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Homöopathische Märchen

| 4 Kommentare

Natürlich fallen uns zum Stichwort „Homöopathie und Märchen“ eine Reihe von Themen ein.

Den Kurs „Homöopathie und Märchen für Frauen“ des Evangelischen Bildungszentrums Hesselberg könnte man dagegen für einen Faschingsscherz halten, findet die Veranstaltung doch am 11.11.2013 statt.

Und schon gar, wenn man die Beschreibung liest:

Märchen auch homöopathisch aufbereitet –öffnen einen Blick auf die weibliche Seele und aktivieren in uns wohnende Kräfte.“

Es ist aber keiner.

Nun ist einerseits die Evangelische Kirche auch jenseits des unsäglichen Herrn Fliege für ihre Esoterik-Affinität wohlbekannt.

Und es entbehrt zumindest nicht einer gewissen Folgerichtigkeit, „Homöopathie“ und „Märchen“ einfach im Doppelpack anzubieten, um erst gar nicht den Eindruck entstehen zu lassen, man hätte es – Gott bewahre! – mit einem seriösen Kursangebot zu tun.

Andererseits sind die Programmverantwortlichen vom EBZ Hesselberg nicht die Einzigen, die „Homöopathie“ und „Märchen“ zu einem veritablen Schwafelunfug potenzieren:

Für die Homöopathie haben Märchen eine große Aussagekraft“,

schreibt vollkommen ironiefrei eine Berliner Heilpraktikerin auf ihrer Webseite.

Nun ja, das wissen wir – und wird immer dann offenkundig, wenn Homöopathen anfangen, von „Studien“ zu salbadern und damit meistens Anekdoten meinen.

Aber das ist gar nicht das Ding, sondern es geht um „homöopathische Märcheninterpretationen“, zum Beispiel von „Dornröschen“, der nur Conium maculatum helfen könne, wie eine homöopathische Ärztin akribisch herausgearbeitet hat.

Schön wär’s, wenn Homöopathen sich ausschließlich solchen fiktiven Persönlichkeiten zuwenden und von echten Patienten die Finger lassen würden.

Immerhin aber sind viele Medien offenbar nicht mehr bereit, die homöopathischen Märchen endlos weiterzuerzählen.

Nach dem klasse Beitrag bei Greifswald TV und der aktuellen Focus-Titelgeschichte schlägt sogar – man mag es kaum glauben – Baby und Familie moderate Töne an.

Baby und Familie ist ein Ableger der berüchtigten Apotheken Umschau und liegt kostenlos beim Apotheker aus.

Der September-Titel heißt „Was kann sanfte Medizin?“ und umreißt die Studienlage zur Homöopathie so:

Die Wirksamkeit von homöopathischen Zubereitungen ist sehr umstritten. Bislang gibt es wenige gute Studien. Prof. Dr. med. Stefan Willich und Prof. Dr. med. Claudia Witt vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charite in Berlin fassen den aktuellen Forschungsstand in einem Informationsblatt so zusammen:

Bislang sei nicht eindeutig belegt, dass sich homöopathische Arzneimittel von Placebo unterscheiden.“

Im Text selbst wird zwar das Märchen von der „Information, vergleichbar mit einem Datenträger“ wiedergekäut.

Dafür gibt’s einige kritische Worte zum „heutigen Umgang mit Homöopathie“:

Jedes Wehwehchen mit einer homöopathischen Arznei zu behandeln, sei unnötig. Einerseits erwecke man dadurch bei Kindern den Eindruck, jede Befindlichkeitsstörung und jedes Symptömchen mit einer Arznei kurieren zu müssen, andererseits werden falsche Abhängigkeiten bei Eltern und Patienten erzeugt.“

Allein diese Passage führt die Mär von der „sanften Medizin“ (angeblich vollkommen harmlos und daher gerade für Kinder geeignet) treffend ad absurdum.

Und deshalb spendieren wir allen homöopathischen Märchenerzählern einen guten Rat:

Wenn (wie wir der Zeitschrift Homöopathische Einblicke zum Thema „Märchen und Homöopathie“ entnehmen) das Homöopathikum Silicea als „schüchternes Arzneimittel“ mal wieder ängstlich fragt:

Soll ich wirklich ins Leben gehen? Soll ich es wagen? Soll ich mich trauen angesichts der Untiefen, die die menschliche Existenz kennzeichnen?“

Dann antworten Sie ihm einfach „nein“.

Und schreiben Sie was Wirksames auf.

 Zum Weiterlesen:

  • Die Homöoapthie-CD hat einen Sprung, GWUP-Blog am 19. Juli 2011
  • Homöopathie ist Irrtum, Psiram am 7. April 2013
  • Hat Recht, wer heilt? GWUP-Blog am 2. August 2013
  • Homöopathie und Co.: “Bei mir wirkt es aber …”, GWUP-Blog am 18. Februar 2012
  • Was hat die GWUP gegen Homöopathie? Teil I, GWUP-Blog am 1. Februar 2011
  • “Die Homöopathie-Lüge” – ein Interview (Teil 1), GWUP-Blog am 23. Dezember 2012
  • Warum Homöopathie zu wirken scheint, GWUP-Blog am 9. Oktober 2011
  • Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem der Fliege kroch, Psiram am 28. September 2012
  • Praktikum in der Eso-Apotheke, Teil 1: Schwanger werden mit Fledermauskot, Cloudpharming am 3. August 2013
  • What is (and what isn’t) clinical evidence, and why is the distinction important? Edzard-Ernst-Blog am 5. November 2012
  • An alle „Homöopathie-Gläubigen“, Nachdenken … bitte am 23. November 2012

4 Kommentare

  1. Frau Becker aus Berlin konnte bereits „geholfen“ werden >> https://vikas.de/DATENPUBLICCALL/VITAPUBLIC.php?VITACOUNT=269
    Familienstellen nach Hellinger, da hörts dann auf. Danke für den Hinweis.

  2. Nun, es gibt sicherlich verschiedene Ansichten von Wirksamkeit im menschlichen und therapeutischem Sinn.

    Wir heißt es so schön, der Glaube versetzt Berge. Meiner Ansicht nach bedient sich die Homöopatie genau dieses Mechanisumuses.

    Ist das perse schlecht und zu verdammen? Ich bin der Meinung, wenn damit Profit wieder besseren Wissens erzielt wird: eindeutig JA. Wenn Menschen mit schweren Erkrankungen von Homöopaten behandelt werden ist dies ebenfalls nicht zu vertreten.

    Vielen Menschen, vor allem älteren, die tagtäglich in deutschen Artzpraxen sitzen, würde vor allem ein wenig mehr Aufmerksamkeit und mehr soziale Kontakte helfen, abgesehen von ihren körperlichen Leiden wie Bluthochdruck etc.

    Wenn Homöopathie menschliche Zuwendung vermittelt, wenn jemand zuhört und sich zuwendet und der „Patient“ sich danach wohler fühlt – warum nicht?

  3. @HUS:

    << Wenn Homöopathie menschliche Zuwendung vermittelt, wenn jemand zuhört und sich zuwendet und der "Patient" sich danach wohler fühlt - warum nicht? << Klar, kein Ding. Das Problem damit ist nur, dass die allermeisten Homöopathen und Heilpraktiker fraglos und unreflektiert von einer spezifischen Wirksamkeit dieser Methode ausgehen und daher die therapeutischen Grenzen von reiner "Wohlfühl"-Medizin und Placebo-Gaben nicht erkennen können und wollen. << würde vor allem ein wenig mehr Aufmerksamkeit und mehr soziale Kontakte helfen. << Ja, richtig: https://blog.gwup.net/2013/04/20/homoopathie-ganzheitlichkeit-und-die-sprechende-medizin/

  4. sollte nicht mal statt phrasen zu schütteln, etwas grundlegendes geklärt werden?

    sind ärzte dazu da, um mitgefühl zu verbreiten, oder um krankheiten zu behandeln?

    nach mm letzteres, und daran werden sie durch dauersitzer verhindert.

    ich komme gerade aus dem kh, 95% der „klingler“ beschäftigen , und zwar so daß die wirklich hilfebedürftigen, nur im vorbeirennen bemerkt werden.

    dazu möchte ich ganz deutlich feststellen—> ich bin als ges kk versicherter, so nett engagiert und gut behandelt worden, vom kleinsten zivi(sozialsjahrdienenden) über die schwestern oberschwester, stationsärztin bis zum oberarzt und chefarzt „ohne“ ausnahme, daß von zweiklassenmedizin absolut nichts zu bemerken war.

    sehr viele menschen, die statt soziale kontakte zu haben ihren arzt belästigen, sollten sich mal fragen weshalb das so ist, in vielen fällen, da selbst kontakte nie gepflegt.

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