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Mythen-Dauerbrenner: Die verschwundenen Kinder bei IKEA

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Es ist wieder Mythenzeit.

Bei MDR Info gab’s heute drei Minuten Aufklärung über den Urban-Legends-Klassiker von den verschwundenen Kindern bei IKEA (Mediathek > 17.6. > 15-18 Uhr > 16.23 Uhr).

Hier ein Text dazu aus dem „Lexikon der Großstadtmythen“:

Eine Mutter streift mit ihrem fünfjährigen Sohn durch die Kinderabteilung des schwedischen Möbelhauses Ikea. Als sie einen Mitarbeiter um eine Auskunft bittet, lässt sie den jungen kurz aus den Augen.

Plötzlich ist der Kleine verschwunden. Panik bei der Mutter, Aufregung bei den anderen Kunden.

Der Abteilungsleiter lässt alle Ausgänge absperren, die Angestellten durchkämmen Verkaufsräume und Toiletten.

15 Minuten später findet man den Jungen. Er kauert verstört und mit teilweise abrasierten Haaren auf einem Klodeckel, hat einen anderen Anorak an und ist offenbar unter Drogen gesetzt worden.

Immer wieder müssen die Ikea-Geschäftsleitung und Polizei-Pressestellen besorgten Anrufern versichern, dass dieses horrible Drama nie passiert ist. Es handelt sich um eine lupenreine Großstadtsage.

Der US-Erzählforscher Jan Harold Brunvand kann sie bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen. Die Schauplätze sind mal Disney-Land, mal die Spielzeug-Kette „Toys R Us“ oder „Sam’s Club“, ein Tochterunternehmen des Wal-Mart-Konzerns. Oder aber marokkanische Märkte und algerische Basare.

Sogar im düsteren „Akte X“-Universum begegnet uns dieser Plot, und zwar in der Episode „Rotes Museum“.

Doch die Geschichte ist noch sehr viel älter.

Der Volkskundler Rolf Wilhelm Brednich von der Universität Göttingen hat eine Legende aus dem 17. Jahrhundert ausfindig gemacht, die fatale Ähnlichkeit mit dem Ikea-Grusical aufweist. Es geht darin um eine Taufgesellschaft, die so betrunken ist, dass sie nicht mitbekommt, wie bei der Schlittenfahrt von der Kirche zurück nach Hause der Täufling verloren geht.

Als man ihn wiederfindet, haben Krähen ihm die Augen ausgehackt.

Das klingt nach einem hoch moralischen Lehrstück – und sollte es wohl auch sein. Und eben diese Tatsache macht die Verschwindikus-Geschichte in verschiedenen Varianten unsterblich.“

Zum Weiterlesen:

  • Moderne Mythen, Skeptiker 1/2001
  • Die entführten, erfundenen Ikea-Kinder, Welt-Online am 13. Juli 2007
  • Kidnapping bei Ikea, Focus-Online am 15. Oktober 2009
  • Großstadtmythen: Geschichten mit Gruselfaktor, Focus-Online am 24. September 2011
  • Child Abduction: What a Way to Dye, snopes.com am 31. Mai 2015
  • „Game of 72“, das Kinder zum Verschwinden auffordert, ist nur ein Internet-Gerücht, GWUP-Blog am 12. Mai 2015
  • Mythos Katzenfänger? GWUP-Blog am 5. Februar 2014

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