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Esoterisches Ärzte-Bashing, Mythen und die Erwiderungen 2

| 1 Kommentar

Fortsetzung von Teil 1

„Pharma-Büttel“, „Dogmatiker“, „Wissenschaftsgläubige“ …

Keine Wortwahl ist Pseudomedizinern und Esoterikern zu abgegriffen, um Kritiker zu bekritteln.

Die amerikanische Ärztin Harriet Hall (The SkepDoc, Science-Based Medicine) hat „44 Doctor-Bashing Arguments“ zusammengestellt und jeweils eine kurze Replik dazu verfasst.

Hier eine freie Übertragung der Erwiderungen:

Die Schulmedizin tötet zahllose Patienten.

Kritiker der evidenzbasierten Medizin zitieren hingebungsvoll Artikel über Nebenwirkungen, Behandlungsfehler, Krankenhauskeime, iatrogene Komplikationen, Pharmaskandale etc. Natürlich ist umgekehrt keine Rede davon, wie viele Menschen durch EbM gerettet werden.

Therapien und Arzneimittel, die wirken, haben auch Nebenwirkungen. Die eigentliche Frage gilt daher dem Nutzen-Risiko-Verhältnis. Und diese ist eindeutig zu beantworten: Es gibt keinen Beleg dafür, dass Pseudomedizin wirkt oder gar Leben rettet – wohl aber kann der Patient Schaden nehmen, wenn im Vertrauen auf Pseudomedizin eine wirksame Behandlung verzögert oder versäumt wird.

Krass formuliert: Eine Chemotherapie kann tödlich ausgehen. Eine “unkonventionelle“ Krebsbehandlung endet immer tödlich für den Patienten.“

Pharmaindustrie und Ärzten geht es nur ums Geld.

Dass Unternehmen mit ihren Produkten Geld verdienen, ist nichts Verwerfliches. Auch der Markt mit den Globuli ist ein Markt und die Hersteller verschenken ihre Kügelchen nicht. Die „Alternativmedizin“ ist ein profitabler und gut organisierter Teil der Arzneimittelbranche, der Werbespots schaltet, bezahlte Lobbyisten beschäftigt und mit vergleichsweise geringem Aufwand große Gewinne erzielt.

Ärzte wiederum müssen nach einer langen und teuren Ausbildung eine Praxis mit mehreren Angestellten wirtschaftlich betreiben und sind von unkalkulierbaren gesundheitspolitischen Entscheidungen betroffen, die jederzeit gravierende Einschnitte mit sich bringen können – was etwa für Heilpraktiker nicht gilt. Homöopathen bekommen ein- bis eineinhalbstündige Gespräche sogar von manchen Kassen vergütet. Davon können Ärzte nur träumen.

Und was ein niedergelassener Arzt zum Beispiel an dem angeblichen „Milliardengeschäft“ Impfungen verdient, kann man hier nachlesen.“

Die Skeptiker und Kritiker sind völlig vernagelt und unterdrücken Alternativen.

Wenn Homöopathie oder andere Pseudoverfahren tatsächlich wirken würden, dann wären die Pharmafirmen die ersten, die darauf anspringen. Immerhin könnten sie sich damit die langwierige und vor allem immens teure pharmakologische Forschung sparen und billigen Zucker teuer verkaufen. Und wäre es nicht viel klüger, neue Impfstoffe zu unterdrücken und stattdessen an den Krankheiten zu verdienen?

„Alternativmedizin“ ist definitiv das falsche Verschwörungsopfer. Das Bessere ist stets der Feind des Guten, und auch Skeptiker und ihnen nahe stehende Menschen werden krank. Warum also sollten die Skeptiker so kurzsichtig oder verbohrt sein, eine wirksame, effektive und kostengünstige Heilmethode zu verwerfen – wenn denn die Homöopathie und andere Methoden diese Eigenschaften tatsächlich hätten?

Skeptiker lehnen Pseudomedizin deswegen ab, weil diese nicht funktioniert. Alle diesbezüglichen Ansätze und Behauptungen haben sich als nicht stichhaltig herausgestellt.“

Die Schulmedizin behandelt nicht ganzheitlich.

Auch die evidenzbasierte Medizin sieht den Menschen als Einheit aus psychisch-sozialem und biologischem Wesen und behandelt somit „ganzheitlich“ – allerdings ohne daraus ein besonderes Etikett zu machen und als etwas Exklusives vor sich herzutragen. Teil der Standard-Anamnese ist auch die Familien- und Sozialgeschichte des Patienten, also Lebensstil, Arbeit, Stress, Bildung, Ernährung, sozioökonomischer Status und alles, was sich auf die Befindlichkeit auswirken könnte.

Wenn Alternativmediziner von „ganzheitlich“ sprechen, meinen sie eben nicht nur den Menschen als Einheit, sondern zugleich auch Methoden und Verfahren, für die es keinen Wirksamkeitsnachweis, ja nicht einmal ein plausibles Wirkprinzip gibt.“

Homöopathische Arneimittel sind so individuell für den Patienten ausgesucht, dass klinische Studien ungeeignet sind, um ihre Wirksamkeit zu beurteilen.

Pseudomediziner haben ein fast schizophren zu nennendes Verhältnis zu wissenschaftlichen Studien:

Scheinbar positive Daten werden begeistert aufgenommen, eindeutig negative aber mit dem Hinweis abgelehnt, es sei völlig egal, welches Ergebnis Studien hätten – man sehe doch jeden Tag, dass etwa Homöopathie funktioniere.

Das heißt: Keine Belege würden je genügen, um die Einstellung von Pseudomedizinern zu ändern.

Aber nicht nur aus diesem Grund ist die obige Behauptung bloß eine Ausrede. Studien lassen sich durchaus so gestalten, dass die individualisierte Therapie berücksichtigt wird.

Solche Untersuchungen sind sogar recht einfach, zum Beispiel:

Die individuell verschriebenen homöopathischen Präparate müssen bei der Hälfte der Patienten ohne deren Wissen und ohne Wissen der behandelnden Homöopathen mit gleich aussehenden unwirksamen Placebos vertauscht werden. Wäre die Behandlung damit trotzdem erfolgreich, entlarvte sich das Grundkonzept der Homöopathie als Phantasieprodukt, dessen praktische Wirksamkeit allein auf Placebo-Effekten beruht.

Genau diese und viele andere Versuche wurden gemacht – mit negativem Ausgang für die Homöopathie.“

Natürliche Heilmittel wie zum Beispiel Miracle Mineral Supplement oder Vitamine sind nicht patentierbar, deshalb hat Big Pharma kein Interesse daran und versucht, sie schlechtzumachen.

Das ist Unsinn. Die meisten neuen Medikamente basieren auf Naturstoffen. Sie kommen in der Natur vor, etwa in Pflanzen oder Tieren, sind mit Naturstoffen verwandt oder imitieren deren Wirkprinzip.

Ein Beispiel ist das Krebsmedikament Taxol, das natürlicherweise in der Pazifischen Eibe vorkommt. Oder der Wirkstoff Galantamin aus dem Kaukasischen Schneeglöckchen, der gegen Alzheimer-Demenz eingesetzt wird.

Naturstoffe sind in der Regel nicht patentierbar. Patente können nur für neue Ideen und Innovationen vergeben werden. Dies erreicht man aber schon durch geringfügige Veränderungen bei der synthetischen Herstellung beziehungsweise Nachbildung.“

Mein Arzt hat mich falsch behandelt, seitdem gehe ich zum Heilpraktiker oder Homöopathen.

Und wenn Sie sich eine Lebensmittelvergiftung zuziehen, hören Sie für immer auf zu essen? Natürlich gibt es auch schlechte Ärzte. Das ändert aber nichts daran, dass es sich bei der EbM um wissenschaftlich belegte und erprobte Verfahren handelt, die bei Ihnen möglicherweise falsch angewendet wurden oder für Sie nicht geeignet waren oder von denen Ihr Arzt noch nichts wusste oder die er für Ihre Erkrankung nicht in Erwägung gezogen hat.

Bei der „Alternativmedizin” haben wir es dagegen durchgängig mit unplausiblen, nicht belegten Phantasieverfahren zu tun, deren Grundlagen und Methodik schon falsch ist.

In der Homöopathie zum Beispiel ist viel von „sanft behandeln” die Rede. Aber vom völlig unsinnigen Prinzip, dass Ähnliches mit Ähnlichem geheilt werden soll, von Verdünnungen und Potenzen erfährt der Patient gar nichts.

Ärzte haben keine Zeit und hören nie zu und verschreiben das, was die Pharmaindustrie will.

„Rezeptblockmedizin“ gibt es wirklich in manchen Arztpraxen. Und in der Tat wird in unserem medizinischen Versorgungssystem viel zu wenig Wert auf eine ausführliche Anamnese mit ausführlichen Patientengesprächen gelegt – und die Pseudomedizin stilisiert sich mit dem Etikett „ganzheitlich“ bewusst als Alternative zu schlecht praktizierter Schulmedizin.

Die Frage bleibt aber: Ist es redlich, überwindbare Fehler der evidenzbasierten Medizin zu deren Wesen zu erklären und daraus die Überlegenheit der eigenen Methode abzuleiten? Die echte Medizin ist nicht perfekt. Ärzte machen Fehler. Pharmafirmen agieren grenzwertig. Das Gesundheitssystem ist verbesserungswürdig. Niemand bestreitet das.

Trotzdem warnt der englische Skeptiker Ben Goldacre: „Viele Menschen entwickeln eine kindische Haltung. Die Pharmaindustrie ist böse, also lasse ich mein Kind nicht impfen. Die Pharmaindustrie ist böse, deshalb nimm lieber Vitaminpillen oder geh zum Homöopathen. Nur weil Big Pharma böse ist, heißt das nicht, dass Zuckerpillen wirken.”

Über Galileo hat man früher auch gelacht.

Und über Bozo den Clown hat man auch gelacht – und ganz zu Recht.

In der Medizin sind zahllose abenteuerliche Ideen und Spekulationen genau dort gelandet, wo sie hingehörten, nämlich auf dem Kehrrichthaufen der Geschichte. Bei weitem nicht jede Ansicht, der heftig widersprochen wird, ist am Ende doch richtig.

Und wenn es so ist, dann setzt sie sich auch durch. Als zwei australische Mediziner Anfang der 1980er-Jahre erklärten, dass Magengeschwüre und Magenschleimhautentzündungen von einem Erreger verursacht werden, nahm das in der Fachwelt niemand ernst.

2005 erhielten sie für die Entdeckung des Magenbakteriums Helicobacter pylori den Nobelpreis, weil sie ihre Behauptung belegen konnten.“

Alternativmedizin spart Kosten.

Wasser ist auch billiger als Benzin – trotzdem kann man kein Auto damit betanken. Was nützt ein kostengünstiges Verfahren, das nicht funktioniert?

Außerdem ist die Behauptung, dass Alternativmedizin dem System Geld spart, sehr umstritten. Die wenigen Daten, die es zu den Kosteneffekten etwa der Homöopathie gibt, sind kaum untereinander vergleichbar und außerdem widersprüchlich.”

Nur 15 Prozent der Schulmedizin sind evidenzbasiert.

Oder vielleicht noch weniger? Oder vielleicht 40 Prozent, wie das GEO-Magazin schreibt?

Zum Anteil evidenzbasierter Leistungen im Gesundheitswesen gibt es unterschiedliche Angaben, die von zehn bis 100 Prozent reichen, je nach Design, Setting, Zielgrößen und Definition von Evidenz.

Außerdem ist es ein großer Unterschied, ob ein Verfahren zumindest plausibel und in der Anwendung bewährt und erfolgreich ist (wie z.B. verschiedene nicht getestete Verfahren in der Chirurgie) – oder völlig unplausibel, weil es Naturgesetzen widerspricht, wie etwa die Homöopathie.

Und selbst nur zehn Prozent Evidenz wären besser als die null Prozent Evidenz der Pseudomedizin.“

Zum Weiterlesen:

  • Defending Science-Based Medicine: 44 Doctor-Bashing Arguments … and Their Rebuttals, Skeptical Inquirer Volume 38.6, November/December 2014
  • Kontraproduktive Chemotherapie? Psiram am 7. August 2012
  • What’s the harm in alternative medicine?
  • Alternativmedizin“ und der Krebstod der „Wellness Warrior“, GWUP-Blog am 10. März 2015
  • Krebsforscher: Finger weg von „komplementären“ Verfahren, GWUP-Blog am 7. Januar 2015
  • Homöopathie: Das gute Geschäft mit den Kügelchen, Welt-Online am 10. Mai 2013
  • Geschäftsmodell Homöopathie: Kleine Kügelchen, großer Gewinn, Zeit-Online am 24. Juni 2010
  • Werden Sie Scharlatan! GWUP-Blog am 20. November 2011
  • Das Geschäft mit der Gesundheit, das Homöopathie-Manifest und die unhaltbaren Zustände des Kängurus, Gesundheits-Check am 21. Oktober 2012
  • Die absurde finanzielle Ungleichbehandlung von Ärzten und Heilpraktikern, GWUP-Blog am 18. Juli 2014
  • Kohle scheffeln durchs Impfen, kinderdok am 30. März 2014
  • Die Big-Haftpflicht-Verschwörung, Ratio-Blog am 28. Juli 2010
  • Komplementärmedizin: Und das soll helfen? ZeitWissen 4/2013
  • Die Homöopathie-Lüge: So gefährlich ist die Lehre von den weißen Kügelchen, Astrodicticum simplex am 13. November 2012
  • Homöopathie – das falsche Verschwörungsopfer, Evidenz-basierte Ansichten am 8. Januar 2011
  • Geschäftsgrundlage Unwissen, Kritisch gedacht am 18. Februar 2011
  • Ist Homöopathie wirkungslos? Natürlich, daran ändert auch Professor Robert Hahn nichts, GWUP-Blog am 10. April 2015
  • Nichts wirkt so gut wie Homöopathie, diaphanoskopie am 9. April 2015
  • Das Märchen vom “Kostendämpfer Homöopathie”, GWUP-Blog am 13. November 2012
  • Was ist Evidenz-basierte Medizin und was nicht? Münch. med. Wschr. 139
  • Wieviel Medizin ist evidenzbasiert? Psiram am 26. September 2011
  • The evidence for evidence-based medicine, veterinarywatch
  • How Much Modern Medicine is Evidence-Based, NeuroLogica am 19. November 2007

Ein Kommentar

  1. das sich die sogn. „Schlangenölmafia“ genauso wie
    „Kaffeefahrtveranstalter“ in einem möglichst undurchsichtigem
    Firmengeflecht verstecken wollen.

    Die ESO-Industriellen Unternehmer sind raffiniert, wenn es um ihr Geld geht. Wenn die Abzocke von einem Dritten organisiert wird, lassen sich die Betriebsausgaben wie Essen, Trinken, Hallenmiete und dto. Dienstleistungen pp. zu 100% absetzen (Finanzgericht Niedersachsen Az. 4 K 11.163/07).

    Das heisst: Ein Kaufmann, Verkäufer, der den Leuten eh schon teure Ware andreht, überlässt die komplette Organisation einer anderen Firma, die selbst anhand von Adresslisten die möglichen Teilnehmer anschreibt, den Saal und Organisation. Er kann 100% von seiner Steuer als Betriebsausgaben absetzen.

    Niemand hat etwas zu verschenken. Der Veranstalter will Ihr Geld!

    Die Veranstalter haben sich auf Hypochonder und Todkranke spezialisisiert.
    Die mucken nicht so schnell auf, nach dem Motto:
    „Mit meiner Krankheit bin ich erleuchtet“,
    für die ehemals zahlungskräftigen Leichen, spielt es keine Rolle,
    ob 2 oder 500 Komplementärtote im ESO-Ramschladenkeller liegen.

    Erleuchtete sorgen sich um ihre Gesundheit. So genannte Seminare, werden immer wieder von Betrügern dazu genutzt, den dollsten Dummbatz zu überhöhten Preisen an „Fraumann“ zu bringen.

    Sie sollen Betten, Rheumadecken, Magnetdecken,Trinkkuren, Badesalz, Decken, Reisen Einweihungen, Scheintitel usw. kaufen oder bestellen. die Waren sind häufig minderwertiger als im nächsten Sperrmüll, Flohmarkt oder 1€ Ramschladen.

    Sorgen und Ängste kranker Menschen um die Gesundheit werden geschickt ausgenutzt. Die Verkäufer gehen psychologisch und rhetorisch so geschickt vor, dass auch anfangs gesunde Teilnehmer infolge der massiv beeinflussenden Art der Präsentation bereit sind den größten Unfug ums Verrecken zu glauben und zu kaufen.

    Denken Sie mal an sich heisst nicht Anderes,
    als denken Sie an meinen Profit.

    Zum Beispiel wird ein Sack Betong zunächst für 1.000.- Euro
    angeboten und anschließend der Preis Schritt für Schritt – auf 499.-Euro gesenkt. Immer noch viel Geld, aber im Vergleich zum ursprünglichen Preis nur noch die Hälfte.
    Schämen Sie sich nicht, wenn sie merken,
    dass Sie von Quantenschaumschlägern eingeseift werden.

    Rufen Sie die Polizei, so können Sie den Abzockern das Handwerk legen.

    Freie Modifikation nach:
    http://www.pfiffige-senioren.de/kaffeefahrt.htm

    MfG. M.

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