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Homöopathie ist gutes Marketing, wirkt aber trotzdem nicht

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Was wir immer schon gesagt haben (zum Beispiel hier und hier und hier), bestätigt jetzt ein Werbefachmann:

Homöopathie ist nichts weiter als …

… ein Beispiel für gutes Marketing“,

heißt es in einem Marketing-Blog.

Heute hat die Homöopathie überzeugte Anhänger wie Gegner. Eine Wirkung kann über klassische Studien bisher nicht nachgewiesen werden; doch viele Millionen Menschen vertrauen allein in Deutschland diesem Heilverfahren […]

Ungeachtet der umstrittenen Wirksamkeit können wir mit Blick auf das Marketing festhalten: vielleicht nehmen sich Homöopathen mehr Zeit für ihre Patienten als die fünf Minuten ihrer Kollegen der klassischen Medizin (=Marketing), vielleicht ist die Zielgruppe für die sanftere Behandlungsphilosophie empfänglicher (= Marketing), vielleicht behandeln Homöopathen ihre Patienten wie Menschen und nicht wie „den Blinddarm auf Zimmer 5″ (= Marketing).“

Mag sein – aber auch das beste Marketing kann nicht dauerhaft Bullshit wie Gold aussehen lassen.

In den USA hat das gerade das „American Medical College of Homeopathy“ zu spüren bekommen. Die Nonsens-Schleuder in Phoenix ist pleite und muss dichtmachen.

In Deutschland schreibt der Südkurier zu einem Auftritt der Homöopathin Irene Schlingensiepen in Villingen:

Eine hohe Patientenzufriedenheit ist schön, kann aber schwerlich für die Wirksamkeit der Homöopathie stehen.“

Stimmt.

Und weil das wohl auch der Autorin Schlingensiepen („Homöopathie für Skeptiker“) dämmert, versteigt sich Koautor und Sohnemann Marc-Alexander Brysch zu absurder erkenntnistheoretischer Gedankenakrobatik:

Auf der Tagung „Science meets Homeopathy“ im Februar 2015 in Berlin nannte Marc-Alexander Brysch die Aufforderung an die Homöopathen, ihre Behauptungen zu belegen, eine diskreditierende Abkehr vom erkenntnistheoretischen Hintergrund aller modernen Wissenschaft, dem kritischen Rationalismus.

Wer aus dem Prinzip, man müsse kühne Theorien dahingehend untersuchen, wo man sich geirrt hat, ableitet, dass man denjenigen, der eine Hypothese aufstellt, auch nach Belegen für deren Richtigkeit frage, der habe seinen Popper nicht verstanden.“

Eine Erwiderung von Dr. Norbert Aust gibt’s bei Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie.

In Australien hat die Gesundheitsbehörde National Health and Medical Research Council (NHMRC) heute noch einmal bekräftigt, dass es keine Evidenz für die Effektivität einer homöopathischen Behandlung gibt.

Das geht aus einer Analyse von 225 Homöopathie-Studien hervor:

The review found no good quality, well-designed studies with enough participants to support the idea that homeopathy works better than a placebo, or causes health improvements equal to those of another treatment.“

Vice hebt zeitgleich zwar zu einer „vorsichtigen Verteidigung der Homöopathie-Fraktion“ an – kommt aber dennoch nicht umhin, die Schüttelmethode als „Unkraut unter den Pseudowissenschaften“ zu bezeichnen, die ihren Umsatz von zwei Milliarden Euro im Jahr mit „falschen Versprechungen“ erziele.

Mal sehen, wie lange die Homöopathie-Lobby diese Tatsachen noch mit Marketing verkleistern kann.

Zum Weiterlesen:

  • Homeopathy not effective for treating any condition, Australian report finds, The Guardian am 11. März 2015
  • NHMRC releases statement and advice on homeopathy, National Health and Medical Research Council am 11. März 2015
  • Another Review Finds Homeopathy Worthless, Science-Based Medicince am 11. März 2015
  • Eine (vorsichtige) Verteidigung der Homöopathie-Fraktion, Vice am 11. März 2015
  • Arizona homeopathy college bankrupt, closes doors, Phoenix Business Journal am 17. Februar 2015
  • Erkenntnistheorie auf Homöopathisch? Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 3. März 2015
  • Homöopathen werben wieder mit skurrilen Jubel-Umfragen, GWUP-Blog am 21. Oktober 2014
  • Umfrage-Sensation: 87 Prozent der Homöopathie-Fans finden Homöopathie gut, GWUP-Blog am 14. September 2014
  • Homöopathie: Nicht Globuli sind entscheidend, sondern ärztliche Zuwendung, GWUP-Blog am 18. Juli 2014
  • Allein unter Globulisten: Dr. Norbert Aust bei „Science meets Homeopathy“ in Berlin, GWUP-Blog am 23. Februar 2015
  • Irene Schlingensiepen und die homöopathische Scheinwelt, GWUP-Blog am 20. Dezember 2014
  • Eine üble Mogelpackung: „Homöopathie für Skeptiker“, GWUP-Blog am 6. April 2014
  • Beware of Homeopathy: Die Woche der Aufmerksamkeit geht wie üblich daneben, GWUP-Blog am 13. April 2014
  • Große Homöopathie-Studie: Hilft weder gegen Migräne noch gegen Asthma, FAZ am 9. April 2014
  • Hat Recht, wer heilt? GWUP-Blog am 2. August 2013
  • Ich glaube, alles wird gut: der Placebo-Effekt, futurezone am 10. März 2015

10 Kommentare

  1. Homöopathie verkauft auch ein Lebensgefühl und das ist sehr wichtig, wenn ich ein Produkt erfolgreich vermarkten will.

    Es soll besonders „sanft“ sein…man fühlt sich gut, denn man „vergiftet“ nicht seinen Körper mit „Chemie“.

    Man partizipiert an einer neuen Medizin, die die Zukunft sein wird.

    Hört sich esoterisch an und ist es auch ;-)

  2. Man stelle sich nur vor, in deinem Berufen wäre deine Arbeit dauernd kontrolliert und kritisiert. Undenkbar!
    Wenn ich extrem optimistisch bin, und hoffe das so ein Statement die staatlichen Stellen in De/Aut/Fr schaffen, die gesetzlichen Aussnahmen abgeschafft werden und der größte Teil der Kundschaft den Braten riecht…

    Was machen wir mit den Leuten die nun keine Einnahme-Quelle haben und für ernsthafte Arbeit nicht zu gebrauchen sind? Die Politiker-Posten verdoppeln?

    Vermutlich werden wirs nicht erfahren und können nur neidisch auf Australien blicken

  3. > Eine Erwiderung von Dr. Norbert Aust gibt’s bei Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie.

    … ist zwar auf meinem Blog erschienen, verfasst wurde dieser Artikel jedoch von Ute Parsch. Ehre, wem Ehre gebührt.

  4. @Ralf

    Das ist die Werbung doch im Allgemeinen, sie Übertreibt oft maßlos. Wenn es zB. um Kosmetika geht, wird auch sehr gerne mit „Neuen Formeln“ herumfabuliert und mit wichtig klingenden Fachbegriffen und vor allem auch mit Superlativen um sich geworfen.

  5. Das abschließende Statement der Australischen NHMRC ist nun auch draussen.
    http://www.nhmrc.gov.au/guidelines-publications/cam02
    Professor Edzard Ernst fasst das Statement der NHMRC kurz und knapp zusammen: „The final verdict on homeopathy: it’s a placebo“

  6. @nihil jie:

    Der Unterschied zwischen Werbung für unwirksame „Medikamente“ und für mehr oder minder unwirksame Kosmetika ist aber, dass niemand stirbt oder krank bleibt, nachdem er ein neues Kosmetikum verwendet – oder eben nicht verwendet – hat.

    Dass Werbung mit mehr oder weniger geschickten rhetorischen Figuren und semantischen Verschiebungen jongliert, dürfte ja nicht unbekannt sein – da ist die Werbung im Übrigen nicht alleine…

  7. Die Diskussion läuft schief, wenn sie sich auf den Topos der „Werbung“ kapriziert.

    Dort liegt das Problem nicht: nach § 5 Heilmittelwerbungsgesetz darf für homöopathische Arzneimittel, die nach dem Arzneimittelgesetz registriert oder von der Registrierung freigestellt sind, nicht mit Anwendungsgebieten geworben werden.

    Dies gilt sowohl für Werbung gegenüber Verbraucherkreisen, als auch gegenüber Fachkreisen. Dass da nichts ins Kraut schießt, wird nicht nur von Aufsichtsbehörden, sondern auch von Interessenverbänden und ihren Anwälten überwacht, die für jeden verfolgten Fall ordentliche Abmahngebühren einstreichen.

    Die Gleichbehandlung mit richtigen Arzneimitteln nach dem AMG hat wenigstens hier ihre gute Seite.

    Tatsächlich geht es um Imagewerbung und um die Propagierung von (Pseudo-) Inhaltsstoffen.

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