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Die Bilderberger, der Euro und die Skeptiker

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Das Treffen der sagenumwobenen Bilderberg-Gruppe am vergangenen Wochenende war mal wieder so geheim, dass Der Spiegel sogleich darüber berichtete. Die Bild-Zeitung kam sogar auf die abgefahrene Idee, der „Geheim-Gipfel“ in Sitges bei Barcelona möge doch bitteschön mal eben so „den Euro retten“.

Phantastisch! Dann kann es ja jetzt nur noch rasant aufwärts gehen …

Oder auch nicht. Denn die „machtvolle Gruppe„, welche im Geheimen „die Geschicke dieses Planeten in die Hand“ nimmt, um „die Welt im Interesse der Superreichen zu lenken“, ist zum großen Teil überaltert und überflüssig geworden, schreibt der ehemalige Clinton-Staatssekretär David Rothkopf in seinem Buch „Die Super-Klasse – Die Welt der internationalen Machtelite“.
Zur Geschichte der Bilderberger heißt es dort:

Die Jahreskonferenz der Bilderberg-Gruppe hat Verschwörungstheoretikern reichlich Nahrung gegeben, seit sie Mitte der fünfziger Jahre von Bernhard zur Lippe-Biesterfeld, Prinz der Niederlande, erstmals einberufen wurde …

Bilderberg wurde auf Privatinitiative von Führungskräften aus Politik und Wirtschaft gegründet, die sich über Amerikas Engagement in Westeuropa Sorgen machten. Die Gruppe setzte sich aus Entscheidungsträgern in der Wirtschaft, Diplomaten, Akademikern, einflussreichen Militärs und Regierungsbeamten zusammen, einschließlich einiger Mitglieder von Geheimdiensten. Bilderberg ist stets bemüht, sich im Hintergrund zu halten …

Die Anstrengungen, die Mauer des Schweigens um die Bilderberg-Konferenz zu durchbrechen, haben inzwischen so etwas wie eine Spürhundindustrie hervorgebracht … Spekulationen über die Agenda der Gruppe reichen von der Weltherrschaft über eine Vereinigung Kanadas mit den USA und Mexiko bis hin zur Geheimhaltung der Technologie für treibstoffsparende Autos oder auch des Heilmittels gegen Krebs …“

Das übliche Verschwörungs-Geraune also. Warum aber die Geheimniskrämerei? Was haben die Bilderberger zu verbergen? Unbenommen der Tatsache, dass „privat“ nicht unbedingt „geheim“ bedeutet, befragte Rothkopf dazu einige Bilderberger und zitiert einen „Stammgast“ der Bilderberg-Konferenzen:

Bei den letzten zwölf Treffen war ich fast immer dabei. Da passiert überhaupt nichts. Das ist eine Tagung von 120 hochgestellten älteren Herrschaften. Die Leute dort sind alt, und ich sage das nicht zum Spaß … Ursprünglich war Bilderberg ein klassisches Beispiel für Machteliten: Eine kleine Anzahl von Europäern und Amerikanern trafen sich vollkommen geheim irgendwo auf der Welt, als sie wirklich noch einflussreich waren, und versuchten, Übereinstimmung über etwas zu erzielen.

Das war in den fünfziger Jahren, und die Übereinkunft, die sie erzielten, bewegte sich im Rahmen der existierenden Strukturen der NATO und des Marshall-Plans.
Heute sind Bilderberg und die Trilaterale Kommission bedeutungslos und haben nur noch eine Funktion als Networking-Foren. Oprah Winfrey übt heutzutage mehr Einfluss aus als jeder Teilnehmer von Bilderberg.“

Dreiste Lügen und Verschleierung? Mag sein, mag nicht sein. Jedenfalls schreibt auch die eher konspirationsfreundliche Autorin Charlotte Greig in ihrem Buch „Intrigen&Komplotte“ den Bilderbergern nur einen Hauch mehr Einfluss zu als Rothkopf:

Die Behauptung, dass Bilderberg eine Organisation ist, die sich der Globalisierung verschrieben hat, scheint aber Substanz zu haben … Die Globalisierung ist nun aber nicht gerade ein Geheimprojekt. Um das erkennen, muss man nur einmal durch eine Einkaufsstraße laufen, egal ob in Berlin oder Baltimore …

Des Pudels Kern ist wohl eher, dass sich heute die politische, wirtschaftliche und mediale Macht zunehmend auf einige wenige Menschen konzentriert – und die Bilderberg-Gruppe ist ein Teil davon. Sie ist eine Ansammlung von Personen, deren Macht unser Leben ohnehin schon dominiert und die einfach ihre Interessen weiter fördern wollen.“

Das klingt zumindest nicht völlig unvernünftig – und ist doch ziemlich weit entfernt von den Phantastereien eines Andreas von Retyi, nach denen „die Hohepriester der Macht“ bei ihren Treffen nichts weniger als „unser aller Zukunft“ festlegen. Oder, wie David Southwell/Sean Twist es in „Verschwörungen – Die 100 spektakulärsten Fälle“ ironisch formulieren: „Die reichsten Menschen der Welt sind in Wahrheit auch die, die sie regieren? Oh, wie ungewöhnlich …“

Und wie war das mit dem Fall der Berliner Mauer, über den laut von Retyi ebenfalls die Bilderberger entschieden haben? Nun ja, anscheinend sind die Bilderberger mit ähnlichen Begabungen wie „Wahrsager“ und „Hellseher“ gesegnet. Im „Großen Handbuch der Geheimgesellschaften“ lesen wir dazu:

1988 war der langjährige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl zu Gast bei der Bilderberg-Konferenz in Tirol, wo er zur deutschen Frage sprach – und im Jahr darauf fiel die Berliner Mauer! Welch ein Zusammentreffen! Hatten die Bilderberger etwa den Fall der Mauer beschlossen, geplant und in die Wege geleitet? …

Natürlich war es kein Zufall, dass die deutsche Frage auf der Tagesordnung genau jener Konferenz 1988 stand. Wer die weltpolitische Entwicklung genau beobachtet, wie es in Vorbereitung der jährlichen Zusammentreffen ständig geschieht, konnte durchaus bereits 1988 ahnen, dass die deutsche Frage zu den zentralen Themen der Weltpolitik gehörte und gehören würde.“

Und was die Sache mit dem Euro angeht: Mittlerweile wäre es mir fast lieber, wenn überhaupt irgend jemand einen Plan hätte – anstatt unentwegt im Chaos herum zu lavieren.

Zum Weiterlesen:

5 Kommentare

  1. Den geneigten Verschwörungstheoretiker kann freilich nichts davon abhalten, diesen Text als Propaganda zu klassifizieren.

  2. Apropos Helmut Kohl:

    Dr. Helmut Kohl feiert heute seinen 86. Geburtstag.

    Neben Helmut Schmidt war für mich der große Helmut Kohl der beste Bundeskanzler in der deutschen Geschichte.

  3. @Pierre Castell:
    Naja, darüber kann man durchaus geteilter Meinung seim. Immerhin stehen zwei Spendenskandale und sein berühmtes „Ehrenwort“ in seiner Vita. Dazu die Leuna-Affäre und der Beratervertrag mit Kirch.
    Und nicht zu vergessen seine Programmatik, die ja auch Merkel meist auszeichnet: Das mittlerweile geflügelte Wort des „Aussitzens“ von Problemen.
    Am „Kanzler der Einheit“ war er wohl am unschuldigsten.
    Ich erinnere lediglich seine, gefühlt ewige, Amtszeit als miefig, stickig, ohne Weiterentwicklung unserer Gesellschaft.

  4. @ P. Castell:

    „Neben Helmut Schmidt war für mich der große Helmut Kohl der beste Bundeskanzler in der deutschen Geschichte.“

    Sorry, aber zwischen „den beiden Helmuts“ liegen für mich Welten. Sie auf dieselbe Stufe zu stellen, empfinde ich als äusserst anmassend. (Und das sage ich auch als jemand, der beide persönlich kennenlernen durfte.)

  5. @ noch’n Flo Erscheint mir auch so, auch wenn ich mich nicht auf persönliche Kenntnis berufen kann……

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