gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Bekenntnisse eines ehemaligen Klimawandel-Leugners

| 9 Kommentare

Der Weltklimarat hat seinen Sachstandsbericht vorgelegt.

Der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem sei erwiesen, sagte der Vorsitzende des Rates Pachauri. Der Klimawandel werde keinen „Teil der Welt unberührt lassen“,

schreibt die FAZ dazu – gleichwohl verschiedene Szenarien des Weltklimarates „extremen Unsicherheiten“ unterliegen.

Parallel dazu sind im Online-Portal der Canadian Science Writers‘ Association die „Bekenntnisse eines ehemaligen Klimawandel-Leugners“ erschienen.

Der Verfasser Kasra Hassani ist allerdings kein Klimaexperte, sondern Mikrobiologe und Immunologe.

Nichtsdestotrotz sind seine Ausführungen lesenswert, geben sie doch authentische Einblicke in die Denkweise von „Anti-Scientific Skeptics“, wie der Stockholmer Philosophie-Professor Sven Ove Hansson beim World Skeptics Congress 2012 die Pseudo-Skeptiker nannte.

Hassani beschreibt seinen Werdegang in mehreren Phasen: vom umweltbewegten Schüler zum überzeugten Verschwörungstheoretiker, der schließlich die Tür zu abwägender Vernunft und kritischem Denken findet.

Geboren im Iran und dort früh mit ökologischen Katastrophen wie Luftverschmutzung, illegaler Abholzung und Wüstenbildung konfrontiert, hielt Hassani Medienberichte über einen Klimawandel zunächst für ein Ablenkungsmanöver, welches Politikern und Wissenschaftlern wohl erlauben solle, reale Probleme wie die oben genannten weiterhin tatenlos zu ignorieren. („We have bigger problems“-Phase.)

Darin bestärkt wurde der heutige Science-Blogger durch das Buch „Welt in Angst“ von Michael Crichton, das sich mit der angeblichen Instrumentalisierung der Klimaforschung für politische und wirtschaftliche Interessen befasst.

Von dieser „It’s all a Conspiracy“-Haltung driftete Hassani in die „OK, it may be happening, but who knows if it’s our fault“Phase: Er akzeptierte zwar nach und nach die Beweise, dass sich die Erde erwärmt, bestritt aber weiterhin den anthropogenen Klimawandel, also den Einfluss des Menschen auf den Treihauseffekt.

Erst nach zwei weiteren längeren Zeitspannen („It’s not that important“-Phase und „Maybe I’m being in denial“-Phase) riss der „Climate Change Denialist“ die Betonwände seines Verschwörungsgebäudes nieder.

Dieser Abschnitt von Hassanis Aufsatz gleicht den Selbstaussagen einer „Chemtrail“-Szeneaussteigerin im Roentenbrille-Blog.

Irgendwann ging dem Mikrobiologen und Immunologen auf, dass er apodiktisch und phrasendreschend predigte, anstatt sachlich und argumentativ andere von der vermeintlichen „Klima-Lüge“ überzeugen zu wollen:

I was a denialist myself!“

Im Weiteren ging Hassani – derzeit Post-Doktorant an der Hannover Medical School in Deutschland – ganz pragmatisch vor: Er machte eine Liste mit allen seinen Fragen zu sämtlichen Aspekten des menschengemachten Klimawandels (wissenschaftlich, politisch, wirtschaftlich) und begab sich auf Recherche.

Mit dem Ergebnis:

Every myth in my head popped and floated away.“

Als Fazit schreibt Hassani:

Kein Mensch ist völlig unbefangen und frei von Vorurteilen und Wahrnehmungsverzerrungen.

Persönliche Umstände sowie soziale und politische Gegebenheiten können uns dazu verleiten, an einem Glauben bedingungslos festzuhalten oder uns in einen bestimmten Gedanken zu verrennen.

Es ist anstregend, sich aus solchen Befangenheiten zu befreien oder sich diese auch nur bewusst zu machen.

Aber es lohnt sich auf jeden Fall.“

Ein mutiges Statement in einer Zeit, da zunehmend Eindeutigkeiten gefragt sind, auch wenn diese falsch sind, und die fatale Sehnsucht nach unterkomplexen Antworten um sich greift.

Zum Weiterlesen:

  • Confessions of a Former Climate Change Denialist, sciencewriters am 28. Oktober 2014
  • Klimaschutz kostet nicht die Welt, planeterde am 3. November 2014
  • „Wir können nicht mehr bis 2013 warten“, FAZ am 2. November 2014
  • Ban drängt zum Handeln gegen Erderwärmung, FAZ am 2. November 2014
  • Beim Weltklimarat geht Alarm vor Genauigkeit, Spiegel-Online am 2. November 2014
  • Das Temperatur-Plateau und die Klimaverschwörung, GWUP-Blog am 23. August 2014
  • Artikelserie „Klimareise“ bei Astrodicticum simplex
  • Eine Chemtrail-Verschwörungstheoretikerin steigt aus – das Interview, Roentgenbrille am 30. März 2014

9 Kommentare

  1. Wenn ich nicht irre, war in eurer „Blogroll“ bis vor kurzem noch der Blog eines Journalistenkollektivs vertreten, die prominent ebensolche ‚Klimawandelleugner‘ sind – jetzt ist nur noch der Blog einer Einzelperson aus diesem Kollektiv verlinkt.

    Nicht dass man mit allem, was man so verlinkt zu 100% übereinstimmen müsste, mir geht es auch nicht um Gesinnungsschnüffelei oder einem „guilty by association“,aber ich finde, es riecht ein wenig nach peinlich berührtem Distinktionsgehabe, nun zwischen den ‚richtigen‘ Skeptikern und ‚Pseudo-Sekptikern‘ zu unterscheiden. Das läuft dann wirklich nur noch entlang der Grenze der jeweils eigenen Gesinnung.

    Man könnte sich stattdessen ja auch mal darüber Gedanken machen, was das mit einem zu tun hat, dass andere Leute, die man doof findet (weil sie z.B. den Klimawandel ‚leugnen‘) sich ebenso Skeptiker nennen; man könnte das also zum Anlaß nehmen, ganz skeptisch sich selbst gegenüber darüber nachzudenken, was das damit zu tun hat, Skeptizismus zum Prinzip zu erheben bzw. zu hypostasieren.

    Es hat auch einen üblen Beigeschmack, diese Leute ‚Leugner‘ zu nennen und damit die Assoziation mit Holocaustleugner zumindest in Kauf zu nehmen.

  2. @Abe:

    Der Autor nennt sich selbst „Leugner“ (Denialist) – das ist keine Bezeichnung von uns.

    Und über „Skeptiker vs. Pseudoskeptiker“ diskutieren wir nun auch nicht erst seit heute:

    https://blog.gwup.net/2013/07/18/skeptiker-und-pseudo-skeptiker/

  3. Aus der Tatsache, daß ein zu Verschwörungstheorien neigender Mensch nicht an den anthropogenen Klimawandel glaubt, und dann seine Meinung verändert hat, kann jetzt aber nicht geschlossen werden, daß alle Leugner Verschwörungsspinner sind.

  4. …da ich heute von (in einem anderen Thread) von „Stammtisch-Verschwörungs-Theorien redete, die „Klimalüge“ ist auf dem Weg zu einer „Stammtisch-VT“…natürlich ist es bequemer den „anthropogenen Klimawandel“ (bei Dieter abgeschrieben :-)) zu verleugnen, als zu erkennen, das die Ressourcen begrenzt sind und der Raubbau an der Natur nicht folgenlos bleibt.

    Schön ist auch die „Ölverschwörung“ (http://www.peak-oil.com/was-ist-peak-oil/abiotische-theorie/), wahrscheinlich hat sich die erdölfördernde Welt gegen uns verschworen, um den Ölpreis in die Höhe zu treiben.

    …also weiter munter die fossilen – sorry abiotischen – Brennstoffen in die Luft feuern, es wird schon alles gut gehen…

  5. Immer diese bösen Leugner, die.

    In der Tat: einen Klimawandel per se zu leugnen zeugt nicht gerade für hohes Bildungsniveau. Denn Klima _ist_ Wandel. Da gab und gibt es keine Statik, so sehr sich die konservative Fraktion dies wünschte. Schließlich laufen wir in Nordeuropa auf Gefilden herum, die noch gar nicht so lange her alle mit riesigem Eispanzer bedeckt waren. Wer einen „Klimawandel“ an sich leugnet, leugnet die Entwicklung der ganzen Erde. Nicht besonders schlau.

    Interessant wird die Sache natürlich, sobald sich die Positionen religiös zuspitzen: Da werden Endzeit-Szenarien an die Wand gemalt, gegen die die Zeugen Jehovas mit ihrem Harmageddon wie Waisenknaben erscheinen. Mit den Zeugen haben die weltlichen Theoretiker des Untergangs aber gemeinsam, dass der Jüngste Tag leider, leider auf sich warten lässt: Peak Oil war ja schon mal in den 1990er angekündigt, Waldsterben fand ja längst statt und es gibt keine Wälder mehr in Europa… usw. usf.

    Wird dieses Endzeitszenario, das natürlich eine der vielen möglichen Prognosen darstellt (mehr aber auch nicht) durch die Politik instrumentalisiert, ermuntert und gespeist, bedarf es keiner „Verschwörungstheorie“, sondern einfach nur eines simplen Fakten-Checks.

    Im Übrigen wurde die Wissenschaft bereits mehrmals als Feigenblatt für Politik herangezogen. Nicht immer kam Lobenswertes dabei heraus. Auch und gerade auf deutschem Boden. Leider ist das Gefüge komplexer als nur „Ich Klimalobbyist, du Truther“, vor allem: Zwischen diesen beiden Extremen gibt es zahlreiche Zwischenstufen. Derweil wird die Öffentlichkeit von Schwarzweiß und von Dogmatismus an beiden Seiten dominiert. Dann wird es hässlich – auch an beiden Seiten. Ich sage nur „Klimagate“ vor einigen Jahren.

    Ach im Übrigen, Klima-Prognosen für die nächsten 100 Jahren sind sowas von süß angesichts der Tatsache, dass nicht einmal eine Wetter-Prognose eine Woche im Voraus treffender ist als ein Münzwurf.

  6. @Dalek:

    << Ach im Übrigen, Klima-Prognosen für die nächsten 100 Jahren sind sowas von süß angesichts der Tatsache, dass nicht einmal eine Wetter-Prognose eine Woche im Voraus treffender ist als ein Münzwurf. << "Wetter" und "Klima" ist ein bisschen was anderes ...

  7. Zitat Dalek:

    Peak Oil war ja schon mal in den 1990er angekündigt

    Die Tatsache, das er damals nicht erreicht wurde, besagt aber nicht, daß es ihn nicht gibt…letztendlich ist das Erdöl eine begrenzte Ressource und daran kann niemand rütteln, außer man „erfindet“ Theorien, wie zb das „abiotische Öl“, das sich immer wieder neu bildet. Selbst, wenn das stimmen würde, dann würde das bedeuten, daß auch noch hunderte von Generationen nach uns die Erde und Umwelt weiter vergiften würden und das in einem „uneingeschränktem“ Umfang…
    Wir sollten vielmehr akzeptieren, daß unser Wohlstand nicht global machbar ist, dh wenn jeder Mensch auf der Welt unseren Wohlstand besitzen würde, dann wäre die Ressource „Erde“ schon längst aufgebraucht.
    Wir halten vieles für selbstverständlich, aber wir sollten (mMn) endlich die Wahrheit sehen…wir leben nicht mehr auf einem „Eiland“, das vollkommen souverän und abgeschottet auf der Welt existiert – nein, wir sind ein Teil davon…wir leben alle auf einer Welt !

  8. Noch eine Meinungsänderung:

    Changing opinions on climate change, from a CNN meteorologist

    http://edition.cnn.com/2016/08/24/opinions/chad-myers-climate-change-weather/

  9. @crazyfrog:

    Auch interessant:

    Michael Mann and the Climate Wars

    http://www.csiconference.org/interview-mann.html

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.