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Gescheitert am Schädeldeuter

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Im Karriere-Spiegel gibt’s heute ein Interview zum Thema „Obskure Personalauswahl“.

Der Psychologie-Professor Uwe Peter Kanning erzählt, wie manche Firmen ihre Mitarbeiter mit Hilfe von Schädeldeuterei, Astrologie oder Graphologie auswählen.

Ein Auszug:

Sie sprechen von einer bizarren und leicht durchschaubaren Traumwelt der pseudowissenschaftlichen Diagnostik, von Scharlatanen. Aber warum haben diese Scharlatane dennoch so viel Erfolg?

Kanning: Alle Pseudowissenschaften bieten schnelle Lösungen an und versprechen, dass der Bewerber das Ergebnis nicht manipulieren könne, was ja bei einem Vorstellungsgespräch – wenn auch nur begrenzt – möglich ist. Seinen Schädel oder sein Sternbild kann keiner verfälschen.

Das klingt für viele Personaler sehr attraktiv, sie suchen so etwas wie eine geheime Formel, mit der sie Menschen durchschauen können. Dabei verweisen die Scharlatane gern auf Jahrtausende altes Erfahrungswissen. Auch das kommt oft gut an: Wenn’s schon die alten Chinesen oder Griechen wussten, kann es ja so falsch nicht sein. Denkt man das allerdings konsequent zu Ende, dann müssten wir ja heute auch noch zu den Göttern beten, um nicht vom Blitz erschlagen zu werden.“

Über solche und andere „Absurde Methoden der Psychodiagnostik“ hat Kanning unlängst auch schon im Skeptiker (3/2010) publiziert:

Kann man aus der Schädelform, den Gesichtszügen eines Menschen, seiner Handschrift oder seinem Vor- und Zunamen Informationen über seine Persönlichkeit, seine Talente oder gar seine Bestimmung ablesen?

Nein, natürlich nicht. Dennoch versuchen Pseudowissenschaften wie die Psycho-Physiognomik, die Graphologie oder die Namenspsychologie, uns das Gegenteil glauben zu lassen. Dabei lassen sie sich z. T. erstaunlich gut vermarkten.

Nicht nur Privatpersonen, auch Firmen nutzen bisweilen die Dienste entsprechender Anbieter beispielsweise zum Zwecke der Personalauswahl. Im Folgenden werden die drei genannten Methoden in ihren Grundzügen vorgestellt. Dabei wird jeweils nach der inhaltlichen Stimmigkeit sowie der empirischen Evidenz gefragt.“

Den ganzen Artikel gibt’s hier.

6 Kommentare

  1. @Skeptikus

    Auch die derzeit verwendeten Standardmethoden nach Meyers Briggs und Co sind grundsätzlich nicht besser.
    Alle diese Testmethoden verschieben die Entscheidung einer Führungskraft auf ein Testergebnis, das ermöglicht dann, dass Verantwortung nicht wahrgenommen wird.
    Für fachspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten sind Tests sehr wohl geeignet.
    Ob jemand im Team Erfolge bringen kann oder nicht wird immer erst in der Praxis entschieden, das ist meine langjähirge Erfahrung.

  2. @retiree:
    „Auch die derzeit verwendeten Standardmethoden nach Meyers Briggs und Co sind grundsätzlich nicht besser.“

    –> doch sind sie dann, wenn sie den gütekriterien klassischer testtheorie genügen.

    „Alle diese Testmethoden verschieben die Entscheidung einer Führungskraft auf ein Testergebnis, das ermöglicht dann, dass Verantwortung nicht wahrgenommen wird.“

    –> Testverfahren helfen eine Entscheidung zu objektivieren. Die Verantwortung bleibt natürlich trotzdem beim Entscheidungsträger. Falsch wäre zu glauben, dass unobjektive (d.h. streng subjektive) Entscheidungen für wahrgenommene Verantwortung sprechen. Das Gegenteil ist doch wohl der Fall!

    „Für fachspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten sind Tests sehr wohl geeignet. Ob jemand im Team Erfolge bringen kann oder nicht wird immer erst in der Praxis entschieden, das ist meine langjähirge Erfahrung.“

    –> das ist coffee-table-talk, empfehle dazu einfach mal Bücher zu Assessment Centern zu lesen… mein das nicht böse, aber hier ist nicht genug platz um detailiert übers ac zu informieren – so gewünscht, kann ich aber eigene zusammenfassungen dazu mailen…

  3. Hier noch ein aktueller Artikel aus der ZEIT:
    http://www.zeit.de/campus/2011/06/arbeiten-dwdd

    „PERSONALAUSWAHL
    Die falsche Nase
    Manche Unternehmen wählen Mitarbeiter nach der Schädelform aus

    Wer zum Vorstellungsgespräch bei Klaus Eisenblätter geladen ist, sollte nicht nur gute Zeugnisse mitbringen, sondern auch die passenden Gesichtszüge. Der Personalberater hilft großen Firmen bei der Bewerberauswahl – und glaubt fest an Genetik. »Der Urcharakter eines Menschen steht von Geburt an fest«, sagt er. Ungeduldige Menschen etwa erkenne er am starken Unterkiefer.

    Psycho-Physiognomik nennt sich der groteske Versuch, vom Äußeren aufs Innere zu schließen. Die Nazis nutzten die Lehre, um ihre Rassentheorie zu untermauern. Heutige Vertreter der Methode distanzieren sich davon natürlich. Wissenschaftlich gesehen ist die Theorie völliger Humbug. »Es ist traurig, dass das noch gemacht wird«, sagt der Osnabrücker Psychologe Uwe Kanning.“

  4. Hier noch zwei aktuelle Linktipps:

    Interview mit Prof. Uwe Kanning: Obskure Menschenkenner: Wie Personaler Inkompetenz beweisen
    http://www.haufe.de/personal/newsDetails?newsID=1323331716.3

    und

    Die Physiognomin Tatjana Strobel im Schweizer TV: Jetzt auf Skeptiker-blog.ch:

    http://www.skeptiker-blog.ch/2011/12/gesichterleserei-im-schweizer-fernsehen.html?

  5. Hier ein schöner Beitrag aus der NZZ:
    Die Schädeldeuter
    Die Wissenschaft entdeckt die Physiognomik wieder
    http://www.nzz.ch/nachrichten/hintergrund/wissenschaft/die_schaedeldeuter_1.13693291.html

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