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Panther, Ufos – und die Glaubensmaschine

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Heute ist im Trierischen Volksfreund ein kurzer Artikel erschienen, der eigentlich den Schlusspunkt hinter die „Panther“-Sichtungen der vergangenen Tage setzen könnte: „Wildkatze auf Mäusejagd löst Pantheralarm aus“.

Was war geschehen?

Der Panther, der seit Monaten durch die Region streifen soll, hat wieder für Aufregung gesorgt: Sein vermeintliches Auftauchen bei Holzerath (Kreis Trier-Saarburg) sorgte am Mittwoch für einen Polizeieinsatz. Am Ende wurde das ,exotische Raubtier‘ als heimische Wildkatze identifiziert.“

Allerdings, setzt der Journalist hinzu: „Diese Verwechslung ist kein Beleg dafür, dass der echte Panther nicht doch existiert.“

Das ist natürlich richtig. Und auch weiterhin sind verschiedene Augenzeugen fest von der Objektivität ihrer Beobachtung überzeugt. So korrespondierten wir heute zum Beispiel mit Markus Johann, der die Webseite „Save the Ruwertalpanther“ betreibt.

Er schrieb uns:

Ich war gestern auf dem Weg auf dem Ruwertalradweg Richtung Mertesdorf, mit einer jungen Frau, welche einen Kinderwagen und ein Kleinkind dabei hatte. Ich sagte nur, ich würde mein Kind nicht allein 100 Meter mit dem Roller vorfahren lassen – und kurz darauf erspähten wir das Tier ziemlich nahe des Ortes auf einer Wiese.

Ich nahm mein Handy raus und machte ein Foto.

Die große schwarze Katze jagte irgendwas in der Wiese, und von ihrem Sprung her war sie nicht gerade leicht, aber von ihrem Kopf her konnte ich von weitem dank meinem Fernglas sehen, dass es sich hierbei um eine weibliche Pantherdame handelt.

Und nun glaub ich auch an den Ruwertalpanther, den ich vorher für eine Legende hielt.“

Nachfrage: Wieso muss eine „große schwarze Katze“ unbedingt ein Panther sein? Antwort:

Na ein Panther ist zufällig eine Großkatze. Wildkatzen sind ja auch kleiner als 60 bis 70 cm Höhe und 1 Meter Länge, oder? Und der Schwanz von ’ner Haus- oder Wildkatze ist ziemlich kurz.“

Auch mit der Volksfreund-Redakteurin, die ihre persönliche Begegnung mit dem Panther in einem Artikel geschildert hatte, ergab sich gestern ein sehr freundlicher Mailwechsel. Dabei skizzierte die Journalistin noch einmal kurz ihr Erlebnis:

Ich habe mir das Tier (zunächst aus 30 und dann zehn Metern Nähe) daher recht lange angesehen. Denn mein skeptisches Hirn wollte von der Richtigkeit meiner Wahrnehmung überzeugt werden.

Das, was ich sah, fasse ich in folgende Worte: ein muskulöses Tier, etwa 70 Zentimeter hoch, mindestens ein Meter lang, glänzend schwarzes, dichtes, kurzes Fell, Katzengesicht, kleine runde Ohren. Seine Bewegungen waren geschmeidig und gesprungen ist das Tier wie eine Katze.

Meine Schlussfolgerung: ein schwarzer Panther.

Hätte ich nur den geringsten Zweifel an der Richtigkeit meiner Wahrnehmung oder der Richtigkeit meiner Schlussfolgerung, hätte ich meinen Augenzeugenbericht nicht geschrieben.“

An dieser Stelle möchten auch wir unsererseits noch einmal betonen, dass wir keinerlei Zweifel an der Aufrichtigkeit und Integrität der Augenzeugen hegen. Sollte dieser Eindruck während unseren eher launigen Blog-Berichterstattung zum Thema „Pantherjagd“ entstanden sein, entschuldigen wir uns selbstverständlich dafür.

In der Sache selbst indes sind wir nach wie vor von der Nicht-Existenz des mysteriösen „Panthers“ überzeugt.

Dann allerdings müssten wir Skeptiker darlegen,

… wie mein Gehirn es geschafft hat, mir so ne dicke Katze vorzugaukeln. Die ich ja nicht aus Ferne, nicht als Schemen, nicht im Dunkeln, nicht in betrunkenem Zustand, nicht in einer Ausnahmesituation, sondern am helllichten Tag bei einer Wanderung aus zunächst 30 und dann zehn Metern Entfernung gesehen habe. Erst stehend von der Seite, dann springend, dann laufend und dann ganz ruhig sitzend.“

Umgekehrt könnten wir Skeptiker eine Erklärung dafür einfordern, wieso diese „Panther“ seit 20 Jahren in ganz Deutschland gesehen werden, ohne je auch nur einen Beleg für ihre tatsächliche Existenz zu hinterlassen – außer verwackelten Handy-Filmchen, die immer schwer nach Stubentiger aussehen.

Aber gut.

Die Sache ist die, dass unsere Sinneswahrnehmung nicht wie ein Videorekorder funktioniert. Der amerikanische Psychologie-Professor James Alcock hat das so formuliert:

Unser Gehirn und unser Nervensystem ergeben zusammen einen glaubensgenerierenden Apparat, eine Maschine, die Glauben produziert, und zwar ohne jeden Respekt vor dem, was wahr oder echt ist und was nicht.

Diese Glaubensmaschine sucht sich Informationen aus dem Umfeld, formt sie um, kombiniert sie mit Informationen aus dem Gedächtnis und bringt so einen Glauben hervor, der für gewöhnlich gut zu den Ansichten passt, die man bereits hat.“

Mit anderen Worten: Wir binden das, was wir sehen, in ein System aus Erwartungen, Gefühlen und Erinnerungen ein.

Im Esowatch-Blog lesen wir – in anderem Zusammenhang – Folgendes dazu:

Hinzu kommt unser Hirn. Es ist nicht dafür gemacht, die ,Wahrheit‘ zu erkennen, sondern fungiert evolutionär als Überlebensinstrument. Dazu gehört die Selbsttäuschung, das selektive Wahrnehmen inklusive dem Umgekehrten, dem selektiven Wegschauen. Was dem Überleben dient, ist gut, ob nun real falsch oder nicht.

Die Natur ist da sehr pragmatisch und kennt keine Ethik oder Moral. Was unser menschliches Hirn auszeichnet, sind im Wesentlichen zwei Dinge: filtern und Lügen. Klingt nicht gut, ist aber so.

Weiter kommt erschwerend hinzu: Was wir persönlich erleben, gewichten wir wesentlich schwerer als die Berichte Anderer. Und unsere Erinnerungen sind auch sehr selektiv, ja oft sogar falsch. Psychologische Untersuchungen, z.B. zum False Memory Syndrom, haben das eindrücklich belegt.“

Stimmt.

Und um nun auf unseren Panther zurückzukommen: In der Tat könnte es evolutionär sinnvoller sein, ein „Raubtier“ frühzeitig zu erkennen/zu identifizieren, als einer unvermuteten Zufallsbegegnung in freier Natur einen harmlosen Charakter zu geben.

So wie ich als passionierter Jogger recht häufig auf dem Waldweg vor mir eine „Schlange“ wahrnehme, die sich bei näherer Betrachtung als Ast oder Stock herausstellt.

Die Menschen der Urgeschichte wurden auch danach ausgelesen, wie schnell und spontan sie Lebendiges von Nichtlebendigem, Gefährliches von Harmlosem unterscheiden konnten“,

sagt dazu der Soziobiologe Eckart Voland.

Im Zweifelsfall war es besser, einen Gegner selbst dort zu vermuten, wo keiner war.

Voland:

Jener Vorfahr, der nicht seinen Intuitionen folgte, sondern das Blätterrauschen einer abwägenden, rationalen Betrachtung unterzog, wäre nicht unser Vorfahr, wenn das Blätterrauschen tatsächlich von einem Feind oder Raubtier verursacht worden wäre.“

Auch die Rolle der Medien bei solchen Sichtungs-Wellen ist nicht zu unterschätzen. Denn für viele Menschen ist etwas allein schon deswegen „wahr“, weil es in der Zeitung gestanden hat oder im Fernsehen gezeigt worden ist.

Die unheimlichen schwarzen Panther sind wohl wenig mehr als eine Mixtur aus entlaufenem Haustier/Wildkatze/Luchs, Fehldeutung und Gerücht.

Aber wird eine „Panther-Sichtung“ allein durch den Aufwand, den Presse und Polizei um die vermeintliche Gefahr betreiben, quasi offiziell geadelt, ist auch der rationalste Zeitgenosse kaum mehr davor gefeit, in einem großen Hund oder einer Katze ein exotisches Raubtier zu sehen. „Zitationszirkel“ heißt das im Mediendeutsch.

Wieso indes stößt diese nüchterne Betrachtungsweise bei den Augenzeugen auf so viel Widerstand?

Die englische Psychologin Dr. Susan Blackmore erklärt:

Unsere Wahrnehmungen sind wenig mehr als Hypothesen unseres Gehirns. Diese Auffassung ist natürlich nicht leicht zu akzeptieren. Schließlich meinen wir alle, unser Gedanken und Empfindungen kontrollieren zu können. Irrtum. Das Gehirn regelt alles von allein.“

Dazu haben wir auch den Wahrnehmungsforscher Dr. Rainer Wolf vom GWUP-Wissenschaftsrat befragt:

Spinnen oder lügen Panther-, Ufo- und Yeti-Zeugen?

Nein, weder noch. Sie machen sich nur nicht klar, dass man sich auf seine Sinne oft nicht verlassen kann, dass jeder von uns ständig  Wahrnehmungstäuschungen unterliegt.“

Wieso passiert das nie zuhause im Garten, dass man in einer Katze einen „Panther“ erblickt?

Im wohlbekannten Umfeld des Gartens hat man die Möglichkeit zum Größenvergleich, der im Freien fehlen kann, besonders bei Dämmerlicht oder Dunkelheit.“

Was könnte der wahrnehmungspsychologische Hintergrund der zahlreichen Panther-Sichtungen in den letzten zwei Jahrzehnten in Deutschland sein?

Die Furcht vor Raubtieren ist uns ebenso angeboren wie die vor Gespenstern, und so neigen wir dazu, auch in diesem Fall zu sehen, was wir zu sehen erwarten.“

Aber muss man dann nicht an allem zweifeln, also auch zum Beispiel an der Existenz der Person, die mir gerade gegenüber sitzt?

Diese Haltung nennt man Solipsismus. Solipsisten behaupten, dass es auf der Welt nichts Reales gibt außer ihnen selbst – eine extreme (Über-) Reaktion auf den Naiven Realismus, der falsch ist.

Denn als Solipsist kann man überhaupt nicht verstehen, warum die wahrgenommene Welt, die ja als Scheinwelt gedeutet wird, Gesetzmäßigkeiten genügt, die es der Wissenschaft erlauben, sehr verlässliche Prognosen auch über künftiges Geschehen zu machen.

Mit anderen Worten: Naturwissenschaftler sind hypothetische Realisten (Konrad Lorenz) oder kritische Realisten (Karl Popper). Beide hinterfragen den Wahrheitsgehalt der wahrgenommenen Welt – aber ohne dabei in Beliebigkeit zu verfallen.“

Zum Weiterlesen:

2 Kommentare

  1. „[…]aus zunächst 30 und dann zehn Metern Entfernung gesehen habe. “
    Ich kenne Panther ja jetzt nur aus dem Zoo, aber bei einer Entfernung von 10m kämen mir wohl weniger Gedanken von wegen:“Toll, ein Panther!“, sondern eher was in Richtung: „Sche…, ist der Groß! Hoffentlich hat der keinen Hunger…“.

    Mir ist letztes Jahr in dern Stadt ein Fuchs aus einer dunklen Ecke entgegen gekommen und ich bin in nicht mal 5m Abstand an ihm vorbeigegangen. Eindeutig ein Fuchs…Im nachhinein hat das Tier, in meiner Erinnerung, die Größe eines Wolfes erhalten, mit leuchtenden Augen.
    Erinnerungen können trügerisch sein…

  2. Sehr sehr schön geschrieben! Endlich mal ein wenig Fachwissen, klar verständlich für verunsicherte Laien und Augenzeugen.
    Es gab ja das Gerücht der Panther sei ein Gag der Sendung Verstehen Sie spaß aus Trier.

    Wie auch immer: Beobachtungen oder Wahrnehmungen generell sind oft trügerisch, da subjektiv und immer gefiltert: „Die Landkarte ist nicht das Gebiet“ siehe NLP etc. etc.

    Weiter so!

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