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Geisterforschung in Edinburghs Gewölben

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Es geht auf Halloween zu – und auch die Tagespresse packt jetzt alles aus, was irgendwie spooky und scary ist. Zum Beispiel Gruselreisen. Eine „Mitternachtstour in Edinburgh“ hat es Welt, Spiegel und Süddeutscher Zeitung gleichermaßen angetan, die alle drei denselben Artikel bringen:

Schatten huschen vorbei, merkwürdige Stimmen erklingen: Bei einer nächtlichen Geistertour in Edinburghs Untergrund lernen selbst Mutige das Fürchten. Die Gewölbe sollen der spukreichste Ort Großbritanniens sein.“

Sogar ein leiser Hauch von Wissenschaft durchweht den atmosphärischen Erlebnisbericht: 

Charakteristisch für die Vaults sind plötzliche Temperaturstürze. Aber kann das alles sein? Der Parapsychologe Prof. Richard Wiseman von der Universität Hertfordshire hat die Wirkung der Vaults vor einigen Jahren mit 250 Freiwilligen untersucht. Das Ergebnis: Die Versuchspersonen berichteten in ausgewiesenen Spukräumen über weit mehr unerklärliche Erfahrungen, obwohl sie vorher nicht wussten, welche Räume dies waren. Einige sahen Erscheinungen, andere glaubten, beobachtet oder gar von Geisterhand befummelt zu werden.

„In einer Nachtsitzung baten wir eine Freiwillige, sich im Dunklen in eines der Gewölbe zu setzen und uns einfach zu erzählen, was ihr durch den Kopf ging“, schildert Wiseman. „Praktisch vom ersten Moment an berichtete sie, aus einer Ecke des Raumes ein Atmen zu hören, das lauter wurde. Sie glaubte, ein Aufblitzen oder eine Art Licht in der Ecke zu sehen, aber wollte nicht noch mal zurückschauen.“

Nun ja. Zum einen ist der skeptische Psychologe Wiseman weder Professor noch „Parapsychologe“. Und zum anderen taugt er nicht als Kronzeuge für echte Geistererscheinungen. Das Missverständnis rührt wohl von einer stark verkürzten Wiedergabe seines Experiments in dem Reisebericht her. Ein Wissenschaftsjournalist berichtete dagegen Folgendes darüber:

So gibt es zum Beispiel Versuche, den Vorgängen an bekannten Spuk-Orten auf den Grund zu gehen. Eine solche Studie fand vor einigen Jahren im englischen Schloss Hampton Court statt, wo eine der Frauen von König Heinrich VIII. eingekerkert und 1542 hingerichtet worden war. Eine andere Studie ging den Vorgängen in den berüchtigten Gewölben unterhalb der Straßen der schottischen Hauptstadt Edinburgh nach.

In beiden Fällen schickten Forscher um Richard Wiseman etliche Versuchspersonen in die Räume. Während die einen tatsächlich das Gefühl hatten, dort sei etwas Unerklärliches präsent, spürten die anderen … nichts.

Und wie Wiseman feststellte, unterschieden sich die beiden Gruppen. Gerade jene, deren Vorstellungsvermögen gut ausgeprägt war, erlebten auch eher einen Spuk. Sie stellen sich offenbar stärker darauf ein, dass etwas passieren könnte, und reagieren dann auf Sinneseindrücke wie Temperaturwechsel oder Luftzüge, wie sie in den alten Gemäuern immer wieder auftreten, sensibler. Bei ihnen kann es sogar zu echten Sinnestäuschungen kommen, wie etwa dem Gefühl, berührt worden zu sein.“

Spuk „existiert in dem Sinne, dass es in der Tat Orte gibt, an denen Leute ungewöhnliche Erlebnisse haben“, pflegt Wiseman selbst seine Erkenntnisse zu erläutern. Der Hobby-Zauberkünstler entdeckt also keine Geister, dafür aber mittels Temperaturscanner, Magnetfeldmesser und Lichtsensoren abrupte Temperaturabfälle, Magnetfelder, plötzliche Lichtveränderungen und durch zugemauerte Türen pfeifende Winde. Und solche physikalischen Effekte können leicht Sinnestäuschungen und Angstzustände auslösen, zumal die Besucher eines „Spukhauses“ ohnehin sensibilisiert ist für die unheimliche Atmosphäre des Ortes.

Auch NZZ Folio schrieb über den „Mann mit zwingendem Blick und fröhlicher Entschlossenheit, allen Tricks auf die Schliche zu kommen“:

Richard Wiseman nimmt es mit den verrufensten englischen Gruselorten auf. Wie schafft es Catherine Howard, die fünfte Ehefrau von Heinrich VIII., noch immer klagend durch die Gänge von Hampton Court zu streifen? Warum bewegen sich in den nicht minder berüchtigten düsteren Verliesen unter der Edinburger South Bridge Schatten und Schemen? Und warum fühlen die Besucher ganz deutlich eine feuchte Hand im Nacken und etwas Kaltes um ihre Beine streichen?

Alles eine Frage der elektromagnetischen Felder, stellte Richard Wiseman fest. Mal änderte sich ihre Stärke abrupt, mal fiel die Temperatur von einem Schritt zum nächsten so drastisch, dass sich seine Fingerkuppen weiss färbten. Zudem zog ein ebenso subtiler wie unangenehmer Lufthauch durch die Gewölbe, der das Haar zu Berg stehen ließ.“

Nichtsdesotrotz: Halloween lassen wir uns von solcherlei nüchternen Fakten natürlich keinesfalls vermiesen. Weitere Halloween-Gruselreisen, etwa zu Grüften, Schlössern und umspukten Hotels, gibt’s hier, hier oder hier.

Zum Weiterlesen:

Ein Kommentar

  1. Ah, die Ghost Tours in Edinburgh sind echt ein Highlight. Es gibt ein halbes Dutzend verschiedene Anbieter und seit Jahren werden jeden Tag Dutzende, wenn nicht gar Hunderte von Touris durch die Vaults und Friedhöfe geführt. Die brüsten sich zwar immer mit irgendwelchen Vorkommnissen, aber passiert ist noch nie was. Ich habe einige mitgemacht, denn das ist eine tolle und andere Art der Stadtführung. Die Geister sind dabei weniger interessant als die Reaktionen der Teilnehmer. Einmal waren Wicca-Hexen dabei, denen es dann ein wenig unheimlich wurde.
    Aber wie schon im Bericht aus der Süddeutschen zu lesen, kommt es wie so auf die eigene Einstellung an. Wer bei solchen Geistertouren arbeiten möchte, sollte nicht an Übernatürliches glauben. Das steht extra in den Jobangeboten drin, wie ich mal gesehen habe.

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