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Astronomische Summen: „Psychics“ werden zur Plage

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„Mona Luisa“ lässt nicht locker.

Die „Große Dame der Wahrsagung“ kündigt mir heute per E-Mail wieder „zwei große Neuigkeiten“ an.

Leider werde ich wohl dumm sterben, denn der entsprechende Link führt ins Nichts.

Gut, dann müssen wir eben selbst zwei Neuigkeiten suchen:

  1. Das Video der “Nachtcafé”-Sendung „Der Blick in die Zukunft“ ist jetzt online, und zwar hier.
  2. Michael Kunkel, der die „Prognosenrückschau 2013“ erstellt hat, ist schon wieder fleißig beim Sammeln.

In seinem Wahrsagerchecks-Blog analysiert Kunkel die astrologischen/übersinnlichen Vorhersagen für 2014 des Online-Magazins Loop, der ägyptischen Wahrsagerin Joy Ayyad, der Sternseherin Elizabeth Teissier und des Palmblattdeuters Thomas Ritter.

So schnell wird dem Mathematiker und GWUP-Mitglied die Arbeit wohl nicht ausgehen, wie auch ein Jahresrückblick über die Landesgrenzen hinaus zeigt.

Vor allem „Financial psychics“ beziehungsweise die „financial intuitive consultancy industry“ boomt, schreibt das Online-Portal Business Insider. Die Branche sei zwischen 2007 und 2012 jährlich um zwei Prozent gewachsen und setze in den USA mehr als zwei Milliarden Dollar um.

Auch bei den Stars und Sternchen gehört der Hellseher zu den „Must-Have Advisors“, ergänzt The Hollywood Reporter.

Echte paranormale Fähigkeiten haben die „Psychics“ indes auch im zu Ende gehenden Jahr nicht unter Beweis gestellt, wie ihr Versagen bei zahlreichen Vermisstenfällen zeigte, zum Beispiel:

  • Family outraged by psychic’s claims (3news)
  • Volunteers search lake shoreline for missing teen (The Santa Clarita Valley Signal)
  • No body found in Isle of Wight park (Daily Press)
  • Missing Pennsylvania woman reappears 11 years later in Florida Keys (CNN)
  • Bones found in Harriman State Park ’not human‘; search for Eugene Palmer continues (lohud.com)

Dafür richteten die „Übersinnlichen“ reales Unheil an:

Der Schauspieler Frankie Muniz erlitt im November einen (zweiten) leichten Schlaganfall, nachdem ein „Psychic“ ihm prophezeit hatte, dass er mit 27 Jahren sterben würde.

Muniz konnte am 5. Dezember seinen 28. Geburtstag feiern – überaus „happy“, wie er in einem Interview sagte, aber zugleich mit einer …

… obvious nervous energy when talking about the prediction of his death.“

Natürlich können wir keinen Beweis führen, dass Munitz zweiter Schlaganfall durch die törichte „Prophezeizung“ und den Nocebo-Effekt mit ausgelöst worden ist, im Sinne einer self-fulfilling prophecy.

Nichtsdestotrotz ist der Doubtful News uneingeschränkt beizupflichten, die über diesen Fall schrieb:

What’s the harm in dabbling with psychics? They can freak you out and give you unwarranted anxiety. It is unethical to tell someone they will die thanks to your unprovable nonsense “knowledge”.

Andere Kunden von „Psychics“ haben sehr viel Geld an die Betrüger verloren, und zwar bis zu zwei Millionen Dollar:

  • Woman gave $2M to S. Florida ‚psychic‘ who falsely accused Lohan of assault (SunSentinel)
  • Tarzana psychic, husband facing fraud charges after convincing man he had a ‚love curse‘ (Los Angeles Daily News)
  • Victorians being fleeced in scams by pretend psychics (Herald Sun)
  • Florida woman jailed in ‚psychic scam,‘ accused of bilking Sunnyvale woman (San Jose Mercury News)
  • San Bernardino County Psychic Charged With Embezzlement (CBS Los Angeles)

Auch in Russland steigen ganze Banden in das lukrative Geschäft mit dem Übersinnlichen ein:

  • In Moskau hat die Polizei einen „Psychic Ring“ zerschlagen, der umgerechnet mehr als sechs Millionen Dollar mit vorgeblich paranormalen Dienstleistungen ergaunert hat.
  • Eine andere Gruppe von „Psychics“ knöpfte einer 75-Jährigen ihre gesamten Ersparnisse (20 000 Dollar) ab – und wanderte dafür immerhin zehn Jahre in den Knast.

In den Vereinigten Staaten wurde die Justiz ebenfalls in Sachen „Psychics“ aktiv:

Die Wahrsagerin Sylvia Mitchell wurde wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, ebenso wie die Hellseherin Rose Marks und Teile ihres Familien-Clans.

Und was sagt die „Psychic Access“ (eine Art Standesorganisation der Obskuranten) zu diesen und vielen anderen Fällen?

Natürlich den üblichen Nonsens: dass nur „seriöse“ Psychics den Kunden vor bösen Überraschungen schützen könnten.

Har har …

Unfassbarerweise argumentiert hier in Deutschland der WDR genauso, nämlich in einem aktuellen Artikel über das Jahreshoroskop 2014:

Es gibt unseriöse Anbieter, die […] unangemessen hohe Rechnungen stellen. Wer unsicher ist, sollte sich an den Deutschen Astrologen-Verband wenden.”

Ja nee ist klar.

Und wer einen seriösen Hütchenspieler sucht, sollte einfach mal nett beim Deutschen Hütchenspieler-Verband anfragen.

Außerdem dürften hohe Rechnungen nun eher das geringere Problem mit der „Dienstleistung“ Astrologie sein.

Hierzu sei nochmal an unsere Serie erinnert:

  • Sind Hellseher sympathisch? GWUP-Blog am 30. September 2012
  • Sind Hellseher seriös? GWUP-Blog am 1. Oktober 2012
  • Sind Hellseher anerkannt? GWUP-Blog am 2. Oktober 2012
  • Sind Hellseher Schwindler? GWUP-Blog am 2. Dezember 2012

Zum Weiterlesen:

  • „Mein Horoskop stimmt immer!“ Ja und? GWUP-Blog am 4. Mai 2013
  • „Seriöse“ und „unseriöse“ Astrologie, GWUP-Blog am 3. Januar 2011
  • Hellseher-Pleiten und Junk Science im jahr 2013, GWUP-Blog am 12. Dezember 2013

10 Kommentare

  1. Solange es einen lukrativen Markt dafür gibt, werden wir damit „bombardiert“ werden.
    Heißt nicht ein Gesetz der Marktwirtschaft:

    die Nachfrage bestimmt das Angebot

    Das Schlimme ist, daß Skeptiker nicht mit rationalen Argumenten weiter kommen, weil die Klientel nicht nach rationalen Antworten sucht, sondern nach „emotionalen“, deshalb werden auch von den esoterischen „Fachleuten“ gerne die Emotionen angesprochen.
    Manchmal schaue ich mir „Astro-TV“ an und immer wieder werden genau die Dinge bestätigt, nach denen die Anruferin (meist sind es Frauen) sucht.
    Und wer möchte keine „Heilsteine“, die obskure Energien ausstrahlen…wer fragt da noch nach der „Funktion“…die „Geistige Welt“ macht das schon…was sollen wir kleinen Erdenbürger noch fragen ;-)

  2. @ trixi
    „In Moskau hat die Polizei einen “Psychic Ring” zerschlagen, der umgerechnet mehr als sechs Millionen Dollar mit vorgeblich paranormalen Dienstleistungen ergaunert hat.“

    Naja, bei Meldungen aus Moskau bin ich immer misstrauisch…

  3. Zitat trixi

    In Deutschland nennt sich das “Astro TV” und ist völlig legal – zum Kotzen.

    Bis heute, kann ich auch nicht verstehen, daß so ein offensichtlicher Betrug, 24 Stunden Sendeerlaubnis hat…

    Die einzige Erklärung ist die „Freiheit zur Dummheit“ – jeder darf solange dumm sein, solange jemand anderes verdient und der schön Steuern zahlt, dann ist in D alles iO…

  4. @ Ralf
    „…solange jemand anderes verdient und der schön Steuern zahlt“

    Hoffentlich nicht – leider aber habe ich seit Jahren den Eindruck. Solange der Staat damit große Kasse macht, sind diese Steuerzahler gern gesehen (zumindest so lange, wie sich der öffentliche Druck in Grenzen hält).

    Diese Prinzip beobachte ich schon seit Jahren im Gewerbe der Prostitution und vielen anderen Bereichen.

    Hierzu fällt mir soeben ein Film ein, der mich gestern schockierte:

    „Operation Zucker“, unter anderen mit Schauspielerin Senta Berger

    Ein Film, der mir unter die Haut ging. Kindesprostitution sehr realistisch dargestellt (auch wenn Kritiker diese Darstellung für Verschwörungstheorien halten)

    http://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Zucker

    Diesen Film sollte sich jeder mal anschauen!

  5. @Pierre Castell
    Ja leider, wahrscheinlich traurige Realität…genauso wie die Berichte, die man aus Syrien hört, wo sich (minderjährige) Töchter mit reichen saudischen Scheichen verheiraten (das nach dem islamischen Recht „Fatwa“ schon mit 12 Jahren erlaubt ist)…wenn dann der Mann genug von seiner kindlichen Gespielin hat…wirft er sie weg…ich glaube widerwärtiger geht es kaum.
    …aber dann hört es nicht auf, die Mädchen werden danach noch einmal verkauft…
    Wie diese junge Menschen seelisch zerstört werden, können wir uns gar nicht ausmalen…

  6. @ Ralf

    Der Film „Operation Zucker“ ist schockierend. Zumindest für die meisten Menschen. Ich habe sowohl innerhalb der Familie und auch im engsten Freundeskreis 2 Kripobeamte, die beim gemeinsamen Abendessen Dinge erzählen, die sich der anständige Otto-Normalvberbraucher in keinster Weise vorstellen kann.

    Ich war öfter mal dabei, als solche Kinderschänder und die Strippenzieher beschattet wurden. Niemand aus dem Volk würde die feine subtile Herangehensweise der Täter für möglich halten.

    Das Schlimmste: JEDER, ihr Nachbar, ihr Brötchenlieferant oder auch ein Politiker können solche Monster sein. Man sieht es ihnen (zunächst) nicht an.

    Wer an meinen Worten zweifelt, gehe mal in die Galeria Kaufhof, die es in jeder größeren Stadt gibt. Gehen Sie in die Abteilung, in der man an den Spielkonsolen über Stunden hinweg am TV die neuesten Spiele ausprobieren darf. Dort finden Sie die meisten Täter und ihre Opfer. Beobachten Sie dort Männer, die sich die spielenden Jungs anschauen und sie später ansprechen.

  7. Ich streife des öfteren mal durch Videospiel-Abteilungen, lauernde Sexualstraftäter sind mir bisher nicht aufgefallen.
    Die sich verdächtig umblickenden Männer waren wahrscheinlich eher Leute, die nach Sexualstraftätern Ausschau hielten…

  8. @Pierre Castell
    Das denke ich, ist aber eine „alte“ Vorgehensweise – heutzutage nutzen die Pädophile die Chatrooms im Internet…

  9. @ Ralf
    “…”alte” Vorgehensweise…!”

    Alt, stimmt. Wird aber noch immer genauso oft praktiziert wie früher.

    Einige der Pädophilen werden vielleicht aufgrund von Kameraüberwachung (Ladendiebe) abgesprungen sein. Aber es sind noch immer täglich sehr viele von diesen Typen dort zu finden.

    Die Chatrooms im Internet sind zusätzlich eine riesige Gefahr (wo es aber oft “nur” bei Schandtaten vor der Cam oder bei pics bleibt).

    @ JolietJake
    Doch, sie sind da. Allerdings fallen sie ungeübten Blicken nicht auf. Habe sie auch lange Zeit nicht erkannt, bis mich jemand von der Kripo aufklärte. Wenn Sie mal in Köln sind, melden Sie sich gerne bei mir.

    Ich versichere Ihnen, dass wir SPÄTESTENS nach 30 Minuten die ersten “Täter” entdecken!

  10. Hallo Ralf, ja es ist so: Wo Nachfrage, da ein Markt. Viele Leute nutzen dies in Lebenssituationen, bei denen Sie nicht weiter wissen. Man sollte solch eine Beratung trotzdem mit Vorsicht genießen und eventuell den Gang in eine öffentliche und kostenlose Beratungstelle diesem vorziehen. Viele Grüße

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