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Homöopathie-Titelgeschichte im „Focus“, mit Natalie Grams und Edzard Ernst

| 9 Kommentare

Knapp zwei Jahre nach der letzten Focus-Titelgeschichte zum Thema „Homöopathie“ geht es auch heute wieder um die angeblich „heilende Kraft der Globuli“ (Nr. 33/2015).

Erfreulicherweise ist die kritische Tendenz von damals beibehalten worden.

Im Mittelpunkt des Artikels steht die ehemalige Homöopathin Dr. Natalie Grams, auch die Homöopathie-Gegner Marie Amrhein, Prof. Edzard Ernst und Prof. Jutta Hübner kommen darin zu Wort.

Die Focus-Autorin Susanne Kailitz schildert ihren „ersten Besuch bei einer Homöopathin“ und kommt ebenfalls zu einem negativen Urteil:

Würde meine Hausärztin mir eine Pille in die Hand drücken, aber nicht sagen, was es damit auf sich hat – ich würde fragen, ob sie spinnt.“

Demgegenüber breiten die Fans ihre üblichen unreflektierten Erfahrungsberichte aus, werden aber von den von den Focus-Redakteuren gebremst:

Für die wissenschaftliche Beurteilung des Nutzens von Homöopathie sind solche Einzelfälle freilich wertlos.“

Bezeichnend ist die Top 8 der homöopathischen Anwendungen, über die wir bereits hier berichtet haben: Von Erkältungen (Platz 1) bis hin zu Nervosität (Platz 8) handelt es sich dabei ausnahmslos um Beschwerden, die entweder

  • ohne Behandlung eine Woche dauern und mit Behandlung sieben Tage,
  • diffus (“Stärkung des Immunsystems”) sind
  • oder psychisch beeinflussbar (Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Magenbeschwerden) und somit prädestiniert für eine Placeboantwort.

Auch der Geschäftsführer der Deutschen Homöopathie Union (DHU) verheddert sich sauber in den kritischen Nachfragen des Münchner Nachrichtenmagazins, was die Studienlage zu der Nonsens-Methode angeht:

Es gibt auch viele placebokontrollierte Studien, die die Homöopathie stützen. Aber nicht immer passt ein solches Studiendesign zur täglichen Praxis. Wir haben uns in diesem Fall in Absprache mit Ärzten für einen pragmatischen Ansatz entschieden.“

Heißt: Was nicht passt, wird passend gemacht. Homöopathie sei eben …

… erlebte Wirksamkeit, eine Erfahrungsmedizin, erfahrungsgemäß wirksam.“

Das ist eine dreifach potenzierte wissenschaftliche Bankrotterklärung.

Dazu gibt’s die Online-Debatte „Glauben Sie, dass Homöopathie wirkt?“

Zum Weiterlesen:

  • Was ist dran an Homöopathie? Focus am 8. August 2015
  • Wenn Homöopathen ein Homöopathie-kritisches Buch rezensieren, wird’s lustig, GWUP-Blog am 6. August 2015
  • Und die Homöopathie hat doch recht, Gesundheits-Check am 7. August 2015
  • Einzeln betrachtet: Die Potenzierung von Homöopathika, There is no Spoon am 7. August 2015
  • Prof. Frass nimmt Stellung zu meiner Studienkritik, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 18. Juli 2015
  • „Studien interessieren mich nicht, ich weiß doch, dass die Homöopathie wirkt“, Homöopathie neu gedacht am 1. August 2015
  • Die Homöopathie-Aussteigerin Natalie Grams im „Stern“- Interview, GWUP-Blog am 24. Juli 2015
  • Alternativmedizin im „Focus“, GWUP-Blog am 16. September 2013
  • Leute, die Eroterik kommt! FSMoSophica am 7. August 2015
  • Society for Science-Based Medicine: Comment to FDA on homeopathic drug regulation, Science-Based Medicine am 6. August 2015
  • Is Homeopathy Unethical? Science-Based Medicine am 4. August 2015
  • Is there a role for homeopathy in cancer care? I think you know the answer to that question, Respectful Insolence am 3. August 2015
  • Homeopathy: from bad to worse to ‘Dr’ Andrew Wakefield, edzardernst am 3. August 2015
  • Another myth about homeopathy? edzardernst am 5. August 2015
  • And this is what homeopaths believe to be a good defence of homeopathy, edzardernst am 7. August 2015

9 Kommentare

  1. Schade, der überwiegend neutral bis kritisch gehaltene Artikel wird durch das Interview mit dem DHU Chef total entwertet. Die Recherche Arbeit wird damit aus meiner Sicht leider zunichte gemacht.

    Wenn das die Antwort auf ,heilt Sie uns wirklich‘ sein soll, dann Gute Nacht!

  2. @Natalie Grams:

    So pessimistisch würde ich das nicht sehen.

    Nach meinem Einruck wird Krauth recht offensichtlich als Profiteur der Szene vorgeführt, dem es um Kohle um jeden Preis geht.

    Das Interview dient aus Verlagssicht dazu, einen potenziellen Anzeigenkunden des Blattes mit der kritischen Titelgeschichte halbwegs zu versöhnen.

    Vermutlich vom Chefredakteur so angeordnet.

  3. Ja Bernd, ich schliesse mich der Kollegin Grams an,
    das verbleibende Grundbild ist leider positiv zugunsten der Hom.
    VG
    Dr. med. Benedikt Matenaer

  4. Gerade zufällig bei scilogs gefunden:

    2. August 2015 von Markus A. Dahlem in Allgemein
    „Die Techniker Krankenkasse hat nun eine Studie mit 44 550 Patienten mitfinanziert, die auf die Kosten durch zusätzliche homöopathische Behandlung schaute. Untersucht wurden die Krankheitsbilder Depression, Migräne, allergische Rhinitis, Asthma, atopischer Dermatitis und Spannungskopfschmerzen. Frühere Beobachtungen konnten nicht bestätigt werden, nämlich dass es zu Kosteneinsparungen durch den Einsatz von Homöopathie im Gesundheitssystem kommt. Im Gegenteil, die Kosten waren nach 18 Monaten in der Homöopathie-Gruppen höher als in den Kontrollgruppen. Allerdings war der Unterschied bei Migräne und Spannungskopfschmerzen weniger signifikant als bei den anderen Krankheiten.“

    der ganze Artikel, in dem es hauptsächlich um Migräne geht:
    http://www.scilogs.de/graue-substanz/diese-woche-migraenemittel-science-fiction/

  5. Die Leser-Debatte: „Glauben Sie, daß Homöopathie wirkt?“

    Was soll das? – Glauben als eine Form der Beweisführung ist wohl das unwissenschaftlichste, was es gibt… :-)

  6. @Ralf
    Ich glaube nicht, dass das eine Art der Beweisführung sein soll. Man will eben den Lesern die Möglichkeit geben, sich zu äußern. An und für sich eine wertlose (aus Sicht des Erkenntnisgewinns) Diskussion bzw. Meinungssammlung, vielleicht sogar im Sinne der Kritik schädlich, da natürlich wieder mehr oder minder glaubhafte Einzelfälle aufgetischt werden und auf der anderen Seite die Homöopathiekritiker zum Teil recht unsympathisch daherkommen.
    Bei Lesen/ Zuschauern kommt es eben gut an, wenn sie sich auch äußern dürfen,daher gobt es solche Kommentarfunktionen.

    … erlebte Wirksamkeit, eine Erfahrungsmedizin, erfahrungsgemäß wirksam.

    Ist das das, womit der Artikel schließt? Wenn ja, dann schließe ich mich Frau Grams‘ Meinung an, dass damit so ziemlich jede vorher genannte Kritik ziemlich zunichte gemacht wird.

  7. Es tut mir immer wieder leid, wenn ich solche Debatten mitverfolgen muss. Ich habe selbst gesehen, dass selbst die klassische Schulmedizin ihre Grenzen kennt. Aber genau an diesem Punkt tritt die Homöopathie ein und heilt die Menschen trotzdem. Egal ob man nun aus logischen oder finanziellen Gründen dafür oder dagegen ist. Fakt ist, dass es Menschen hilft und das ist was in meinen Augen zählt.

  8. @Reiner Kalff:

    Es tut uns immer wieder leid, wenn wir solche Kommentare bekommen, die zeigen, dass die Anwender von Homöopathie nicht willens oder in der Lage sind, ihr Tun kritisch zu reflektieren.

    1. Homöopathie heilt nicht:

    http://homoeopathie-neu-gedacht.blogspot.de/2015/07/warum-wissen-die-homoopathen-nicht-dass.html

    http://homoeopathie-neu-gedacht.blogspot.de/2015/06/aber-mir-haben-die-kugelchen-echt.html

    2. Der entscheidende Grund, warum man „gegen“ die Homöopathie sein muss, ist weder ein „logischer“ noch ein „finanzieller“ – sondern betrifft uns alle, auch Sie:

    < < Das Gefahrenpotenzial der Homöopathie liegt darin, dass sie unser wissenschaftlich-rationales Denken und Handeln untergräbt. Promovierte Ärzte bieten voller Überzeugung ein Verfahren an, das auf „geistartigen Heilkräften“ basiert: Welche Kriterien haben wir dann noch, um wahr von unwahr zu unterscheiden? Wenn man spezifische Wirkungen von Homöopathie, obwohl unmöglich, für möglich hält, verliert man die verlässlichen Kriterien, die uns die Naturgesetze, die Mathematik und die Logik vorgeben – wir verlieren damit die einzige, allgemeingültige und objektive Entscheidungsgrundlage. Wir müssen uns stattdessen auf subjektive Kriterien verlassen, auf unser Gefühl, auf das Hörensagen, auf unsere Erfahrung. Und damit werden wir manipulierbar. Wer an Homöopathie glaubt, kann kein übersinnliches Phänomen, keinen faulen Zauber, kein rhetorisches Blendwerk und keine Verschwörungstheorie argumentativ entkräften, weil er nicht sagen kann, warum die Homöopathie glaubwürdiger sein soll als jene Behauptungen. << https://blog.gwup.net/2012/12/23/die-homoopathie-luge-ein-interview-teil-2/

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