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Homöopathie in der HuffPost – und eine Sammelklage gegen Kinder-Homöopathie

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Am 10. Oktober feierte die deutsche Ausgabe der Huffington Post ihren Start, bis zu 300.000 Visits täglich vermelden mittlerweile die Macher des Portals.

Heute ist in der Huffpost der Beitrag „Globuli – Wirkstoffe ohne Wirkung?“ erschienen.

Der Autor Christian Schlieker beschreibt die Homöopathie erfreulich kritisch und erklärt gleich zum Einstieg, dass hinter dem „Alternativ“-Verfahren eine Milliardenindustrie steht, die Wirkung der kleinen weißen Kügelchen aber „wissenschaftlich höchst umstritten“ ist.

In der zweiten Hälfte werden dann seine Ausführungen leider etwas widersprüchlich:

Einige Wissenschaftler vermuten, dass die Homöopathie auf dem sogenannten Placebo-Effekt beruht. Heute weiß man, dass dieser keineswegs nur ein eingebildeter Effekt ist, sondern mit tatsächlichen physiologischen Veränderungen im Gehirn einhergeht – insbesondere, wenn der Patient positive Erwartung gegenüber der Therapie hat. Und hier setzen viele Homöopathen an. Sie sind wahre Meister darin solche Erwartungseffekte zu aktivieren.“

Nun ja, das klingt so, als würden die Homöopathen sich selbst zurücknehmen und sich lediglich als eine Art Placebo-Heiler definieren, die ganz bewusst auf „Erwartungseffekte“ setzen.

Das ist aber nicht der Fall, denn die Globuli-Fraktion glaubt wider jede Realität an die unbedingte und spezifische Wirksamkeit ihrer Zaubermittelchen.

Und wenn sich die Standesorganisation der Homöopathen tatsächlich mal mit dem Placebo-Effekt beschäftigt, dann wird’s aus medizinisch-fachlicher Sicht unterirdisch.

Darüber hinaus ist der Placebo-Effekt nicht die All-Erklärung für die vermeintlichen Erfolge der Homöopathie, sondern nur einer von mehreren Aspekten.

Bedeutsamer indes ist, dass der Autor seine (richtige) Aussage

Heute weiß man, dass dieser keineswegs nur ein eingebildeter Effekt ist, sondern mit tatsächlichen physiologischen Veränderungen im Gehirn einhergeht“

wenige Zeilen weiter konterkariert:

Aber verschwinden bestimmte Beschwerden tatsächlich nach Globuli-Gabe oder fühlt sich der Patient einfach nur besser, weil er an die Heilung glaubt? […]

Sofern eine Wirkung vorhanden ist, basiert diese auf purer Einbildung – dem Placebo-Effekt.“

Irgendwie ist das ein wenig unscharf formuliert – nichtsdestotrotz finden wir es natürlich uneingeschränkt prima, dass Schlieker, der auch das Portal medipresse.de managt, sich Homöopathie-kritisch positioniert.

Auch in den USA zieht neuer Unbill für die Huschi-Fuschi-Geschäftemacher herauf:

Eine Elterngruppe in Fort Lauderdale hat eine Sammelklage gegen die Firma HomeoLab beziehungsweise gegen deren „wertloses“ Produkt „Kids Relief“ eingereicht, meldet der landesweite Courthouse News Service.

Die Kläger fordern Schadenersatz wegen „irreführender Geschäftspraktiken“ und „arglistiger Täuschung“.

Allerdings ist auch diese Geschichte etwas widersprüchlich, denn es geht zum einen darum, dass „Kids Relief Cough & Cold“ und „Kids Relief Earache“ Substanzen wie Belladonna enthalten, die in höherer Dosierung giftig sind.

Zugleich aber zielt die Klage darauf ab, dass das HomeoLab-Produkt „Kids Relief Flu“ wegen der angegebenen Verdünnungen „scientifically and mathematically“ keinerlei Wirkung haben kann,

… no medical value, no biological effect on humans.“

Anscheinend versuchen die Kläger einfach mehrere Wege – genügend Angriffspunkte bietet die Homöopathie ja allemal.

Wir sind gespannt, wie das ausgeht.

Zum Weiterlesen:

  • Globuli – Wirkstoffe ohne Wirkung? The Huffington Post am 27. Oktober 2013
  • DZVhÄ bekennt sich zum Placebo-Effekt (irgendwie), der Freitag am 2. Juni 2013
  • Warum Homöopathie zu wirken scheint, GWUP-Blog am 9. Oktober 201
  • Themenband Placebo, GWUP-Blog am 22. Mai 2011
  • Spontanheilungen und Placebomedizin, GWUP-Blog am 22. Juli 2011
  • Was hat die GWUP gegen Homöopathie? GWUP-Blog am 1. Februar 2011
  • Homöopathisches Grippemittel Oscillococcinum: Studie von Papp (1998), Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 20. August 2013
  • Class action suit against Kids Relief homeopathic products, Doubtful News am 25. Oktober 2013
  • Parents Call Kids’ Medicines Snake Oil, Courthouse News Service am 25. Oktober 2013
  • Pharmacists should finally get their act together…or lose credibility, Edzard-Ernst-Blog am 26. Oktober 2013
  • Eine Typologie der Negativkommentare zur 10:23-Überdosis, skeptiker.ch am 26. Oktober 2013

6 Kommentare

  1. Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Begriffsinhalte, die oft durcheinandergeworfen werden, offenbar auch in dem Beitrag, der hier zitiert wird:

    (a) der Effekt, der darauf beruht, dass der Patient erkennt, dass ihm eine Behandlung widerfährt und er von daher erwartet, dass es ihm besser geht.

    (b) alles das, was in einem kontrollierten Versuch in der Placebogruppe passiert, was also nicht der spezifischen Wirkung des Medikaments zugeschrieben werden kann.

    Der Unterschied sind die unspezifischen Effekte (natürlicher Krankheitsverlauf, Regression zur Mitte etc.), die in (b) enthalten sind, in (a) hingegen nicht. ‚Einbildung‘ ist für beide Inhalte ein schlechtes Wort, denn es beschreibt die Wahrnehmung von etwas, das nicht vorhanden ist.

    Das, was die Homöopathie ausnutzt ist (b), nicht nur (a).

    Weitere Informationen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Placebo
    http://www.beweisaufnahme-homoeopathie.de/?p=1072

  2. Aber verschwinden bestimmte Beschwerden tatsächlich nach Globuli-Gabe oder fühlt sich der Patient einfach nur besser, weil er an die Heilung glaubt?

    Was ist daran unscharf?

    Das eine ist ein Kopfschmerz der verschwindet weil man daran glaubt das er verschwindet. So kann beispielsweise ein Schmerz bei einer Muskelverspannung tatsächlich verschwinden wenn man daran glaubt und sich z.B. nicht mehr so verkrampft bewegt wie zuvor.

    Im zweiten Fall macht es immer noch weh wie davor auch. Nur nimmt man den Schmerz nicht mehr so stark wahr, weil das Globuli ja „wirkt“. Gewissermaßen Psychosomatik umgekehrt.

  3. Dieser Tage hatte ich die Idee, die Ausreden der Homöopathen zu sammeln. Aber auch da steht zu befürchten, dass ihre Zahl über die der Atome im Universum geht, kurz so ein Unternehmen wenig Sinn machen könnte. (Ich erwarte Widerspruch!) Anlass ist die mE Beste Ausrede: Es sei juristisch nicht verboten, mit dem Placeboeffekt zu arbeiten.

  4. @aloa5:

    „Daran“ ist nichts unscharf.

    Unscharf ist, dass der Autor einmal schreibt, der Placebo-Effekt habe „nichts“ mit Einbildung zu tun und wenige Zeilen weiter, der Placebo-Effekt sei „reine Einbildung“.

  5. leider wird immer vergessen zu erwähnen :

    der placeboeffekt gilt für alles, also placebos, und homöos.

    aber auch für jedes wirkliche medikament, die homöos tun nur immer so als hätten sie ihn entdeckt und für sich gepachtet.

    blöd an dem ganzen ist , es gibt eben auch menschen die anscheinend immun sind gegen diesen effekt.

  6. @diabetiker:
    wobei richtige Medikamente wegen des vorgeschriebenen Beipackzettels mit all seinen Nebenwirkungsangaben auch vom Nocebo-Effekt betroffen sind, welcher die eigentlich vorhandene Wirksamkeit drastisch vermindern kann.

    So werden Scheinmedikamente vom Gesetzgeber bevorteilt, anstatt zu fordern, dass diese ihre Wirksamkeit genauso beweisen müssen, was die Placebohersteller Milliarden kosten würde. Das wäre das endgültige Aus für die Zuckerkügelchen:

    Kein Wirksamkeitsnachweis -> kein Verkauf.

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