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Homöopathische Vergangenheitsbewältigung

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Schon vor 13 Jahren schrieb die damalige Redaktionsleiterin Dr. Andrea Kamphuis im Skeptiker (2/2001) über das Thema

Alternativmedizinische Forschungsprojekte und Menschenversuche im Dritten Reich.“

Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung schickte die Firma Madaus eine Abmahnung sowie die Aufforderung zu einer Unterlassungserklärung, nachzulesen hier und hier.

Heft und Artikel erschienen trotzdem, allerdings mit erheblicher Verspätung, und die ganze Angelegenheit stellte Kamphuis, die Skeptiker-Redaktion und den GWUP-Vorstand vor nicht alltägliche Herausforderungen.

Vor vier Jahren berichtete Spiegel-Online über den „Donner-Report“, eine Zusammenfassung von Berichten über Studienarbeiten und Überprüfungen zur Homöopathie aus der Zeit des Nationalsozialismus, der zu einem desaströsen Ergebnis für die Homöopathen kommt.

Die Arbeit kann im Volltext online eingesehen werden.

Von den Homöopathen selbst und ihren Lobbyverbänden war dagegen wenig über die NS-Zeit zu hören.

Jetzt ist im Deutschen Ärzteblatt der Beitrag „Homöopathie und Nationalsozialismus: Letztendlich keine Aufwertung der Homöopathie“ erschienen.

Allerdings kann darin der Medizinhistoriker und Homöopathiefreund Robert Jütte nicht widerstehen, den Donner-Report zu relativieren, und zwar ausgerechnet mit einem Zitat des „Geistersehers“ Harald Walach, der davor warnt, allein auf der Grundlage des Berichts von Fritz Donner …

… das Kind mit dem Bade auszuschütten und alle homöopathischen Effekte als Placebo-Effekte zu verstehen“.

Wieso „allein“? Und was für ein „Kind“? Und was für „homöopathische Effekte“?

Alle ernstzunehmenden Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Homöopathie ausgewachsener Unsinn ist und keine Effekte über Placebo hinaus festzustellen sind.

Aber vielleicht können die Homöopathen jetzt, nach der „Vergangenheitsbewältigung“, sich endlich an der Gegenwartsbewältigung versuchen und die absurden Grundlagen ihrer Methode mal auf den Prüfstand stellen.

Zum Weiterlesen:

  • Sonnenhut in Buchenwald, Skeptiker 2/2001
  • Sonnenhut in Buchenwald – Ergänzungen zum Skeptiker-Artikel
  • Madaus im „Dritten Reich“: Verunglimpfung oder Aufklärung? GWUP-News am 21. August 2001
  • Homöopathie und Nationalsozialismus: Letztendlich keine Aufwertung der Homöopathie, Dtsch Arztebl 2014; 111(8): A-304 / B-263 / C-251
  • EUH: Homöopathie ist RATIONALE Heilkunst, besser als Medizin, basta! Ratgeber-News-Blog am 15. Februar 2014
  • Frühe Homöopathie-Studie: „Wir können doch gar nicht, was wir behaupten“, Spiegel-Online am 14. Juli 2010
  • Der Donner-Report – Das Desaster der Homöopathie im Dritten Reich, GWUP-Infos
  • Donner-Bericht zur Homöopathie bei Psiram
  • Der Donner-Bericht im Volltext, Vereniging tegen de Kwakzalverij am 6. Februar 2008
  • Träume eines Geistersehers, Gesundheits-Check am 2. Februar 2014
  • Homöopathie: Hahnemanns Miasmentheorie – Krätze-, Sex- und Sündenwahn! Ratgeber-News-Blog am 18. Februar 2014
  • Neue Infos aus Traunstein zu Lehrkörper und Studium, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 10. Februar 2014

6 Kommentare

  1. Eigentlich ist Homöopathie Glauben, vielleicht schon gar eine Religion?
    Es ist schon interessant, daß eine Gesellschaft, die scheinbar „atheistisch“ ist, einer solchen Pseudo-Religion huldigt.
    Die Globuli sind wie Weihwasser, die daran glauben, denen wirkt es „Wunder“…

  2. Die hiesige Gesellschaft ist noch nicht mal ansatzweise atheistisch oder „atheistisch“, nicht mal laizistisch. Leider.

  3. Nein Religion ist die Homöopathie nicht. Wenn dann ist es Magie. Da Magie beabsichtigt etwas zu ändern im Gegensatz zur passiven Religion

  4. @ Schlomo
    Religion ist passiv?

  5. Perfektes Timing ;-) Lese gerade von Singh/Ernst. Gesund ohne Pillen* in dem ja auch der Donner-Bericht erwähnt wird. Klasse, dass ich ihn jetzt gleich ohne langes Gesuche lesen kann.

    *Hätte nicht gadacht, dass das doch noch so erhellend sein wuerde, wirklich empfehlenswert.

  6. Wenn Herr Professor Jütte keine Skrupel hat, seine abgelegten Meinungen zum Donner-Report mehrfach zu verwerten, dann muss ich wohl auch keine haben:

    Jütte versucht so, die radioaktive Strahlung aus dieser Kernschmelze der Homöopathie mit einem Beton-Sarkophag abzuschirmen.

    Souverän werden die außerordentliche Detailfülle, die intime Sachkenntnis (Donner war Autor von ca. 80 homöopathischen Arbeiten) und die zahlreich angeführten Belege aus der Literatur (er war geradezu „der Quellenforscher par excellence“[15] und „das wandelnde homöopathische Lexikon“[28]) unterschlagen.

    Es ist überhaupt kein Grund erkennbar, an der Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit Donners zu zweifeln, und nichts deutet auf seine Böswilligkeit hin: es handele sich nur um eine „kurze und alles Peinliche weglassende Arbeit“, die versucht, „in ganz milder Form die in Wunschträumen lebenden homöopathischen Kollegen an Hand meiner Erlebnisse auf die rauhe Wirklichkeit hinzuweisen“ (Brief an Schoeler).

    Schließlich hat er auch darauf verzichtet und die Arbeit ganz zurückgezogen. Aus heutiger Sicht: hätte er alles Peinliche weggelassen, hätte er gar keinen Bericht schreiben können. Auch sind die Gegner der Homöopathie noch ein bisschen unverschämter als dargestellt: sie sehen in dem Bericht nicht den fehlenden Wirkungsnachweis, sondern den Nachweis der fehlenden Wirkung, was bekanntlich nicht dasselbe ist.

    http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2012/10/11/pluralismus-in-der-medizin/

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