Not und Elend geherrscht haben, in denen eine Geburt ein Todesrisiko für Mutter und Kind darstellte.

Wenn ich heute richtig schlimme Kopf- oder Zahnschmerzen habe, dann kann ich ein Schmerzmittel nehmen und es geht mit sofort besser, und ich frage mich: Wie haben die armen Menschen das früher ohne ausgehalten? Das muss man sich mal bewusst machen.

Für mich ist das Zurückgreifen auf solche Prozeduren auch ein Wohlstandsphänomen: Wir sind hier so gut versorgt wie fast nirgendwo sonst auf der Welt. Vielleicht müsste man mal einen Geflüchteten fragen, der aus einem Kriegsgebiet kommt: Ich glaube, der ist ganz froh, wenn er hierher kommt und weiß, dass sein Kind hier schulmedizinisch versorgt und geimpft wird.

Das kann man sich ruhig ab und zu mal ins Bewusstsein rufen, das rückt die Dinge wieder ein bisschen zurecht.“

Zum Weiterlesen:

  • Sollten wir uns den Besuch beim Heilpraktiker künftig sparen? Gespräch mit einer Skeptikerin, editionf am 27. Juni 2016
  • Skeptiker-Interview mit Anousch Mueller, GWUP-Blog am 14. Juni 2016

2 Kommentare

  1. Ich denke diese “ medizinische Nostalgie“ ist nur ein Teil der Wahreit. Solange diese Leute damit Geld verdienen können,wird diese Szene existieren !!!

    Diese Szene der Hochstapler, Scharlatane und Möchtegernheiler kann man meiner Ansicht nach nur austrocknen, wenn man ihnen die Grundlage, also das „Geldverdienen“ nimmt.(Da hört selbst die hochgepriesene Menschenliebe bei diesen Auserwählten auf) Naive und leichtgläubige Menschen, die solche Methoden nutzen wollen und darauf reinfallen,gab und gibt es genügend.

    Immerhin glaubt wohl lt.Statistik jeder zweite Deutsche an Übersinnliches…Sachliche Überzeugungsarbeit ist da ehrenwert, aber letztlich schafft diese Gesellschaft diese Rahmenbedingungen für diese Heiler…

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