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Das Märchen vom „Kostendämpfer Homöopathie“

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Wäre schade um die Frankfurter Rundschau, die heute Insolvenz angemeldet hat.

Kurz davor ist bei FR-Online noch ein lesenswerter Artikel mit der Überschrift

Zückerchen für die Versicherten“

erschienen.

Es geht darum, dass die Krankenkassen auf Kosten der Solidargemeinschaft „jede Menge Unsinn“ finanzieren, wie etwa Homöopathie:

Kritiker halten die Kostenübernahme für Behandlungen mit wissenschaftlich umstrittenem oder nicht bewiesenem Nutzen für eine reine Geldverschwendung.

„Die Absicht ist klar: Die Kassen wollen ein bestimmtes Klientel bedienen. Und das auf Kosten aller Beitragszahler“, sagt Ärztefunktionär Dirk Heinrich vom NAV-Virchow-Bund.  „Das ist Rosinenpickerei durch knallhartes Marketing und hat mit der verantwortungsvollen Versorgung von Patienten nichts zu tun. So geht man mit Zwangsbeiträgen nicht um.“

Die Folge:

Für das kommende Jahr erwartet der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt für die Krankenkassenausgaben einen deutlichen Anstieg der Kosten auf 834 Millionen Euro. Das würde im Vergleich zu diesem Jahr eine Zunahme um ein Fünftel bedeuten.“

Das heißt, medizinischer Schwachfug wird bei weitem nicht allein von Denjenigen bezahlt, die ihn bewusst in Anspruch nehmen – sondern er kommt jeden Beitragszahler teuer zu stehen.

Damit wird zugleich das Argument „Globuli sind definitiv preiswerter“ ad absurdum geführt, das heute wieder im Science-Blog Astrodicticum simplex aufschlagen ist, wo Dr. Florian Freistetter eine ausführliche Rezension zu „Die Homöopathie-Lüge“ verfasst hat.

Auch in dem besprochenen Buch selbst stellen die Autoren Dr. Christian Weymayr und Nicole Heißmann klar:

Dafür, dass nichts oder kaum etwas drin ist, sind Homöopathika ganz schön teuer. Genau genommen sind Globuli vermutlich die teuersten Süßigkeiten der Welt. Manchmal muss man auch etliche nacheinander ausprobieren, sodass sich die Kosten addieren.“

Ein ganzes Kapitel ist darüber hinaus den zahlreichen „Kassen mit homöopathischem Aushängeschild“ gewidmet:

Wie sanfte Medizin im Wettbewerb hilft.“

Kurios:

Bei konventionellen Leistungen pochen Kassen gern und durchaus detailliert auf das wissenschaftliche Fundament, das ihrem Katalog zugrunde liegt […]

Nicht so bei der Homöopathie […] Wer dort nachfragt, ob auch Informationen über die Wirkungen der Therapie nach Hahnemann erhältlich sind, bekommt vom Kundenservice schon mal etwas schmallippige Antworten: Die Kasse habe keine Informationen zur Wirkung von homöopathischen Behandlungen bei unterschiedlichen Krankheiten vorliegen.“

Und selbst unabhängig vom Einzelpreis eines homöopathischen Präparats sei die Kostendämpfung durch Homöopathie nicht überzeugend belegt:

Die wenigen Daten, die es zu den Kosteneffekten der Homöopathie gibt, sind kaum untereinander vergleichbar und außerdem widersprüchlich.“

Auch die Homöopahie-Anhängerin Claudia Witt wird in dem Kapitel wie folgt zitiert:

Bezogen auf die vorhandene Datenlage ist für Deutschland bisher nicht zufriedenstellend beantwortet, ob Homöopathie im GKV-System Kosten einspart oder zu Mehrkosten führt.“

Fazit der Autoren:

Anstrengungen für nachvollziehbare Qualität im Gesundheitswesen machen nur Sinn, wenn sie konsequent auf alle Leistungen angewandt werden – also auch auf solche, die die Versicherungen freiwillig anbieten.“

Zum Weiterlesen:

  • Buchbesprechung „Die Homöopathie-Lüge“, Astrodicticum simplex am 13. November 2012
  • Zückerchen für die Versicherten, FR-Online am 12. November 2012
  • Die Homöopathie und die Versorgungsforschung, GWUP-Blog am 9. November 2012
  • Christian Weymayr/Nicole Heißmann: Die Homöopathie-Lüge. Piper-Verlag, München 2012

4 Kommentare

  1. Besonders ärgerlich im Zusammenhang mit der beschlossenen Reform bei der Kürzung von Leistungen, die für psychiartrische Krankheiten aufgewendet werden.

  2. Sowohl ich als auch unsere angestellte Apothekerin haben und mit unserer Krankenkasse in Verbindung gesetzt und um einen anderen Tarif gebeten, der die Homöopathie ausschließt. Dies ist natürlich nicht möglich, war uns auch klar, aber wir wollten ein Zeichen setzen, dass wir eigentlich nicht bereit sind diesen Unsinn mitzufinanzieren. Wir haben gebeten dies bitte zur Kenntnis zu nehmen. Nützt wahrscheinlich nix, jedoch die Zeichen sollten gesetzt werden….

  3. Es sind nicht die Kassen allein, die ein bestimmtes Klientel bedienen wollen, auch die Ärzteschaft ist daran interessiert. Nicht umsonst fließen diese Veranstaltungen auch als bepunktete Fortbildungsmaßnahmen in das Gesundheistwesen ein. Da werden dann auch ethische Fragen auf seiten der Ärztekammer gar nicht erst gestellt, wie bei der Fortbildung mit Jeremy Sherr über die Berliner Ärztekammer in dem er über die Behandlung von AIDS-Patienten mit Homöopathie in Afrika (!) — wo auch sonst, hier würde keine Ethikkommission dazu eine Genehmigung erteilen — berichtet.

    Näheres:
    http://feuerwaechter.org/2012/11/fortbildung-behandlung-von-aids-in-afrika-mit-homoeopathie

  4. nicht zu vergessen, die Kosten, die durch die „Nichtbehandlung“ mit Homöopathie entstehen. Liegt ein wirkliches Krankheitsbild vor, bei dem der Placeboeffekt nicht oder nur kurzfristig lindernd greift, muss irgendwann ohnehin mit anderen Therapien/Medikamenten fortgefahren werden, zumeist aus der evidenzbasierten Medizin. Durch den verspäteten Einsatz der wirksamen Behandlung, ist diese dann oft langwieriger, aufwändiger, komplikationsreicher und damit auch teurer.

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