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Sonderbare Erfahrungen an unheimlichen Orten: Spuk?

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Schon vor fünf Jahren haben wir uns hier darüber amüsiert, dass trotz der Aberhundert Fälle von „Übersinnlichem“, mit denen Dr. Dr. Walter von Lucadou in seinen Jahrzehnten als Parapsychologe konfrontiert worden sein will, nur die zwei immerselben Storys in den Medien kolportiert werden – nämlich der sprechende Wasserkessel und die telekinetische Kompassnadel.

Daran hat sich anscheinend nichts geändert.

Auch heute schreibt Welt-Online mal wieder über den …

… Kompass, der verrücktspielte, wenn eine ganze Familie sich auf ihn konzentrierte – da hatte ein außen an der Wohnung auf und ab fahrender Fahrstuhl die Nadel durcheinandergebracht.

Ein Wasserkessel, der spricht – das Freiburger Institut fand heraus, dass zwei Metallplatten auf dem Herd Radiowellen empfangen konnten. Der Kessel übertrug die Geräusche, wenn der Nachbar das Radio anhatte.“

Gähn.

Davon abgesehen, ist der Artikel über den englischen „Geisterforscher“ Roger Clarke aber ganz interessant:

Roger Clarke sieht in dem Gespensterglauben Ansätze einer Säkularreligion […]

Glaubt er überhaupt an Spuk?

„Vieles, was als Geistererscheinung wahrgenommen wird, ist etwas anderes“, sagt er. Tricks, gestörte Wahrnehmungen. Er hat keine Geister gesehen. „Mein Kopf glaubt nicht an sie“, sagt er und lächelt. Aber sein Gefühl sagt ihm etwas anderes.

Er hat mit so vielen Menschen gesprochen, die ihm gesagt haben, dass sie schreckliche Erfahrungen mit Geistern gemacht hätten. Das wären nicht irgendwelche Spinner. Das waren Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, Rechtsanwälte, Geschäftsleute.

So viele Zeugen. So viele eigene sonderbare Erfahrungen in unheimlichen Orten.“

Sonderbare Erfahrungen an unheimlichen Orten hat auch die Passauer Archäologin Dr. Lucia Moiné gemacht – und mit vielen Augenzeugen sprach sie ebenfalls.

Zusammen mit ihrem Mann Frederic organisiert sie „Spuknächte“ in alten Schlössern und ist Mitbegründerin von S.T.A.I.R., einem Verein, der sich …

… mit der Untersuchung von scheinbar paranormalen Phänomenen befasst“.

In ihrem Buch „Reise ins Unbekannte: Wahre Geistergeschichten aus dem deutschsprachigen Raum“ hat sie zahlreiche Erlebnisberichte zusammengetragen.

wg

Für den aktuellen Skeptiker (1/2015) sprachen wir mit ihr darüber.

Ein Auszug:

Ihr ladet zu „Spuknächten“ auf Schlössern in Bayern und Österreich ein, wo Ihr mit dem klassischen Ghosthunter-Equipment auf Geisterjagd geht. Bei diesen Veranstaltungen haben Gäste Dir ihre eigenen Geistergeschichten und von unheimlichen Begebenheiten erzählt.

 Ja, ich habe viele Leute getroffen, nicht nur bei den Spuknächten, die froh waren, mit jemandem über ihre Erlebnisse reden zu können.

Zum Teil trauen sie sich nicht einmal im Freundeskreis darauf zu sprechen zu kommen, weil sie Angst haben, ausgelacht oder für verrückt erklärt zu werden. Da ich selbst schon einiges an Seltsamem erlebt habe, kann ich mich gut in die Personen hineinfühlen.

Es tut den Betroffenen einfach gut, darüber zu sprechen, und auch zu erfahren, dass sie keineswegs allein mit solchen Erlebnissen sind.“

An der Aufrichtigkeit der Erzählenden gibt also es keinen Zweifel?

 Die Leute, die mir ihre Geschichten zugeschickt, persönlich erzählt oder telefonisch übermittelt haben, kamen mir zum großen Teil glaubhaft vor. Die Wenigen, die sich einen Scherz erlauben oder wichtig machen wollten, waren Ausnahmen, die kaum der Erwähnung wert sind.“

Aus welchem Grund wollten die Leute ihre Geschichten mal loswerden? Hofften sie auf eine plausible Erklärung dafür oder war ihnen letztendlich egal, was dahintersteckt?

Das kommt ganz auf die jeweilige Person an. Viele waren durchaus offen für rationale Erklärungen, auch wenn sie ihr Erlebnis zunächst als paranormal angesehen haben. Sie konnten sich das Erlebte eben einfach nicht erklären und griffen deshalb alternativ zum Übersinnlichen oder Paranormalen.

Bei den Phänomenen, die im Buch geschildert werden, gibt es meist auch nicht bloß eine einzige Ursache, sondern es handelt sich um ein Zusammenspiel verschiedener Aspekte, die von den Betroffenen aber aus Unwissenheit in die gleiche Richtung interpretiert wurden.

Natürlich gibt es aber auch Leute, die mit dem Erlebten eine feste Glaubensvorstellung verbinden. Ich finde, man sollte das respektieren, solange es niemandem schadet.“

Wie gehst Du mit beiden Gruppen von Betroffenen um?

 Wie gesagt, das hängt vom Einzelfall ab. Es gibt Menschen, die sich gegen rationale Erklärungsmodelle generell sträuben und sich persönlich beleidigt fühlen, wenn man auch nur versucht, in diese Richtung zu gehen.

Aber die Mehrheit der Erzähler war einer Diskussion des Erlebten gegenüber offen.

Klar gilt auch hier: Der Ton macht die Musik. Wenn man von Anfang an Vorurteile hat oder die Personen nicht ernst nimmt, verschließen sie sich natürlich und nehmen eine Abwehrhaltung ein.“

Bleiben wir mal bei den „Gläubigen“: Was bedeuten solche Erlebnisse für die Betroffenen, welche Interpretation geben sie Geistererscheinungen oder ähnlichen Begebenheiten?

 Für manche Menschen ist es ein Trost, wenn sie glauben, ein Zeichen von einem lieben Verstorbenen zu bekommen. Für sie ist das eine Art Bestätigung für ein Leben nach dem Tod.

Wenn es aber um, sagen wir mal, „unbekannte Geister“ geht – also zum Beispiel der klassische Hausgeist, der sich nach dem Einzug in ein neu erworbenes Haus bemerkbar macht –, ist es den Betroffenen durchaus unheimlich, was sie so erleben.

Sie empfinden es sogar als regelrecht bedrohlich.

Aber auch hier gibt es Menschen, die sich mit ihrem unsichtbaren Hausgenossen arrangiert haben und das Ganze vielleicht sogar als kleines Abenteuer sehen. Einige Berichterstatter hatten von Kindheit an immer wieder Erlebnisse, die sie als paranormal betrachten.

Diese Personen sehen ihre „Fähigkeiten“ zumeist als Fluch, nicht als besondere Gabe – wenngleich es da sicher auch andere Einstellungen dazu gibt.“

Du selbst bezeichnest Dich als „Schiege“.

 Ich habe schon einige Dinge erlebt, die ich nicht auf Anhieb erklären konnte, und kenne deshalb die Verlockung, diese als paranormal einzustufen. Außerdem bin ich ein halbwegs phantasiebegabter Mensch und anfällig für Pareidolie jeder Art. Ich kann mich also, was das betrifft, wunderbar in andere „Schafe“ hineinversetzen.

Durch meine langjährige Beschäftigung mit dem Thema – und vielleicht auch ein wenig durch meine akademische Ausbildung – ist es mir jedoch wichtig, Dinge zu hinterfragen und aktiv eine rationale Deutung zu suchen. Auch wenn das keineswegs immer sofort gelingt.“

Hast Du auch für die verschiedenen Erlebnisberichte in Deinem Buch, von „Geisterhaften Mitbewohnern“ bis hin zu „Tierischem Spuk“, Erklärungen?

Bei den Erzählungen in meinem Buch ist es im Nachhinein nahezu unmöglich, immer eine passende Erklärung zu finden. Dafür gibt es zu viele unbekannte Faktoren – wir waren eben nicht dabei. Und selbst dann, etwa bei Erlebnissen während einer Spuknacht, ist es oft noch schwierig.

Die Suche nach rationalen Erklärungen und eine gewisse Grundvernunft würde ich als „Ziegen“-Komponente sehen. Da ich aber weder starr das eine oder das andere bin, passe ich wohl eher in die Kategorie Schiege“.

In „Reise ins Unbekannte“ werden auch Prof. Wolfgang Hell vom GWUP-Wissenschaftsrat und Bartoschek/Waschkau mit ihrem Buch über die Geisterjäger-Szene zitiert.

Zum Weiterlesen:

  • Der Mann, der gern in Spukhäusern übernachtet, Welt-Online am 10. Juni 2015
  • Der immerselbe Quantenspuk des Dr. Walter von Lucadou, GWUP-Blog am 15. Dezember 2012
  • Traumberuf Parapsychologe, GWUP-Blog am 17. August 2010
  • Unfassbare Erscheinungen: Ein Gespräch mit Joe Nickell über Geister, Skeptiker 4/2008
  • Spuk-Schwarte: Vier Experten des GWUP-Wissenschaftsrats kommentieren das Buch „Die Geister-Akte“ von Jeff Belanger, Skeptiker 4/2008
  • Wolfgang Hell: Von Schafen und Ziegen – Der sechste Sinn und die unbewusste Wahrnehmung, Skeptiker 2/2010
  • „Ist da was?“ Unterwegs mit Geisterjägern, Skeptiker 4/2009
  • Geisterjäger zwischen Kalkofe-Parodie und Realsatire, GWUP-Blog am 17. März 2015
  • Sebastian Bartoschek/Alexa Waschkau: Ghosthunting – Auf Spurensuche im Jenseits. Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2013
  • Sebastian Bartoschek/Alexa Waschkau: Auf die Geister, fertig, los! MIZ 4/2013
  • Techno-Mystizismus: Warum der Sherlock-Holmes-Erfinder an Geister und Feen glaubte, GWUP-Blog am 20. August 2014
  • Die Geisterjäger, Süddeutsche am 5. Juli 2010
  • Lucia Moiné: Reise ins Unbekannte: Wahre Geistergeschichten aus dem deutschsprachigen Raum. CreateSpace Independent Publishing Platform, November 2014

4 Kommentare

  1. Lesenswert zum gleichen Thema ist auch:

    Richard Wiseman, Paranormality.

  2. Ein Wasserkessel, der spricht – das Freiburger Institut fand heraus, dass zwei Metallplatten auf dem Herd Radiowellen empfangen konnten. Der Kessel übertrug die Geräusche, wenn der Nachbar das Radio anhatte.

    Hä?? jetzt bin ich etwas verwirrt, was hat das mit dem Radio des Nachbarn zu tun?

    Wenn die Radiowellen empfangen werden können, was durchaus sein kann, dann bedarf es aber nicht Nachbars Radio …

    Nachbars Radio strahlt doch keine Radiowellen ab, sondern empfängt via Antenne auch nur diese und detektiert sie in einem Schwingkreis, auf jeden Fall kann man mit einem Wasserkessel nur höchstens Mittelwelle empfangen ;-)

  3. Das scheint ein Fehler des Artikels der Welt zu sein.
    Das habe ich an anderer Stelle gefunden und das ist auch richtig (nach meinem Verständnis und der Physik ;-))

    Allerdings kann er (Lucadou) nicht jedes Ereignis so leicht erklären. Gut im Gedächtnis geblieben ist ihm der Fall eines Mannes, der Stimmen aus seinem Wasserkessel vernahm, sobald er diesen auf den Herd stellte. Von Lucadou musste lange recherchieren, bis ihm auffiel, dass die Stimmen aus dem Wasserkessel eigentlich Stimmen aus einem Radio waren. Des Rätsels Lösung: Ein naher Mittelwellensender lies seinen Kessel als Empfänger fungieren, der Mann konnte mit seinem Teekessel Radio hören.

    https://brightsblog.wordpress.com/2010/08/18/parapsychologische-ghostbuster/

  4. @ trixi:

    Ja, aber wer’s kann, sollte den Originaltext lesen. Nicht der Sache wegen, sondern wegen der unnachahmlich trockenen Darreichungsform des Humors.

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