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Werwölfe und Vollmond

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Einen interessanten Kommentar gab es zu unserem jüngsten Werwolf-Blogposting:

Ok, drei Krankheiten machen keinen Werwolf. Aber woher stammt der Mythos dann? Gibt es andere, schlüssigere Erklärungen dafür?“

Klar, die gibt es.

Der Glaube an Werwölfe hat tiefe Wurzeln. Die Werwolf-Legende reicht zurück bis zu der Zeit, da der prähistorische Mensch begann, zur Jagd Tierverkleidungen anzulegen, um den Geist eines mächtigen Tieres zu beschwören, von dem er hoffte, dessen Stärke verliehen zu bekommen“,

schreibt Norbert Borrmann in seinem „Lexikon der Monster, Geister und Dämonen“.

Das ist wohl richtig, denn schon antike Historien und Mythologien spiegeln den Werwolf-Glauben wider und beinhalten Geschichten von Wer-Bestien, gewöhnlich mit einem persönlichen Kommentar des Autors versehen.

Herodot etwa, der antike griechische Geschichtsschreiber, berichtet von einer osteuropäischen Volksgruppe, den Neuri, die sich laut dem Zeugnis ihrer Nachbarn, der Scythianer, einmal jährlich allesamt in Werwölfe verwandelten. Herodots Anmerkung:

Ich persönlich glaube diese Geschichte nicht, aber sie versichern es dennoch und schwören, es sei die Wahrheit.“

Ähnlich zurückhaltend äußert sich Plinius der Ältere in seiner Naturalis Historia:

Mit allem Nachdruck verurteilen wir die Geschichten von Menschen, die in Wölfe verwandelt werden und dann zu ihrer ursprünglichen Gestalt zurückkehren, als unwahr.“

Nichtsdestotrotz verbreiteten sich auf der ganzen Welt Geschichten über menschliche Monster, die den Körper des Tieres erhielten, das in der jeweiligen Gegend am meisten gefürchtet war: Wer-Tiger und Wer-Bären strichen in Asien umher, Wer-Hyänen lauerten in Afrika auf Beute, Wer-Kojoten machten Mittelamerika unsicher und Wer-Echsen schlängelten sich durch Neuseeland.

Und in Europa? Hier waren Wölfe nicht gerade beliebt. Sie galten als ebenso schlaue wie bösartige Tiere. Sie wagten es, Menschen anzugreifen und gewannen sogar hin und wieder. Das brachte ihnen den Ruf ein, selbst beinahe menschlich zu sein:

In ihnen manifestierten sich einige unserer schlimmsten Ängste vor verdrängten tierischen Instinkten“,

meint die Autorin Jane Goldman.

Und erklärt den Werwolf somit zu einer Art Schmuddelmonster, das Körperlichkeit, Instinktnatur und dunkle, aufbrechende Triebe symbolisiert. Den zweiten entscheidenden Impuls bekam der Werwolf-Mythos also zu dem Zeitpunkt, da die Menschheit entschied, dass sie nun nicht mehr länger Teil des Tierreichs war.

Völlig unklar ist dagegen die Sache mit dem Vollmond, denn Werwolf-Geschichten früherer Epochen kamen gänzlich ohne das silbrige Nachtgestirn aus:

Die Werwölfe schienen sich immer dann zu verwandeln, wenn ihnen der Sinn danach stand“,

lesen wir zum Beispiel bei den Kulturwissenschaftlern Ulrich Müller/Werner Wunderlich.

Nur in einigen wenigen Überlieferungen hatte der Mond eine magische Wirkung auf Werwölfe, zum Beispiel bei Gervase of Tilbury im 13. Jahrhundert.

Heute jedoch tragen Werwolf-Filme programmatische Untertitel wie „Fürchte den Mond“ oder heißen gleich „Bad Moon“ oder „Blue Moon“:

Über den Grund dafür wird in Online-Foren ebenso leidenschaftlich wie sinnfrei diskutiert:

Weil es nachts viel spektakulärer und schauriger ist. Bei Tageslicht macht ein Werwolf nicht denselben Eindruck wie nachts“,

liest man da etwa.

Oder:

Weil bei allen diesen Schauer-Figuren der Gruselfaktor wichtig ist. Den erreicht man eben am besten nachts und wenn‘s geht mit Vollmond.“

Oder:

Tagsüber sind zu viele Leute unterwegs, die das beobachten könnten. Die würden dem armen Werwolf wahrscheinlich gleich den Garaus machen.“

Oder auch:

Weil der Mond dann besser zu sehen ist. Schließlich will Wolfi ja was zum Anheulen haben.“

Als Gewährsmann für die horrible Verbindung Werwolf – Vollmond wird zumeist der römische Schriftsteller Petronius zitiert.

Der berichtet in „Das Gastmahl des Trimalchio“ zwar tatsächlich von einer Werwolfbegegnung in einer Mondnacht. Experten glauben aber, dass Titus Petronius den hell scheinenden Vollmond lediglich einflocht, um sein Publikum davon zu überzeugen, dass er durchaus erkennen konnte, was vorging.

Zum Weiterlesen:

4 Kommentare

  1. Sollten immer wieder mal auftretende Betroffene der Hypertrichose aka ICD10-L68, aka ‚Wolfsmenschen‘, tatsächlich keine Rolle bei Entstehung und Erhalt dieses Aberglaubens gahabt haben? Würde mich ungemein überraschen, schlägt dies doch so ein popeliges Tierfell um Längen…

    zurück bis zu der Zeit, da der prähistorische Mensch begann, zur Jagd Tierverkleidungen anzulegen

    Steile These, immerhin stammen die ältesten als Indizien für Werwolfglauben auslegbaren Hinterlassenschaften aus Höhlenmalereien, mithin vom modernen Menschen. Doch ob damit auch der Startpunkt dieses so nahelegenden jagdlichen Tricks innerhalb der Gattung Homo gefunden worden ist, dürfte bezweifelt werden.

  2. Nun ja, das mit dem Vollmond könnte eine Erfindung der Filmindustrie sein, sonst sieht man ja nichts.
    Interessant ist auch, daß in den meisten Horror-Filmen Vollmond ist und dann ist es teilweise so hell, wie es auch bei einem Vollmond nicht sein kann.
    Uwe Boll hat dies in seinem Film „Seed“ kritisiert und dort sieht man Polizisten, die mit Taschenlampen im Dunkeln ‚rumrennen. Es ist zwar realistischer, bringt aber keinen „Filmgenuss“ … ;-)

  3. Diese Zurückführungen von Mythen in die prähistorische Zeit – wie in diesem Fall bei Borrmann – finde ich immer besonders lustig. Ich frage mich dann immer, wer ihnen das denn erzählt haben will? Der Geist eines Bandkeramikers bei der Seance letztes Wochenende?

  4. moin FMH, Geist^^ nun werd mal nicht zynisch – selbstverständlich stammt ein Großteil dieses Wissens aus dem aufsehenerregenden vorletztjährigen literarischen Fund: „Unsere neuen Nachbarn, eine neue Spezies?“, dieser kritischen Analyse aus dem Nachlaß Erwin Neanders.

    btt: Weiß jemand der hier Mitlesenden um eine historische Übersicht des literarischen Einsatzes des Vollmodes als Symbol des Unbekannten, Schaurigen, Fremden? Vielleicht sogar online zugänglich?

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