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Klimawandel: Das Netzwerk der Leugner – und der aktuelle Stand der Forschung

| 8 Kommentare

Mit dem

Netzwerk der Leugner“

in Sachen Klimawandel befasst sich spektrum.de:

Es gebe ein regelrechtes „Ökosystem der Einflussnahme“, sagt der Soziologe Justin Farrell von der Yale University. Ein Konglomerat von Dutzenden Lobbyorganisationen und so genannten Thinktanks verbreitet in den USA Desinformation und Zweifel über etablierte Erkenntnisse der Klimaforschung.

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„Die Methoden waren so effektiv, dass normale Amerikaner nicht mehr wissen, wem sie noch trauen können“, zitiert ihn die Washington Post. Das sei nun der wissenschaftliche Beweis, dass Firmen das Wissen der Öffentlichkeit über den Klimawandel verzerrt hätten, schrieb die Website ThinkProgress.org. Und Scientific American sprach sogar schon von „dark money“, also undurchsichtigen Geldströmen, mit denen die Szene finanziert werde.

Der Begriff wird in den USA sonst benutzt, wenn Firmen die Regeln der Wahlkampfspenden umgehen. Kein Wunder, dass die Politik in den USA bislang kaum effektive Maßnahmen zum Klimaschutz beschlossen hat.“

Zum Weltklimagipfel in Paris bringt Spiegel-Online das Erklärstück

Der Klimawandel – Endlich verständlich“

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Eine kurze Darstellung des Forschungsstands gibt es im gedruckten Spiegel (49/2015):

Seit der Industrialisierung hat sich der Gehalt von Kohlendioxid (CO2) in der Luft um gut 40 Prozent erhöht, weil der Mensch zunehmend Treibhausgase aus Verkehr, Kraftwerken, Fabriken und Heizungen freisetzt. Die Gase halten die Wärmestrahlung der Sonne in der Atmosphäre zurück.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die bodennahe Luft im weltweiten Durchschnitt um ein Grad erwärmt. Die zehn wärmsten Jahre seither wurden sämtlich von 1998 an gemessen, das vergangene Jahrzehnt war das wärmste seit Beginn der systematischen Messungen 1880.

Die Erwärmung zeitigt Folgen: Der Meeresspiegel steigt um rund drei Milliliter pro Jahr, das Meereis der Arktis schwindet, Gletscher und Inlandeise schrumpfen, Lebensräume von Pflanzen und Tieren verschieben sich. Das sind Fakten.

Jede seriöse Wissenschaft muss jedoch problematisieren, sie sucht nicht nach endgültigen Wahrheiten, sondern nach den eigenen Widersprüchen. Deshalb differenziert sie. Sie räumt ein, dass die vorliegenden Daten etwa über eine Erwärmung der Meere, die mehr als 90 Prozent aller Wärmeenergie der Sonne schlucken, noch nicht für exakte Aussagen reichen.

Sie gibt zu, dass das Zusammenspiel von Wasserdampf und Wolken, Strahlung und Gasen, die Wirkung von Partikeln in der Luft, dass dieses Zusammenspiel komplex und wenig verstanden ist.

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Sie räumt auch ein, dass sich die Frage nach dem genauen Grad der Erwärmung nicht befriedigend beantworten lässt, und gibt eine Art Korridor der Möglichkeiten. Aber diese Skepsis den eigenen Ergebnissen gegenüber lässt die Forscher doch glaubwürdiger erscheinen als alle Klimaskeptiker der USA zusammengenommen.

So weiß niemand ganz genau, um wie viel Grad sich die Luft auf der Erde erwärmen wird, selbst wenn der Ausstoß von Treibhausgasen stark reduziert wird. Der UNO-Klimarat gibt eine Spanne zwischen 1,5 und 4,5 Grad an. Simulationen mit Supercomputern haben ergeben, dass ein umgebremster Ausstoß von Treibhausgasen die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts im globalen Durchschnitt um rund 3,7 Grad erwärmen könnte. Vieles spricht dafür, dass dies eine gute Prognose ist.

Anders als die genaue Gradzahl ist klar, dass aus der Erwärmung in welchem Ausmaß auch immer erhebliche Umweltrisiken folgen, weshalb die Klimaforschung trotz ihrer Wissenslücken die Politik dringend zum Handeln auffordert.

Eis

Es drohen mehr Hitzewellen; der Anstieg der Meere dürfte jahrhundertelang weitergehen, selbst wenn jetzt radikal gegengesteuert würde. Gletscher, die auch als Trinkwasserspeicher dienen, könnten schmelzen. Die Ozeane drohen zu versauern mit allen Folgen für Meeresflora und -fauna, in den Tropen und in mittleren Breiten wie Deutschland könnte es mehr Extremniederschläge geben. Klimazonen könnten sich verschieben. In den Subtropen und angrenzenden Regionen wie am Mittelmeer könnte es deshalb häufiger Dürren geben.

Ist das alles sicher? Nein. Ist es möglich? Ja.

Reicht das Wissen, um das Klimathema so aufgeregt zu debattieren? Auch Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, langjähriger Berater des Kanzleramts, wiederholt stets, dass keine der Prognosen hundertprozentig sicher ist.

Er stellt aber gern eine rhetorische Frage: Wenn Sie wüssten, dass Ihr Flugzeug mit einer zehnprozentigen Wahrscheinlichkeit abstürzt: Würden Sie einsteigen?“

Zum Weiterlesen:

  • Klimawandel: Das Netzwerk der Leugner, spektrum am 2. Dezember 2015
  • „Klimalüge“ bei Psiram
  • „Zwischen Himmel und Eis“: Dokumentarfilm über Klimaforscher, GWUP-News am 26. November 2015
  • Weltuntergang als Tagesjob: Die Ballade von den traurigen Klimaforschern, GWUP-Blog am 23. November 2015
  • Klimawandel – Woher kommen die Zahlen? ARTE-Doku Teil 1 und 2
  • Fact, Not Opinion: Climate Change Is Happening and Is Caused by Human Activities, Huffington Post am 3. Dezember 2015
  • 2015 likely to be the warmest on record, 2011-2015 warmest five year period, Science Daily am 25. November 2015

8 Kommentare

  1. Ist Vince Ebert, dessen Aktionen hier gerne mal verlinkt und verbloggt werden, eigentlich immer noch ein „Klimaleugner“? Schade, dass selbst wissenschaftsinteressierte Menschen, die u.a. auch über Homöopathie aufklären, sich dem Kanon ihrer Thinktanks (in diesem Fall achgut.com) anschließen.

  2. Der Schellnhuber‘sche Vergleich mit dem Flugzeugabsturz hinkt. Ein Flugzeugabsturz bedeutet für die Beteiligten praktisch immer den sicheren Tod. Demgegenüber wäre mein Handeln im beschriebenen Fall (ich nehme den nächsten Flieger) üblicherweise ohne besonderen Konsequenzen (ich komme ein paar Stunden später an mein Ziel.

    Im Fall des Klimawandels ist die Sache – leider – nicht so trivial. Hier stehen auf der einen Seite computerbasierte Prognosen, die über Jahrzehnte in die Zukunft reichen und auf der anderen Seite mögliche Maßnahmen gegen deren Eintreten. Maßnahmen, die sehr wohl erhebliche Konsequenzen haben können, bei gleichzeitig unsicherer Wirksamkeit.

    Dass es in diesem Spannungsfeld unterschiedliche Einschätzungen und Meinungen darüber gibt, was wann zu tun sein könnte, finde ich nachvollziehbar.

  3. Mit gefällt Harald Leschs Vergleich besser: Eine Familie will ans andere Ufer eines vereisten Sees. Während ein Experte meint, das Eis sei nicht dick genug und zur Vorsicht mahnt, meint der andere, das Eis würde auf jeden Fall halten. Was würden Sie tun, wenn Sie der Vater wären?

    Ich sag ja immer, wir sind auf der Titanic unterwegs – mit Volldampf bei schlechter Sicht und in unsicheren Gewässern.

  4. @Alexxis: Du bist ja ein ganz schlauer! Nimmst einfach den nächsten Flieger und grinst Dir eins! Aber nur, bis Dir die nette Dame hinter dem Schalter sagt: „Ich muss Sie leider enttäuschen, Mr. Alexxis. Der nächste Flieger hat auch 10% Absturzwahrscheinlichkeit! Alle Flieger haben das jetzt, Mr. Alexxis!“

  5. Vince Ebert hat in der Tat leider ein Problem.

    Ich bin mal gespannt, wann er die „achgut“-Schwätzer durchschaut und bei ihm auch der Groschen fällt.

  6. @Michael Fischer
    Auch der Lesch Vergleich ist mir zu simpel. Was ich in besagtem Fall tue, hängt wie immer entschieden von den Rahmenbedingungen ab.

    Wenn ich mit meiner Familie auf dem Sonntagsspaziergang bin und mir überlege, aus Spaß die Abkürzung über den zugefrorenen See zu nehmen, würde ich in diesem Fall natürlich nie und nimmer aus Eis gehen.

    Wäre mir und meiner Familie eine Horde hungriger Grizzlybären auf den Fersen, könnte meine Entscheidung schon anders ausfallen. Ebenso, wenn auf der anderen Seite meine Mutter mit gebrochenen Beinen liegt und zu erfrieren droht, wenn ich ihr nicht zu Hilfe komme.

    Natürlich spielt auch die Größe und Tiefe des Sees und die vorhandenen Alternativen zu dessen Überquerung ein Rolle. Und, und und, …

    Was ich damit (und auch schon in meinem ersten Post) sagen will ist: Mit schablonenhaftem schwarz-weiß, gut-böse, falsch-richtig Denken können wir den Herausforderungen eines sich ändernden Klimas sicher nicht gerecht werden.

  7. @Alexxis: Und wie findest Du meinen Titanic-Vergleich?

  8. Interessanter Aspekt:

    „Nehmen wir den Pariser Klimavertrag ernst, ist die Wachstumsgesellschaft am Ende. Aber der Mensch ist nicht genügsam und niemand weiß, wie es ohne Wachstum gehen soll.“

    http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-02/klimawandel-abkommen-paris-wachstum-umweltschutz-konsum

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