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Jack the Ripper identifiziert?

| 5 Kommentare

Zu „Jack the Ripper“ gibt es eine (schon ältere) Hoaxilla-Episode und eine aktuelle Diskussion in der Facebook-Gruppe „Wissenschaft und Skeptizismus“ also erklären wir das Thema mal für on-topic.

Der Autor und „Sessel-Detektiv“ Russell Edwards will anhand von DNA-Spuren auf einem alten Schal die Identität von „Jack the Ripper“ enthüllt haben.

Der Stoff weise Blutspuren des mutmaßlich vierten Ripper-Opfers Catharine Eddowes und winzige Spermareste des potenziellen Täters auf:

In einem neuen Buch (wie praktisch) nennt Edwards den Barbier Aaron Kosminski als Ripper.

Der britische Geschäftsmann sei sich seiner Sache „definitiv, kategorisch und absolut“ sicher, schreibt die Süddeutsche.

Das muss allerdings nichts heißen, denn solche Sprüche kennen wir zum Beispiel auch von der Kriminalschriftstellerin Patricia Cornwell, die vor zwölf Jahren den Maler Walter Sickert als Ripper outete.

Auch sie präsentierte eine DNA-Analyse und schrieb ein Buch, in dem „eine Menge Hochmut plus Sendungsbewusstsein“ zusammenflossen, wie ein Leser urteilte.

Bedeutsamer war indes, dass Cornwells Ausflug in die reale Forensik nach Einschätzung des Spurenkundlers Dr. Mark Benecke nur „Quatsch mit Soße“ zutage gefördert hatte.

Und Russell Edwards?

Portale wie io9 oder casebook machen bereits auf diverse Probleme seiner Beweisführung aufmerksam.

Und auch der Forensische Genetiker Cornelius Courts analysiert den Fall im Science-Blog blooDNAcid.

Courts weist darauf hin, dass der von Edwards bemühte finnische Molekularbiologe Dr. Jari Louhelainen durchaus nicht die „weltweit führende“ Kapazität ist, zu der er nun stilisiert wird, und dass bedeutsame Schritte seiner Analytik intransparent und daher für Experten nicht nachvollziehbar seien.

Möglicherweise entscheidend könnte die Tatsache sein, dass Louhelainen keine „Short Tandem Repeats” (STR) von dem Schal/Schultertuch extrahiert  hat, die fast allen DNA-Profilen der modernen Forensik zugrunde liegen sondern lediglich mitochondriale DNA (mtDNA).

Der Unterschied:

STR ermöglichen eine direkte Identifikation, allerdings nur, wenn man eine Vergleichsprobe des Spurenlegers (also in diesem Fall des „Ripper“-Verdächtigen Aaron Kosminski) hat.

Es existiert aber kein genetischer Fingerabdruck Kosminskis. Edwards konnte nur eine Nachfahrin von Kosminskis Schwester ausfindig machen.

Über sogenannte Matrilinien (Mutterfolge) führt offenbar eine mtDNA-Spur von Aaron Kosminski zu dieser ungenannt bleibenden Dame:

Eine Übereinstimmung von mtDNA wird in der forensischen Routine und im Gegensatz zu STR-Profilen [jedoch] nicht für eine eindeutige Zuordnung jenseits jeden Zweifels herangezogen“,

schreibt Courts.

Dafür sind die einzelnen mtDNA-Haplotypen nicht selten genug und zudem kommt jede mit dem Tatverdächtigen in mütterlicher Linie verwandte Person ebenfalls als Spurenleger in Betracht.“

Gänzlich verwerfen will der Genetiker vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn die Sache aber nicht.

Es sei …

… forensisch möglich und nicht unplausibel, dass hier entscheidende Belege für die Identität von Jack the Ripper vorgelegt worden sind“.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die vermeintliche Ripper-Identifizierung wohl eher eine Hypothese, die noch „deutlich besser belegt“ werden müsste.

Das US-Mythenportal snopes klassifiziert Russell Edwards Lösungsvorschlag für die 126 alte Mordserie vorerst als „undetermined“:

It still doesn’t definitively establish that Aaron Kosminski was Jack the Ripper; only that he had contact with one of the Ripper’s victims.
And as that victim, Catherine Eddowes, was believed to have engaged in casual prostitution, Kosminski might have left DNA traces on her clothing because he was a client of hers, not because he was her killer.“

Zum Weiterlesen:

  • Wurde Jack the Ripper endlich entlarvt? blooDNAcid am 8. September 2014
  • Has DNA Evidence Finally Solved the Jack the Ripper Case? casebook.org
  • Hoaxilla #14 – „Jack the Ripper“ vom 19. September 2010
  • Schal soll Rätsel um Jack the Ripper lösen, Süddeutsche am 8. September 2014
  • Jack the Ripper: Has notorious serial killer’s identity been revealed by new DNA evidence? The Independent am 7. September 2014
  • Jack the Ripper unmasked: How amateur sleuth used DNA breakthrough to identify Britain’s most notorious criminal 126 years after string of terrible murders, Mail-Online am 6. September 2014
  • „Wir haben Jack The Ripper entlarvt“, Welt-Online am 7. September 2014
  • Three Things To Keep In Mind About The Big Jack The Ripper „Reveal”, io9 am 7. September 2014
  • Jack the Ripper finally identified by DNA? Maybe, maybe not …, oregonlive am 6. September 2014
  • Beneckes Bücherschrank: Patricia Cornwell: Wer war Jack the Ripper?
  • Patricia Cornwell and Walter Sickert: A Primer, casebook.org
  • Why Each New Jack the Ripper Suspect Is Compelling, discovery.com am 9. September 2014

5 Kommentare

  1. Was wohl Dr. Mark Benecke dazu sagen würde?

  2. @Pierre Castell:

    Er teilt die Auffassung von blooDNAcid.

  3. Für eine Anklage ist das zu wenig.

  4. @ Herr Harder
    Ich hatte den Artikel gelesen, den Satz mit Dr. Benecke aber leider überlesen.

    Danke für Ihren Hinweis.

  5. @Pierre Castell:

    Zu dem aktuellen Buch hat er sich m.W. noch nicht öffentlich geäußert, kommt aber sicher bald.

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