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Lichtnahrung: Was will uns der Herr Professor sagen?

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Der Standard bringt an diesem Wochenende einen Nachklapp zur „Lichtnahrungs“-Klamotte beim ORF.

In dem Artikel „Kann man nur von Licht leben?“ decouvriert der Autor unter anderem den Star unter den Lichtessern, den indischen Yogi Prahlad Jani.

Auch Professor Ulrich Berger vom GWUP-Wissenschaftsrat kommt ausführlich zu Wort.

Wenig überraschend nutzt in dem Beitrag erneut der Mediziner Prof. Anton Luger die Chance, sich nach Kräften lächerlich zu machen (er wirkt in Straubingers Fantasy-Streifen mit).

Der Leiter der Klinischen Abteilung  für Endokrinologie und Stoffwechsel am AKH Wien wird so zitiert:

Nach all dem was wir Mediziner wissen, ist es nicht möglich nur von Licht zu leben. Was mich aber stört und was ich nicht verstehe ist, dass manche Leute nicht zulassen, dass es Dinge gibt, die wir noch nicht erklären können“, sagt Anton Luger, Leiter der Klinischen Abteilung  für Endokrinologie und Stoffwechsel am AKH Wien, der ebenfalls im Film vorkommt.

Das gerade wieder aufgeflammte „Gegackere von selbsternannten Hütern der Wissenschaft“ fände er abstoßend und höchst unwissenschaftlich. Nur wenn man ungewohnte und unerklärbare Phänomene zulässt, kann sich Wissenschaft weiterentwickeln, so Luger.“

Ah ja, würde Loriot jetzt sagen.

Die Skeptiker lassen also Dinge nicht zu, „die wir noch nicht erklären können“.

Wir leugnen also zum Beispiel die Existenz der Statuen auf den Osterinseln, nur weil wir nicht genau wissen, wie sie dorthin gekommen sind?

Wir behaupten, dass heißes Wasser unmöglich schneller gefrieren kann als kaltes (obwohl es genau so ist, allerdings weiß die Wissenschaft noch nicht, warum)?

Offenkundig ist das Unsinn, was der Herr Professor da von sich gibt.

Natürlich ist die Wissenschaft voller Rätsel und ungelöster Fragen.

Der Unterschied ist nur:

Es geht bei der „Lichtnahrung“ nicht um fehlende Erklärungen – sondern darum, dass es „Lichtnahrung“ offenbar gar nicht gibt.

Genau davon scheint Luger aber auszugehen:

Nur wenn man ungewohnte und unerklärbare Phänomene zulässt, kann sich Wissenschaft weiterentwickeln, so Luger.“

Das mag schon sein.

Nur muss man dafür erst einmal belegen, dass wir es mit einem realen Phänomen zu tun haben.

Wenn es existiert, dann kann es gerne auch „ungewohnt“ und vorerst „unerklärbar“ sein – für jeden echten Wissenschaftler wäre gerade das ein Grund, sich intensiv damit zu beschäftigen.

Womit Wissenschaftler dagegen eher ungern ihre Zeit verschwenden, sind unbelegte Phantastereien, die zudem bewährten Naturgesetzen widersprechen.

Insofern können wir schwer sagen, wofür genau Herr Professor Luger sich hält.

Zum Weiterlesen:

  • Kann man nur von Licht leben? derstandard am 15. März 2013
  • Magerkost bei ORF 1: „Am Anfang war das Licht“, GWUP-Blog am 5. März 2013
  • Pluralismus und Evidenzbasierung in der Medizin, Gesundheits-Check am 17. März 2013
  • Wie man seine Behauptungen belegt, so dass man ernst genommen wird, Astrodicticum simplex am 15. Februar 2010

 

9 Kommentare

  1. Man sollte sich dringend und vehement für eine wissenschaftliche Basisausbildung von Medizinern einsetzen. Sich nur als Wissenschaftler zu fühlen reicht nicht, wie man bei Herr Anton Luger sieht.

  2. Die Welt sieht das als einen Art Beweis für das „Wassergedächtnis“
    Zitat aus dem Artikel:

    Hat das Wasser also doch ein Gedächtnis, wie Wissenschaftler seit vielen Jahren behaupten? Hat sich der Inhalt des wärmeren Topfes gemerkt, dass er ja gleich kurz nach seinem Start (mit Handicap) schon schneller war als der andere? Hat er seinen anfänglichen Schwung in den Endspurt retten können?

    Aber eigenartig ist das schon, wenn man den Graph vom dem Verlauf der Akühlung anschaut.

  3. Wundert es jemand, dass viele Mediziner Homöopathie, TCM & Co. unkritisch nutzen? Sie mögen im Studium viel Faktenwissen mitbekommen haben und überdurchschnittlich intelligent sein, aber Wissenschaftsmethodik und kritische Reflexion gehören leider kaum dazu. Es ist schon erschreckend, wie wenig das Denken in der Uni gelernt wird….gruselig.

  4. Im Curriculum des Medizinstudiums (zumindest an der MedUni Wien) ist sehr wohl Platz geschaffen worden um wissenschaftliche Methoden zu verstehen und zu hinterfragen. Genauso gibt es verpflichtende Lehrveranstaltungen die sich mit dem Gebiet bzw. der Definition der Evidence based Medicine beschäftigen. Die Crux an der Sache ist nur, dass es trotzdem jedem selbst überlassen ist, wie man mit diesem Wissen umgeht. Zum Unsinn der Lichtnahrung will ich mich gar nicht weiter äußern.
    Nur so viel sei gesagt, nur weil ein Professor sich wissenschaftlich fragwürdig zu einem Thema äußert, stellt dies noch lange nicht die gesamte Ausbildung dieser Zunft in Frage. Dr. Michael Königs Urworttheorie ist genauso skeptisch zu betrachten, ich würde jedoch nicht auf die Idee kommen, deshalb die wissenschaftliche Ausbildung im Physikstudium in Frage zu stellen.

  5. @Ralf
    Ein schneller Blick in Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Mpemba-Effekt) zeigt, daß der Effekt mitnichten unerklärt ist. Wichtigster Punkt ist die Verdunstung, die dazu führt, daß in dem offenen System am Ende der Zeitskala eine kleinere Menge des ursprünglich heißen Wassers gefriert als beim am Anfang kalten Wasser. In der saloppen Sprache des zitierten Welt-Artikels: Die kleinere Menge Wasser in dem ursprünglich warmen Topf kann sich natürlich weniger lang gegen die Kühlung behaupten.
    Der verlinkte Beitrag ignoriert das nicht nur sondern suggeriert gar durch Betonung der „exakt gleichen“ Ausgangsmenge, daß am Ende immer noch die gleiche Menge im Topf wäre. zehn.de ist nicht wirklich eine seriöse Quelle.

  6. Wenn ich höre, wie eine mir bekannte Medizinstudentin schizophrene Personen mit Globuli heilen will und sich ihr Liebesleben von einer Hellseherin diktieren lässt, bin ich froh, dass sie am anderen Ende Deutschlands studiert und wohl auch arbeiten wird.
    Äußerungen über Globuli oder ähnlichen Mumpitz sind für mich ein Grund, den Arzt oder die Apotheke zu wechseln.

  7. „Äußerungen über Globuli oder ähnlichen Mumpitz sind für mich ein Grund, den Arzt oder die Apotheke zu wechseln.“

    @Mutterkorn: So halte ich es auch (so weit es eben geht). Meine Eingangsfrage bei Ärzten ist in der Zwischenzeit; verschreiben sie homöopathische Mittel und und wenn ja, warum. Manche Ärzte antworten dann „Klar, kann ich gerne verschreiben.“ Wenn ich dann frage, wie das mit dem aktuellen chem.-physikalischen Weltbild, worauf Medizin nun auch beruht in Übereinklang zu bringen ist, beginnt ein wildes zurückrudern. -.- Da müssen sie aber schon auf einen oder mehrere Privatpatienten verzichten.

    Einzig bei der Krankenkasse blieb es bisher nur bei einem Gespräch ohne anschließenden Wechsel. Nochmals -.-

  8. @pederm
    Ja, den Wikipedia-Artikel kenne ich (habe auch darauf verwiesen). Die Erklärung mit der Verdunstung halte ich auch für sehr wahrscheinlich…aber merkwürdig ist es schon, wenn man sich den Graphen der Abkühlung (im Wikipedia-Artikel) anschaut. Einen relativ großen Zeitraum, kühlen beide Flüssigkeiten gleich schnell ab und am Ende legt das (vorher) heiße Wasser noch mal los und kühlt schneller ab, das ist wirklich merkwürdig und ist auch nicht direkt mit der Verdunstung zu erklären. Der Welt-Artikel sieht darin eine Bestätigung für das „Wassergedächtnis“ (das es aber nicht gibt ;-))

  9. Vielleicht sollte man den Professor bitten, vor den Doppelblindversuchen mit der Lichtnahrung doch erst das ebenfalls noch nicht evidenzbasiert geklärte Problem, ob ein Fallschirm beim Sprung aus dem Flugzeug hilfreich http://www.bmj.com/content/327/7429/1459 ist zu lösen. Das geht schneller. Ich würde mir selbst in beiden Fällen auch ohne Doppelblindversuche eine vernünftigen Entscheidung zutrauen.

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