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GWUP-Konferenzthema „Pseudotherapien“ und die Bundestagswahl

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Pseudotherapien stehen im Mittelpunkt der GWUP-Konferenz in Köln. Dabei wird u.a. Christian Weymayr über die Wirkung seines Buches “Die Homöopathie-Lüge” berichten.

In der Wissenschaft nimmt so gut wie niemand die Homöopathie ernst. Auch bei Wissenschaftsjournalisten hat sich erfreulicherweise eine kritische Distanz zu dieser Pseudowissenschaft eingestellt. Bernd Harder berichtete kürzlich über ein weiteres neues Buch von Norbert Aust.

Ganz anders in der Politik. Ein kurzer Blick zum parallel mit der GWUP-Konferenz stattfindenden Homöopathie-Kongress in Weimar zeigt, wie schamlos Politiker Pseudotherapien fördern. Und wie sehr sie die Propaganda der Quacksalberei verinnerlicht haben.

Die thüringische Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit, Heike Taubert (SPD) zeigt beim Kongress eindrucksvoll, dass sie das esoterische Vokabular der pseudomedizinischen Geschäftemacher gut drauf hat:

Ganz besonders chronisch Kranke suchen in der ganzheitlichen biologischen Medizin nach ergänzenden Alternativen zur Schulmedizin. Die Erneuerung von persönlichen Energiequellen und des inneren Gleichgewichtes besitzen eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung für Gesundheit und Krankheitsbewältigung.

Die Beute – chronisch Kranke – ist ausgemacht, der Köder der „ganzheitlichen biologischen Medizin“ als süßes Lockmittel bereitgestellt, verbunden mit einem unhaltbaren Versprechen, dass dies der „Gesundheit und Krankheitsbewältigung“ dient.

Der Weimarer Oberbürgermeister Stefan Wolf brüstet sich in einem Grußwort:

Weimar [ist] heute meines Wissens nach die einzige Stadt in Deutschland, die mit meiner Mitarbeiterin Frau Dr. Bán eine Amtsärztin mit homöopathischer Zusatzausbildung hat!

Und vielleicht noch eine Zusatzausbildung in Astrologie und Feng Shui?

Man fragt sich, welche „Kompetenzen“ in der Politik vorherrschen. Oder gehört der Status als Wissenschaftsanalphabet inzwischen zu den Auswahlkriterien für ein politisches Amt? Auf das man noch stolz ist?

Ganz nebenbei: Auf unsere Einladung zur GWUP-Konferenz erhielten wir – meist freundliche – Absagen von allen angeschriebenen Politikern, unabhängig von der Parteizugehörigkeit.

Natürlich hatten wir kaum erwartet, dass Politiker sich trauen würden, zu uns zu kommen. Selbst die nicht, die der Homöopathie kritisch gegenüber stehen. Aber die Briefe waren schon ein Test darüber, ob Politiker eine kritische Sicht von Pseudotherapien aushalten können.

Offenbar nicht.

Auf der GWUP-Konferenz wird zur Sprache kommen, wie Geschäfte mit pseudotherapeutischen Illusionen gemacht werden. Und wie Betroffene zu Opfern werden. Die schmutzigen Methoden der „sanften“ Medizin sollten die Politik interessieren.

Bis zur Bundestagswahl wird der Themenbereich Pseudotherapien und Bildung im Mittelpunkt der GWUP-Arbeit stehen. Wir wissen, dass Pseudotherapien inzwischen die Unterstützung aller Parteien im Bundestag genießen.

Barbara Steffens ist nur ein besonders lautstarkes Beispiel. Kritische Stimmen werden gleich erstickt. Ein ehemaliger Bundespräsident gründet eine Stiftung zur Förderung von Quacksalberei. Wissenschaftliche Redlichkeit wird  in der deutschen Politik zur Mangelware.

Hier sollten wir aktiv werden. Fragen wir doch die Kandidaten in allen Wahlkreisen, wie sie zu Pseudotherapien stehen! Fordern wir von ihnen Auskunft darüber, was sie für eine wissenschaftsorientierte Bildung tun und was sie gegen die Ausbreitung von Pseudowissenschaften unternehmen!

Dabei stehen nicht nur die Parteien zur Wahl. Wir können mit der Erststimme die Kandidaten wählen, die sich für Wissenschaft aussprechen.

Ebenso liegt es in unserer Macht, denjenigen Kandidaten eine Absage zu erteilen, die Pseudowissenschaften und Pseudotherapien unterstützen. Auch gegen unsere sonstige politische Präferenz.

Wir haben die Wahl. Nutzen wir sie.

Zum Weiterlesen:

  • Viel Homöopathie und keine Archäologie: Oh je, NRW, GWUP-Blog am 29. März 2013
  • Gesundheitspolitische Geisterfahrt in NRW, Panagrellus am 7. März 2013
  • NRW: Gesundheitsministerin Steffens will mehr Homöopathie, ruhrbarone am 29. Januar 2012
  • Homöopathie, Impfskepsis, Reiki – Wie gefährlich ist NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens? ruhrbarone am 14. Januar 2013
  • Warum Barbara Steffens ihr Ministerium beschämt, ruhrbarone am 11. März 2013
  • Sollte eine Gesundheitsministerin auf dem Boden der Wissenschaft stehen? Die Wissenschaftsjournalisten am 5. Februar 2013
  • Kopfschüttelnde Ministerialbeamte, Der Nesselsetzer am 14. März 2013
  • Die Grünen: Alternativlos in der sozial-esoterischen Teilhabe? Brights-Blog am 22. April 2013
  • Der Unterschied zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft, virtual Maxim am 4. Mai 2013

6 Kommentare

  1. Ich muss doch an der Stelle mal meine Verwunderung über einen Vortrag auf der Konferenz loslassen – da heißt es in der Ankündigung zum Vortrag von Johannes Ring:

    „Eine erfreuliche Ausnahme waren die Untersuchungen, die wir mit Akupunktur durchführten: Sowohl in der Bekämpfung von experimentell-induziertem (gesunde Freiwillige), aber auch spontan entstehendem Juckreiz (bei atopischem Ekzem) fanden sich signifikante Effekte einer klassischen Akupunktur in einer Doppelblindstudie. Ebenso war in einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten randomisierten Doppelblindstudie klassische Akupunktur bei allergischer Rhinokonjunktivitis wirksam.“

    Also – Pseudomedizin ist unwirksam, es sei denn, es handelt sich um die vom Referenten präferierte Methode?

    Merke: der Referent grenzt Akupunktur ab gegen Verfahren, die „nur“ einen Placebo-Effekt haben, und stellt die kühne Behauptung auf, dass klassische(!!!) Akupunktur hilft – also die, die Meridiane vorgibt, wo dann zu pieksen ist…

  2. Ich würde dazu raten, das erst nach dem Vortrag zu beurteilen. Es ist dann Zeit zur Diskussion und Kritik.

    Dann werden wir sehen, was dran ist und was eventuell nur unglücklich formuliert war.

    Immerhin ist bekannt, dass es immer wieder Hinweise gibt, dass Nadelung im herkömmlichen Sinne bei einigen Symptomen bzw. Erkrankungen im Gegensatz zur Placebonadelung besser wirkt. Die Theorie der Akupunktur sensu TCM wird dadurch aber keineswegs bestätigt.

    Ich gehe also davon aus, dass sich das bei näherer Betrachtung alles auflöst und nur ein Formulierungsproblem übrig bleibt.

  3. Da hilft doch ein Blick ins veröffentlichte Paper:
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23420231
    In der Kurzfassung heißt es:

    „Results: … There were no differences after 16 weeks in the first year. After the 8-week follow-up phase in the second year, small improvements favoring real acupuncture over the sham procedure were noted“

    Um dann zu schließen:

    „Conclusion: Acupuncture led to statistically significant improvements in disease-specific quality of life and antihistamine use measures after 8 weeks of treatment compared with sham acupuncture and with RM alone, but the improvements may not be clinically significant.“

    Und der Co-Autor ist nicht nur Florian Pfab, sondern da sind z.B. auch Frau Prof. Dr. Claudia Witt und PD Dr. Klaus Linde dabei. Bei einem kurzen Blick ins Paper selbst klingt das weiterhin ziemlich – sagen wir: nebulös… (Ann Intern Med. 2013 Feb 19;158(4):225-34):

    „In contrast to both negative trials, a more individualized
    acupuncture intervention that was based on a Chinese syndrome
    diagnosis was used in our trial and in the other
    positive trial (21). This approach is more consistent with
    the theory of Chinese medicine.“ – verbunden mit dem üblichen Schlußsatz: „The effectiveness of acupuncture for SAR compared with
    other antiallergic interventions and the possible underlying
    mechanisms of any effect, including context effects, need to be addressed in further research. Because the effects of
    acupuncture compared with RM in this study might have
    been affected by patient beliefs about acupuncture (41),
    the effect of patient expectation should also be further
    investigated.“ –

    es muss mehr Forschung her, mehr Geld, damit man endlich nachweisen kann, dass TCM doch funktioniert… – unlustig.

  4. Zur Akupunktur gibt es einen neuen Beitrag von Edzard Ernst über die Gefahren der Akupunktur.

    In einer Übersicht aus März diesen Jahres wurden Zwischenfälle zwischen den Jahren 2000 und 2011 in der englischsprachigen Literatur gezählt. Es gab 117 Berichte über 308 Fälle aus 25 Ländern und Regionen, wobei 3 Patienten nach einer Akupunkturanwendung starben. Es gab 239 Infektionen in 17 Ländern und Regionen, u.a. 162 Fälle in Korea und 33 in Kanada. Unter 38 Organverletzungen kamen 2 aus Deutschland und einer aus Österreich.

  5. Zur Akupunktur habe ich meinen „Liebling“…Pinhead….Eine freudige (für Sammler, eine schlechte Nachricht ;-) ) Hellraiser I ist nicht mehr indiziert (seit April 2013)…wer Hellraiser-Filme nicht mag, der sollte sich auch von der Akupunktur distanzieren…meine Meinung…;-)

  6. danke @ a. sarma
    an und für sich, würden nach mm die von prof ernst zusammengestellten nebenwirkungen incl drei todesfälle reichen um die akupunktur in den mülleimer zu entsorgen, man brauchts nicht zu verbieten, (dann gibt es wieder vt) einfach öffentlich von ärztekammer u.gesundheitsminister die fesststellung es nutzt nix es kann schaden. die behandlung von folgen der ap wird nicht von den kk bezahlt.

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