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Homöopathie: Hochverdünnte Argumente

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Unsere homöopathischen Freunde leiden sichtlich an den nicht bewältigten Herausforderungen durch die Aufklärung – konkret durch die 10:23-Aktion der Skeptiker.

Wenig mehr als der gequälte Gag, es habe sich dabei ja „eigentlich“ um eine „Safety-Studie“ gehandelt, welche die Sicherheit der Homöopathie beweise, ist den Mannen z.B. der Ärztegesellschaft für Klassische Homöopathie (ÄKH) bislang nicht dazu eingefallen.

Aber das ist allemal besser als die Realsatire des Verbands klassischer Homöopathen Deutschlands e.V. (VKHD), der in einer Pressemitteilung vollkommen ernsthaft Herrn Emoto in den Zeugenstand ruft:

Dass Schwingungen auf die Umwelt wirken, zeigt sich beispielsweise an den Versuchen, die Dr. Masaru Emoto (Masaru Emoto, Die Botschaft des Wassers) durchgeführt hat.“

Lieber VKHD: Derjenige, der in einer Diskussion über Homöopathie als Erster Dr. Emoto erwähnt, hat verloren und darf ausgelacht werden – nicht gewusst?

Wesentlich geistreicher ist die Comedy-Nummer „Safety-Studie“ von der ÄKH zwar auch nicht, aber immerhin …

Immerhin stellen unsere homöopathischen Freunde damit unter Beweis, dass sie ihren Hahnemann nicht mal gelesen haben. Denn im „Organon“ heißt es:

Die Angemessenheit einer Arznei für einen gegebenen Krankheitsfall beruht nicht allein auf ihrer treffenden homöopathischen Wahl, sondern eben so wohl auf der erforderlichen, richtigen Größe oder vielmehr Kleinheit ihrer Gabe. Giebt man eine allzu starke Gabe von einer, auch für den gegenwärtigen Krankheitszustand völlig homöopathisch gewählten Arznei, so muß sie, ungeachtet der Wohlthätigkeit ihrer Natur an sich, dennoch schon durch ihre Größe und den hier unnöthigen, überstarken Eindruck schaden, welchen sie auf die Lebenskraft und durch diese gerade auf die empfindlichsten und von der natürlichen Krankheit schon am meisten angegriffenen Theile im Organism, vermöge ihrer homöopathischen Aehnlichkeits-Wirkung macht.“ (§ 275)

So gesehen, mutet es schon reichlich seltsam an, wenn ÄKH-Vize Prof. Michael Frass im Standard auf die Frage

Bei der Aktion 10:23 nehmen hunderte Aktionisten einmalig eine größere Anzahl Globuli ein. Welche Wirkung darf man sich aus homöopathischer Sicht erwarten?“

antwortet:

Selbstverständlich keine, weil die einmalige Einnahme einer Hochpotenz bei gesunden Personen nur selten ausreicht, eine Reaktion hervorzurufen. Jede Arzneimittelprüfung an gesunden Probanden setzt voraus, dass die Einnahme eines Präparates häufiger erfolgt. Es spielt auch keine Rolle, ob jemand zwei oder aber 500 Kügelchen auf einmal schluckt.“

Soso. Eine Antwort darauf ersparen wir uns, denn das hat bereits der Esowatch-Blog übernommen:

Was der olle Hahnemann gesagt hat, ist sowieso egal, bis auf seine geniale Erfindung, dass mit diesem homöopathischen Prinzip jeder individuell vor sich hin spinnen kann, ohne dass ihm einer ins Handwerk pfuscht. Nennt sich dann “individuelle Therapie”. Wer will da widersprechen.“

Auch der Rest der Analyse des Frass’schen Standard-Interviews ist lesenswert.

Überhaupt ist das mit der forschen Negation eines Wirkungseintritts bei einmaliger hoher Überdosierung und der humorigen Umdeklarierung von „10:23“ zur „Safety-Study“ so eine Sache.

Denn in einem Leser-Kommentar zu einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers („Show von Kügelchen-Kritikern“) schrieb ein Globuli-Fan:

Übrigens: Die Selbstversuch-Probanden bitte mal nach Ihrer Befindlichkeit nach 2-6 Tagen fragen!“

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) wiederum machte uns folgenden Gegenvorschlag:

Nehmen Sie eine Woche lang mehrmals täglich einige Kügelchen zu sich. Verwenden Sie dafür beispielsweise Schwefel (Sulfur) in einer C 30 (also weit jenseits der Avogadro-Zahl). Die Wahrscheinlichkeit, dass das eine oder andere Phänomen auftritt, ist bei häufigerer Einnahme deutlich höher.“

Wie eine aufmerksame Kommentatorin unseres Bloggings „Das war 10:23“ feststellte, haben wir damit also schon drei Varianten:

  • 1) Die Einmal-Einnahme wirkt gar nicht.
  • 2) Die Einmal-Einnahme wirkt nach 2 bis 6 Tagen.
  • 3) Die Einnahme wirkt nach einer Woche, aber nur bei regelmäßiger Einnahme.

Das ist schon seltsam genug. Aber es kommt noch besser.

Denn was genau dann eigentlich passiert, ist noch weitaus diffuser, wie uns ein weiterer Kommentator auseinandersetzte. Nach homöopathischer Lehre könnte die Wirkung nämlich so aussehen:

  • 1. Eine rasche Heilung findet statt, ohne Verschlechterung der Symptome.
  • 2. Die Verschlechterung verläuft schnell, kurz und heftig, gefolgt von rascher Besserung des Patienten.
  • 3. Lange Verschlechterung mit abschließender und langsamer Besserung des Patienten.
  • 4. Lange Verschlechterung mit abschließendem Verfall des Patienten.
  • 5. Andauernde Besserung der Symptome ohne spezielle Linderung.
  • 6. Zuerst Besserung mit nachfolgender Verschlechterung.
  • 7. Zu kurze Linderung der Symptome.
  • 8. Alte Symptome erscheinen.
  • 9. Neue Symptome tauchen auf, nachdem das Mittel verabreicht worden ist.
  • 10. Patient „prüft“ jedes verabreichte Mittel.
  • 11. Die Symptome schlagen die falsche Richtung ein.

Da müssen wir dem Homöopathie-Kritiker Prof. Edzard Ernst wohl Recht geben, der dieser Tage meinte, Homöopathie verhalte sich zur Medizin wie eine Luftgitarre zur Musik.

Und dann schließlich gibt es da noch ein lustiges youtube-Video, das zwei Homöopathen bei der 10:23-Aktion Berlin gedreht haben und sich am Schluss arg verunsichert darüber austauschen, ob „10:23“ nicht vielleicht eine „unerlaubte Arzneimittelprüfung“ sein könnte.

Dieser Frage nahm sich der Scienceblog zoon politikon an. Das Fazit (ein aktuelles Update gibt’s hier) sei kurz zitiert:

An der Wirkungslosigkeit der Homöopathika ändert dies nichts. Oder haben wir letzten Samstag etwa ein paar Skeptikerinnen und Skeptiker verloren?“

Alles in allem können wir den Schluss ziehen: Unser Homöopathie-Freunde scheinen tatsächlich zu glauben, dass dünne Argumente irgendwie besser wirken.

Zum Weiterlesen:

  • 10:23 – Ungenehmigte Arzneimittelprüfung? zoon politikon am 7. Februar 2011
  • 10:23 – Ungenehmigte Arzneimittelprüfung Teil II, zoon politikon am 9. Februar 2011
  • Was hat die GWUP gegen Homöopathie? GWUP-Blog am 1. Februar 2011
  • Homöopathie: Parallelwelt ohne Naturgesetze, GWUP-Blog am 2. Februar 2011
  • Medizin ohne geistige Umweltverschmutzung, GWUP-Blog am 3. Februar 2011
  • Unmögliches muss man nicht erklären, GWUP-Blog am 4. Februar 2011
  • Streit um Homöopathie: Tierischer Placebo-Effekt, Spiegel-Online am 5. Februar 2011
  • Homeopathy Overdose Befuddles Homeopaths, Blog NeuroLogica am 11. Februar 2011

14 Kommentare

  1. Apropo Langzeitversuch:
    Liebe Homöopathen,
    ich führe nun seit über 35 Jahren offenbar ohne es geahnt zu haben eine unerlaubte Arzeneimittelprüfung durch: Täglich nehme ich etwa 2 Liter einer Flüssigkeit auf, die mit hochpotenzierten Dosen (zumindest theoretisch) aller in der Homöopathie verwendeten Substanzen versetzt sein dürfte. Die meiste Zeit geht es mir dabei gut, bis auf eine kleine Erkältung neulich, di8e aber, sicher aufgrund der fortgesetzten Therapie, wieder verschwunden ist. Übrigens dusche, bade und putze meine Zähne täglich mit dieser „Arznei“, die im allgemeinen Sprachgebrauch auch unter dem leicht irreführenden Begriff „Leitungswasser“ vertrieben wird. Aber nach Euren Angaben müsste ich doch eigentlich aufgrund der langjährigen (!) wiederholten (!!) Überdosierung doch schon längst tot sein – oder doch gleichzeitg unheilbar gesund? Oder haben die Wasserwerke den Stoff falsch herum geschüttelt? Hilfe! – Aber halt, es naht Rettung: Einer der Euren hat sich des Sachverhaltes doch schon angenommen – es gibt doch glücklicherweise keine Lösung ohne passendes Problem…
    http://www.energetisierung.com/wasser-trinken-vorsicht-vor-homoopathischen-schadstoff-informationen/
    Na dann hoch die Sonnenkrüge und prost!

  2. Ja die Reaktionen der Homöopathieanhänger sind ganz schön konfus, gut geschenkt, sie weichen den wichtigen Argumenten ja eh aus und werfen Nebelkerzen in die Diskussion.
    Z.B. zur Frage ob die Demonstration nicht ein genehmigungspflichtige Arzneiprüfung sei:

    http://www.scienceblogs.de/zoonpolitikon/2011/02/1023-ungenehmigte-arzneimittelprufung-teil-ii.php?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+ScienceBlogs%2FWidget+%28ScienceBlogs+Widget%29&utm_content=FaceBook

  3. Hier noch ein paar Photos von der Hamburger Aktion, die auch von Spiegel Online gefilmt wurde.
    http://www.dropbox.com/gallery/3318292/1/1023?h=375aa8

  4. irgendwie fällt mir da eine alte wetterweisheit ein: „kräht der hahn auf dem mist, ändert sich wetter oder es bleibt wie es ist.“

    nimmst du die kügelchen ändert sich was, oder es bleibt wie es ist. oder alles andere ist auch möglich. nennt man sowas dann nicht zufall?

  5. Die Idee, vor der nächsten 10:23-Aktion sich die Unbedenklichkeit beim BfArM bescheinigen zu lassen, hat viel Charme …

    Das Angebot einer Beratung von jener Stelle sollte ernsthaft erwogen werden. Zitat nach zoonpolitikon:
    „Auf diese Weise können meist schon im Vorfeld Unsicherheiten und Spekulationen vermieden werden und für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verlässliche und transparente (…) Rahmenbedingungen geschaffen werden“

  6. James Randi hat hat ja einen Preis ausgesetzt:
    Die Homöopathen können viele Dollar gewinnen, wenn sie den Beweis führen, dass ihre Präparate mehr wert sind als Placebos.
    Wenn Randi die Homöopathen endlich dazu kriegen sollte, diese Versuche mit ihm so zu gestalten, dass sie sich erstmal selber von ihren abstrusen und sich widersprechenden Ideen trennen, dann wäre das auch eine Art Wunder.
    Ich glaube nicht, dass sie das tun werden. Denn es ist doch bisher einfacher, mit den altbewährten Nebelkerzen viel Geld zu verdienen.
    Solange ein „normaler Schulmediziner“ nur wenige Minuten Gesprächszeit abrechnen darf und er sich und die Mitarbeiter mit immer mehr Büroarbeit quält, haben die Homöopathen und andere Heiler es leichter. Der Patient zahlt dort für längere Gespräche zumeist privat.
    Das Problem ist nur, dass ich als Patientin und Nichtmedizinerin nicht mehr unserem Gesundheitssystem trauen kann, wenn es politisch gewollt ist, dass dubiose Heilmethoden von einigen Universitäten, Krankenhäusern, Ärzten und Krankenkassen auch noch gefördert werden, während es an anderen Ecken fehlt.

  7. @inge koch

    genau das ist der Punkt, was Homöopathiegläubige gern verwechseln oder bewusst auch ins Feld führen ist ja der irrige Annahme, wer gegen Homöopathie ist, befürwortet das intensive und blinde Schlucken von Antibiotika und idealisiert die Pharmaindustrie oder wird gar von ihr bezahlt.

    Mein Standpunkt ist der, dass das Gesundheitsabrechnungssystem die Punkte Placeboeffektmaximierung, Gespräche, Zuneigung etc. integrieren muss und nicht eine abergläubisch-naive Zauberzuckerglobuli-Ideologie notwendig ist. Rituale sind sicherlich wichtig, auch Hoffnung usw. Wozu der unreflektierte Glaube führen kann ist ja belegt, Masern, Malaria und Aids, klar, Homöopathie hilft. Wie du stopfst schon für 100 EUR Pillen in dich rein, dann nimm doch noch zusätzlich ein paar Zauberzuckerli ein und damit du nicht zu günstig wegkommst, musst du unbedingt zu einem Homöopathen gehen, der dir für Geld natürlich dein individuelles Mittelchen ermittelt. Aber wehe, einer wagt es zu bezweifeln, dass hier auch (nicht nur) ökonomische Gründe eine Rolle spielen. ;-)))

  8. Hier noch ein Beitrag
    http://gemischte-gedanken.blogspot.com/2011/02/ich-lebe-immer-noch.html

    Zitat:“Im Übrigen wollen wir doch die Beweislast nicht verkennen: Nicht die Skeptiker müssen beweisen, dass Homöopathie nicht wirkt. Wer mit Zuckerpillen Geld verdient, der muss seine Behauptung beweisen, dass es sich um ein wirksames Arzneimittel handelt. Und das ist den „seit 200 Jahren etablierten“ (Zitat aus dem Eingangsstatement der WDR-Moderatorin) Homöopathen bis heute für keine einzige Indikation gelungen. In 200 Jahren nicht.“

  9. Und hier eine Erwiderung eines Homöopathen auf den kritischen Beitrag von Mark Benecke bei RadioEins:
    http://www.radioeins.de/programm/sendungen/die_profis/archivierte_sendungen/beitraege/pro_homoeopathie.html

    Der Inhalt ist garantiert erkenntnisfrei und es wird von Quantenphysik und fehlendem Wirkmechanismus geschwurbelt und natürlich wird, ohne rot zu werden behauptet, dass das Schütteln und Verdünnen (Potenzieren) was ganz Tolles wäre und nicht nur ein magisches Ritual aus einer Zeit von vor 200 Jahren. Die Marburger Erklärung zur Homöopathie wird von der durchaus kritischen Reporterin erwähnt und vom Homöopathen abgewatscht. Ganz großes Kino.

  10. Das, was der Herr Prof. Andreas Michalsen da herunterschwurbelt, ist zum größten Teil Originalton Claudia Witt.
    Was allerdings nicht wundert, da Michalsen lt. Wissenschaftler am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Charité ist, dem wiederum Claudia Witt vorsteht.

    Offenbar ist das Gelaber von der Homöopathie als „komplexes Heilverfahren mit Gesprächstherapie und Lebenstilberatung“, bei dem die homöopathische Arznei nur ein kleiner Bestandteil (suggeriert wird: ein zu vernachlässigender Bestandteil) ist, die aktuelle Strategie aus dem Hause Willich/Witt.

    Neudefinition der Homöopathie par ordre du mufti gewissermaßen.

    Schön sind aber die krampfhaften Versuche, nicht vorhandene Phänomene zu noch ungeklärten Fragen umzuarbeiten. Das fällt wohl unter die Kategorie „Arbeitsplatzsicherung für forschende Esoteriker durch Cargo Cult Science“

  11. Bei DocCheck News ist ein guter Beitrag über die 10:23 Aktion gepostet worden.
    http://news.doccheck.com/de/article/203063-homoeopathie-spassattacke-auf-die-verduenner

    Bei den Kommentaren geht aber richtig die Post ab, die Heilpraktiker sind sauer ;-))) Schade nur, dass es bis auf die üblichen Scheinargumente „aber bei meiner 16jährigen Tochter hat es doch geholfen“ und „die Quantenphysik hat bewiesen das“….
    keine Diskussion gibt, man redet nur aneinander vorbei und verpasst somit eine Chance sich anzunähern.

  12. 1. Ich brauch für das nächste Jahr so ein T-Shirt.
    2. Soviel Zucker ist ungesund.
    3. Das da keiner was in seinen Kaffee geschüttet hat, da hät es ja noch sinn.

  13. Wir wissen (fast) alle, dass Homöopathie ihrer Grundlage nach Humbug ist. Allerdings sollten wir uns um die Placeboeffekte kümmern und diese mehr erforschen. Denn wir bezahlen Novartis, Aventis und allen anderen im Vergleich zur HP Unsummen für doch bis zu 80% Placeboeffekt. Schon Frauen und Männer reagieren doch häufig völlig verschieden, verschieden Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt ebenfalls.
    Also, das ganze mal positiv sehen.

  14. Nachdem ich jetzt weiß, dass Leitungswasser, das weder belebt noch belehrt wurde, so schlimm sein kann, bin ich sowas von froh, dass ich nur Bier und Wein trinke.

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