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Fliege-Esoterik und Schmidt-Kreationismus

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Jungliterat Benjamin von Stuckrad-Barre versucht heute in einem launigen Welt-Artikel, die Lux-Zahl von Jürgen Flieges Heiligenschein in Erfahrung zu bringen.

Einige Auszüge, die man nicht weiter zu kommentieren braucht:

Ein paar Tage zuvor war es in der Fernsehsendung von Markus Lanz hoch hergegangen, es war der Tag, an dem Loriot gestorben war, und nachdem man seiner eine Viertelstunde lang gedacht hatte, nahm die Runde Pastor Fliege in die Zange, weil unter dessen Namen irgendein Kräutergebräu für 39,90 Euro verkauft wird, das er, jetzt kommt’s, gesegnet hat, die „Fliege-Essenz“, und wenn man sich dieses Gebräu dreimal täglich in den Mund sprüht und vor jedem Sprühstoß die Wörter „Glaube“, „Liebe“ und „Zuversicht“ deklamiert, dann tut einem das total gut, sagt nämlich Jürgen Fliege, und nein, liebe Leser, ich bin nicht verrückt geworden, ich versuche nur, Ihnen den Sachverhalt darzulegen.“

Oder:

Die Redewendung „einen an der Waffel haben“ kommt einem in den Sinn, während Pfarrer Fliege irgendein Bibelzitat bemüht, das macht er häufig, und es ist ja auch ein dickes Buch. Bibelzitat und dann ohne Punkt und Komma weiter mit einer Interpretation, in der Wörter wie „Kotzen“, „Mist“ oder „Scheiße“ vorkommen, das ist die Rhetorik des Pastors Fliege, so erdet er die Heilige Schrift.“

Oder:

Er müsse sich am Markt orientieren, in der Spiritualität regiere, wie überall, der Markt, und die Kirche sei ein Anbieter. Das klingt modern und weltzugewandt, ist andererseits, knapp 500 Jahre nach Martin Luthers Thesengenagel, eine diskussionswürdige Formulierung, aber wenn man Fliege widerspricht, holt er bloß immer neue Bücher hervor, geradezu parodistisch-naturwissenschaftliche Ausführungen über „spirituelle Schwingungen“ in Wasser.

Und Geld koste schließlich alles, auch herkömmliches Weihwasser! Oder die Millionen Käßmann-Bücher! Den Namen spricht er fast angewidert aus, verständlich, hat sie ihn doch als oberste Trivialtheologin der Evangelischen Kirche praktisch beerbt, Jürgen Fliege war ja sozusagen die Margot Käßmann der 90er-Jahre. Sympathisch aber ist, dass er nicht ausschließt, sein Furor bei Nennung dieses Namens („Weihnachtsmannglaube! Spießiges Scheißzeug!“) könne auch durch Neid befeuert sein.“

Das Beste kommt zum Schluss. Stuckrad-Barre:

Es ist keine Unterstellung, eher ein Reflex, der mich nach der unerwarteten Umarmung [Flieges] an meine Hosentasche greifen lässt – aber mein Portemonnaie ist noch da.“

 

Am kommenden Dienstag (13. September) gibt’s übrigens nicht nur wieder Markus Lanz im Fernsehen – sondern auch die neue Harald-Schmidt-Show.

Anscheinend plant Dirty Harry irgendwas mit dem Thema Kreationismus, jedenfalls lesen wir in den Potsdamer Neuesten Nachrichten:

Bei Ihnen geht’s am Dienstag wieder los. Was dürfen wir erwarten?

Die volle Ladung. Kreationismus vom Feinsten. Ich bin Katholik und weiß deshalb: Evolution ist Lüge. Es gibt nur die Kreation, bums, und die Welt ist fertig. Das werden Sie bei mir ab Dienstag erleben. Ich gebe dem deutschen Fernsehzuschauer die einmalige Gelegenheit, beide Weltmodelle, Evolution und Kreationismus, innerhalb von nur 48 Stunden zu überprüfen. Einmalig, toll. Oder?“

Kreationismus ist gleich noch mal was genau?

Ich merke an Ihrem irren Blick, dass es mit der Bildung doch ein wenig klemmt. Ich mach’s einfach: Kreationismus ist der große religionsphilosophische Gegensatz zum Darwinismus. Es geht um die Darwinlüge. Ich selbst dachte lange, Darwin wäre ein Wettstudio, musste mich dann eines Besseres belehren lassen. Seitdem geht’s mit mir bergauf.“

Wie kamen Sie zum Kreationismus?

Ich hab davon gelesen. Eigentlich war ich Darwin-Anhänger – dessen Schiff doch gleich wie hieß? Richtig: Endeavour. Ich sehe schon, wir müssen hier von ganz unten anfangen.“

Was genau besagt denn nun der Kreationismus?

Die Evolutionstheorie, also Darwin, sagt, alles fing an mit einem Wurm oder meinetwegen einem Dino, also mit der Position, in der Herr Jauch sich jetzt gerade befindet, und endet irgendwann mit Rolf Eden.

Der Kreationismus sagt, Rolf Eden und der Wurm waren schon im Urknall angelegt und in der Perfektion vorhanden, wie wir sie heute kennen. Diese Theorie hat leider einen großen Nachteil: Man ist doch sehr allein, weil ein Großteil der Bekannten nicht auf diesem intellektuellen Niveau unterwegs ist. Aber mit einem guten Roten lässt’s sich aushalten.“

Wir werden sehen.

Zum Weiterlesen:

  • Jürgen Fliege: Dodo des Monats August 2011, brightsblog vom 8. September 2011

3 Kommentare

  1. Verstehe nicht ganz. Bestätigt Schmidt mit seinen wirren und zugleich selbstverliebten Satzbauten nur seinen bekannten Ruf als arroganter Halbintellektueller oder will er damit sowas wie hm, Humor suggerieren? Im letzteren Fall braucht er freilich das Lachen vom Band, sonst weiß man nicht, wann man selbst lachen muss.

    Es gibt wahrlich nur ganz wenige Menschen, denen ich bedenkenlos das Antlitz mit Schuhsohlen (nix mit weich) bearbeiten würde. Schmidt gehört dazu.

  2. Wer es bis jetzt nicht gemerkt hat: Harald Schmidt kann nicht mehr. Ja, komisch sein. Was denn sonst? In der Komik gibt es keine Helferlein aus der Apotheke in gelb oder blau. Und weil das so ist, muss sich das Team von Herrn Schmidt immer öfter in den obskursten Gegenden rumtreiben und mit aufgekrempelten Ärmeln ganz ganz tief ins dortige Humorklo greifen. Irgendeiner wird das schon lustig genug finden um es zu senden. – Aufregen über Schmidt? Ganz ehrlich, ich wüsste bis eben nicht mal, dass der wieder eine Sendung hat. Auf welchem Sender will ich schon nicht mehr wissen.

  3. Herr Fliege ist mir inzwischen so zuwider, dass mich der eklatante Vertrauensbruch von Stuckrad-Barre nicht mehr stört. Das wird allerdings der letzte „Tag mit Fliege“ sein. Ich fürchte, auch die weitere Karriere des Redakteurs wird Schaden nehmen. Hoffentlich hat sich dieses Manöver wenigstens „gelohnt“ in Aufklärungserfolg gegen üble Volksverdummung und Geschäftemacherei auf Kosten der Benachteiligten an Intelligenz und Wissen. Fliege ist die Karrikatur eines Klerikers schlechthin.

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