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„Goldenes Brett“ im Laborjournal

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Im aktuellen Laborjournal (7/2011) findet sich ein Rückblick auf die Verleihung des Skeptic Award „Das Goldene Brett“ im Rahmen der Wiener GWUP-Konferenz.

Autorin ist Dr. Julia Offe.

Online ist der Beitrag „Preis für Unfug“ nicht verfügbar – außerdem handelt es sich dabei um eine gekürzte Version des Originaltextes, den wir im Folgenden dokumentieren:

Wieviel Phantasie und Kreativität Esoteriker in ihre Thesen und Produkte einbringen, fällt all zu oft unter den Tisch.

Jetzt hat es endlich mal jemand honoriert: Und zwar bei der diesjährigen Jahrestagung der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP), die im Juni in Wien stattfand.

Der Vortragssaal im prächtigen Wiener Naturkundemuseum war bis auf den letzten Stehplatz besetzt, als die Jury die Nominierten für den Preis „Das Goldene Brett“ bekanntgab, vergeben für den „herausragendsten Unfug des Jahres“.

In den Wochen davor hatten die Initiatoren über die Internetseite goldenesbrett.at viele hundert Vorschläge gesammelt, aus denen die aus Wissenschaftlern und Journalisten bestehende Jury drei Finalisten aussuchte. Doch wie bewertet man esoterischen Unsinn?

Die Kriterien dafür reichten vom „Grad der Abwegigkeit – wie sehr stehen die Theorien im Widerspruch zu gestützten Theorien/Naturgesetzen?“ über „Kritikresistenz“ der jeweiligen Vertreter der Theorien, ihr kommerzielles Interesse an der Sache bis zum Gefahrenpotenzial der propagierten Weltbilder oder Produkte.

Pluspunkte von der Jury gab es auch für „Bandbreite/Wirkungsspektrum – bemüht der Nominierte gleich mehrere Gebiete der Para- und Pseudowissenschaften?“.

Die Vorschlagliste las sich dann auch wie ein Who is who der deutschsprachigen Esoterikszene. Zu den am häufigsten nominierten gehörten Vertreter verschiedener Formen der Wasserbelebung, die sich besonders in Österreich einer ausgewachsenen Beliebtheit erfreut, über Anbieter der eher unbekannten „Quanten-Fraktal-Strahler“ (die allein für den Begriff schon einen Preis verdient hätten) und Tachyonenenergetisierung bis hin zu esoterischen Dauerbrennern wie den Astrologen oder Erich von Däniken.

In die Runde der letzten drei schafften es schließlich der österreichische Regisseur Peter-Arthur Straubinger mit seinem Film „Am Anfang war das Licht“, die deutsche Verschwörungstheoretikerin Claudia von Werlhof von der Universität Innsbruck und Mario-Max Prinz zu Schaumburg-Lippe mit seinem „Reichtums-Royal-Elixier“.

Der Prinz vertreibt sein Elixier über den Sender Astro.tv, wo er darüber hinaus „mit seiner ausgeprägten Hellsicht und dem I-Ging Orakel“ persönliche Beratungsgespräche feilbietet.

Sein Reichtums-Royal-Elixier ist ein gritzegrün gefärbtes Parfum – Pardon, es ist natürlich „mit der grünen Reichtumsenergie aktiviert“. Es kommt in einem entsprechenden Flakon in einer vom Prinzen signierten Pappschachtel daher und schon beim ersten Bestellen klingelt der Geldbeutel: Denn im Moment ist das Duftwässerchen zum Vorzugspreis von schlappen 99,95 Euro statt 129,95 zu haben!

Da kann man nicht meckern, denn „das angenehme Royal Elixier ist eine Entwicklung aus dem Wissen um die tausendjährige Geschichte von ewigem Royalem Reichtum“. Wobei man sich allerdings fragen muss, woher dieses tausendjährige Wissen kommt. Der Wiener Journalist Robert Misik erklärte in seiner Laudatio:

„Es gibt das bürgerliche Vorurteil, dass manche Sonderlichkeiten irgendwie mit den Genen zusammenhängen und mit den evolutionären Nachteilen, die jahrhundertelange Inzucht so mit sich bringen. Prinz Mario-Max wurde aber als Mario-Helmut Wagner geboren und kam erst durch Adoption zu seinem klangvollen Namen.

Dennoch würde man ihm sofort glauben wollen, wenn man ihn so im Fernsehen sieht, dass er einer Generationenfolge entsprungen ist, die durch jahrhundertelange Vermählung zwischen Schwestern und Brüdern, Kusinen und Cousins charakterisiert ist. Man glaubt ihm den Prinzen sofort – und das ganz ohne Gene“.

Und dieser Prinz erklärt die Wirkungsweise seines Wunderwässerchens bei Astro TV so: „Ein Sprühstoß genügt, und die Reichtumsenergie vertausendfacht sich, der Reichtum, das Geld finden einen dann selbst, man braucht ihnen nicht mehr nachzulaufen“. Zur Sicherheit sollte man nicht nur sich selbst einsprühen, sondern er empfiehlt auch „die Kontoauszüge, die Lottoscheine oder Bargeld“ einzusprühen – und es handele sich überdies um ein „hochseriöses Produkt“.

Seine Nominierung für das „Goldene Brett“ nahm er übrigens gelassen und sandte sogar eine Videobotschaft nach Wien, in der er sein Reichtumselixier noch einmal anpries.

Seine Eltern waren sogar persönlich ins Naturkundemuseum gekommen: Die Mutter ärgerte sich in ihrer Replik zwar über die Inzestbemerkung des Laudators, stichelte dann aber mal mehr, mal weniger humorvoll gegen die GWUP, huldigte ihrem Sohn und endete mit der Übergabe einer – originalverpackten – Klobrille an die Jury, denn: „Auf diesem Brett sind alle Menschen gleich“.

Die Innsbrucker Professorin Claudia von Werlhof nahm ihre Nominierung weniger entspannt auf.

Sie besetzt einen Lehrstuhl am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck und forscht dort über Genderfragen. Die bisherigen Ergebnisse von Werlhofs Arbeit fasste die Laudatorin, die Wiener Schauspielerin Anne Frütel, so zusammen: „Frauen sind gut, Männer sind schlecht“.  Und das Patriarchat sei sowieso meistens schuld.

Auf die Shortlist zum Goldenen Brett geschafft hatte es Werlhof aber wegen ihrer These, die Amerikaner hätten das Erdbeben in Haiti im Jahr 2010 ausgelöst, bei dem mehr als 300.000 Menschen ums Leben kamen.

Als Grund gibt Werlhof in einem Interview mit dem österreichischen Standard an, dass sich die Amerikaner das Land anschließend unter den Nagel reißen wollten. Denn die Technik, die sie zum Auslösen des Erdbeben benutzten, werde schließlich auch zum Aufspüren von Erdölfeldern eingesetzt und bei Haiti sei wohl etwas zu holen.

Logisch – bei einem völlig zerstörten, bitterarmen Land, ohne Infrastruktur und von Cholera geplagt kann eine Supermacht nicht Nein sagen.

Werlhof legt übrigens in mehreren E-Mails in Zusammenhang mit dem „Goldenen Brett“ Wert darauf, dass sie nicht behauptet, die Amerikaner hätten das Erdbeben ausgelöst, sondern lediglich, sie hätten es gekonnt. Und zwar durch das HAARP-Projekt (High Frequency Active Auroral Research Program), mit dem die US-Amerikaner in der Antarktis die Ionosphäre erforschen.

Ein Gedankenkniff dient Werlhof als Argument: „Von meiner Theorie her entspricht das genau der These von der patriarchalen Schöpfung aus Zerstörung. Außerdem: Öffentlich wird so etwas überhaupt nicht diskutiert.“

Öffentlich nicht diskutiert? Na, dann muss die These ja stimmen.

Den Sieg davon trug aber der Regisseur P.A. Straubinger mit seinem Film „Am Anfang war das Licht“ von 2010. Im Stil eines Dokumentarfilms porträtiert er darin Menschen, die von sich behaupten, längere Zeit oder gar dauerhaft ohne Nahrung auszukommen und sich stattdessen von Licht oder anderen, heterotrophen Organismen gemeinhin nicht zugänglichen Energiequellen zu ernähren.

Der enorm übergewichtige Physiker und Mitglied der Comedytruppe „Science Busters“, Werner Gruber, begann seine Laudatio mit den Worten: „Das könnte erklären, dass wenn ich nachts zum Kühlschrank gehe, dass es nicht das Punschkrapferl ist, sondern das Licht vom Kühlschrank, was meine Probleme verursacht.“

Am Anfang des Films stellt er die Australierin Jasmuheen (bürgerlich Ellen Greve) vor, die ein dreiwöchiges Programm erfunden hat, nach dessen Absolvieren jeder in der Lage sein soll, ausschließlich von „göttlicher Energie“, im Klartext: von nichts, zu leben.

Dem Probanden, den Straubinger begleitet, geht es erkennbar mies und er entschließt sich am vierten Tag, doch wieder zu trinken und zu essen.

Jasmuheen selbst verzichtet jedoch angeblich seit Jahren auf jegliche feste Nahrung. Trotzdem erklärt sie im Interview mit Straubinger munter, sie äße gelegentlich ein Stück Schokolade – aber das sei nur „für den Geschmack“, und außerdem wisse sie ja, dass sie ohne Nahrung auskommen könne, und daher müsse sie niemandem mehr etwas beweisen.

Der Grund dafür, dass man lernen könne, ausschließlich von Licht zu leben, sei im Übrigen durchaus molekularbiologischer Natur: Ihre DNA sei durch die göttliche Lebensenergie nicht mehr doppel- sondern zwölfsträngig. Leider nicht nur zum Lachen – im Zusammenhang mit ihrer hanebüchenen Lehre sind Todesfälle dokumentiert.

Doch das alles kümmert Straubinger nicht. Mit erschütternder Naivität lässt er sie erzählen

Straubinger erzählt auch den Fall des indischen Fakirs Prahlad Jani, der nach eigenen Angaben seit 75 Jahren nicht mehr gegessen und getrunken, sondern sich ausschließlich von Licht ernährt hat. Bei einer einige Tage dauernden Untersuchung in einer indischen Privatklinik konnten die dortigen Ärzte nicht feststellen, wie er das anstellt.

Straubinger lässt mehrere Ärzte ihre Verwunderung darüber ausdrücken – und verschweigt geflissentlich die Ergebnisse der Blutuntersuchungen, nach denen die harnpflichtigen Substanzen im Blut des Hungerkünstlers langsam ansteigen – bis sie sich nach einem ausgiebigen Bad und gründlichem Zähneputzen wieder normalisieren.

Während im ersten Teil des Films besonders Straubingers naive und unkritische Herangehensweise zu beanstanden ist, bei der er die sich aufdrängenden, interessanten Fragen nach Verdrängungsmechanismen, Selbsttäuschung und Gruppendynamik auslässt,  gerät der Film gegen Ende zu einer esoterischen Wundertüte.

Jeder Vertreter abwegiger Theorien, der einen akademischen Titel vorweisen kann, darf vor der Kamera seine Meinung abgeben: Da geht es von Telekinese über Biophotonen und Aurafotografie bis hin zur alles erklärenden Quantenphysik. Wie Werner Gruber in seiner Laudatio sagte: „Mit Quantenmechanik kann man praktisch für alles argumentieren – kaum jemand kennt sich nämlich damit aus.“

P.A. Straubinger war gutgelaunt zur Preisverleihung erschienen, bedankte sich ausführlich und wurde nicht müde zu betonen, dass er die hohen Zuschauerzahlen vor allem den Bloggern aus den Reihen der GWUP zu verdanken habe.

Denn nur  dadurch, dass sie sich zum Teil monatelang immer wieder über den Film aufgeregt haben, hätte er diese unglaubliche Popularität erlangt. Und außerdem wolle er mit dem Film keineswegs zum Lichtfasten aufrufen, sondern allein „das materialistische Weltbild hinterfragen – aber Sie hier glauben ja alle an dieses Weltbild.“

Insgesamt war es eine kurzweilige, amüsante und aufschlussreiche Veranstaltung.

Einer der Initiatoren des Preises, Michael Horak, freute sich: „Es ist besser gelaufen, als wir alle gehofft hatten. Wir hätten nie gedacht, dass gleich beim ersten Event der Preisträger herkommt und sich den Preis abholt, Hut ab. Wir danken den drei Nominierten für die extreme Sportlichkeit und werden den Preis im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder vergeben.“

Man darf also gespannt sein.“

Zum Weiterlesen:

  • Das „Goldene Brett“ für P.A. Straubinger, hpd-online am 3. Juni 2011

2 Kommentare

  1. Verstehe ich es richtig: nun werden Schauspielern Engagements entzogen, nur weil sie einer gewissen Weltanschauung sind? Gab es so etwas nicht bereits zweimal im vergangenen Jahrhundert in Deutschland?

    Haben wir heute nicht zufällig einen wichtigen 50. Jahrestag?

    Welche wissenschaftlichen Entdeckungen hat eigentlich diese Frau Caberta auf dem Verzeichnis? In welchem Bereich?

    Auch wenn mir die Ansichten und Methoden der Scientology oder anderen Sekten (Homöopathie, Ökologismus…) zutiefst zuwider sein mögen: es gehört zur freien Meinung, solche idiotischen Ansichten zu äußern und das straffrei.

    Was aber hier passiert, ist Aktuelle Kamera auf unterstem Niveau. Shame!

  2. @Dalek:

    Nein, das verstehen Sie nicht richtig – das Gegenteil ist der Fall.

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