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Frauen und Esoterik: Der sechste (Un)Sinn

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Das Schöne an Flugreisen ist unter anderem das Zeitschriftenangebot – und die Möglichkeit, sich einige Stunden lang mit Titeln beschäftigen zu können, an denen man bislang stets vorbeigegriffen hat. Brigitte Woman zum Beispiel. Nach eigenen Angaben das Magazin „für Frauen über 40.“

Letzteres trifft tatsächlich auf mich zu, Ersteres nicht, aber ist ja auch egal. Jedenfalls hat es sich gelohnt, die September-Ausgabe (9/2010) bis zur letzten Seite durchzublättern. Denn dort, ganz zum Schluss, findet sich die Kolumne „Bis hierher. Und wie weiter?“ der Journalistin Regine Sylvester. Diesmal ging’s um das Thema „Esoterik“. Genauer gesagt: um Frauen und Esoterik.

Schon im vergangenen Jahr vermeldete das österreichische Web-Portal gesund.co, dass „besonders Frauen in der Altersgruppe ab 45 Jahren auf esoterische Heilmethoden“ ansprechen. Bei ShortNews steht zu lesen, „über die Hälfte (62 Prozent) der Frauen“ habe „schon mindestens einmal Hilfe aus dem esoterischen Bereich in Anspruch genommen“.

Manche Dinge gehen lange an einem vorbei“,

wird nun auch die Brigitte Woman-Kolumnistin eben dieses Phänomens gewahr.

Plötzlich bemerkt man sie und staunt, wie verbreitet und akzeptiert sie sind. So passierte es mir mit der Esoterik.“

Leidlich verblüfft registriert Regine Sylvester in ihrem engeren Umfeld Tarotkarten legende Cousinen, sternengläubige Fotografinnen sowie eine Freundin, die den nächsten Friseurtermin nach dem Mondkalender festlegt. Verhaltensweisen, die der Journalistin völlig fremd sind:

Vor vielen Jahren gab mir eine Schauspielerin, die sich nebenbei mit Sterndeutung beschäftigte, einen Rat. Er bezog sich auf Männer und lautete: ,Ich warne vor Fischen und Krebsen.‘ Das wirkte, denn ich war damals von einem Fisch geschieden und mit einem Krebs schon wieder unglücklich geworden. Als ich später auch mit ganz anderen Sternbildern kein Paar wurde, verlor ich den Glauben an die Astrologie.“

Andere nicht. „Die norwegische Prinzessin Märtha Louise betreibt eine Engelschule und erzählt Journalisten, dass ihr persönlicher Schutzengel nach Rosen riecht“, fördert Sylvester bei ihren Recherchen zutage, bei denen sie sich schließlich so irritiert fühlt „wie das Mitglied eines aussterbenden Stammes“. Und weiter:

Das Esoterische ist Frauensache. Das sagen die Buchhändler. Diese Frauen – oft schöne, schlanke Erscheinungen – sind gut ausgebildet und nicht mehr ganz jung, sie haben freie Zeit und finanziellen Spielraum. Ich begegnete bei Gesprächen keinem missionarischen Eifer, sondern sanfter Suche nach dem Sinn des Lebens.“

Mag sein – und dennoch widersteht die studierte Theaterwissenschaftlerin dankenswerterweise der Versuchung, dem ebenso trivialen wie hoch kommerzialisierten Eso-Boom die höhere Weihen einer „Lebenshilfe“ zu verleihen:

Ich glaube, dass ich den Sinn meines Lebens selbst bestimmen muss. Die Frauen glauben an die Existenz einer kosmischen Kraft, die ihnen bei Problemen helfen kann oder für sie entscheidet. Ich glaube an meine eigene Kraft und an die Naturwissenschaften. Man kann eben nicht mit allen netten Menschen einer Meinung sein.“

Stimmt. Auch wenn die Motive der Betreffenden mitunter durchaus verständlich sein mögen, wie Regine Sylvester am Ende andeutet:

Ich stehe im Berliner Kulturkaufhaus Dussmann vor der Regalwand mit esoterischer Literatur und notiere einige Titel: Heilen mit der Kraft des Geistes. Schamanische Techniken. Wissende Kristalle. Moderne Hexen. Die Löwenfrau. Die Wolfsfrau. Sechs Stufen zur Wahrheit. Das spirituelle Enneagramm. Für mich sind die das Themen wie von einem anderen Stern.

Eine Frau, schlank, Mitte 40, nimmt ein Buch und lässt sich entspannt in einen Sessel fallen. Sie liest sich lächelnd fest, fühlt sich verstanden. Im Vorübergehgen sehe ich den Titel: ,Alles zu viel.‘ Drei Wörter für ein bekanntes Lebensgefühl, Esoterik hin oder her.“

2 Kommentare

  1. Ein Besuch einer Esomesse,wie ich es neulich gemacht habe bestätigt das starke Interesse der genannten Gruppe,obgleich ich natürlich keine intensive Datenerhebung durchgeführt habe. Man merkte es auch bei den Vorträgen. Erfüllbare Beispielwünsche waren immer Geld und Männer…und andere Männer waren damit nicht gemeint ;)

  2. Alle Jahre mal wieder:

    „Warum junge, erfolgreiche Frauen plötzlich so esoterisch werden“:

    https://www.stern.de/neon/herz/psyche-gesundheit/warum-junge–erfolgreiche-frauen-ploetzlich-so-esoterisch-werden-8412228.html

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