gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Die Aids-/Chemtrails-Verschwörung

| 4 Kommentare

Bei der Suche nach dem neuesten Stand in Sachen Chemtrails mal wieder über eine Spinner-Seite gestolpert: „Jim Phelps über die globale Erwärmung, Chemtrails, BSE und HIV.“
Aha. Und was hat der Mann zu HIV zu sagen? Absurditäten wie dieses:

Ob es gefällt oder nicht, die globale Erwärmung ist direkt mit dem AIDS-Problem verbunden, da diese Fluoride und Metalle in die Ökosysteme und in die Körper der Menschen hineingelangen. AIDS ist eine weitgehend von Menschen erzeugte Krankheit die bleibt, weil sie nicht zugeben wollen, warum sie entstanden ist und sie so die Erdbevölkerung reduzieren wollen. AIDS ist eine ausgesprochen anti-afrikanische Krankheit, da es die größten Teile Afrikas entvölkern soll.“

Der Psychologe Sebastian Bartoschek, mit dem ich beim Publikumstag der GWUP-Konferenz am 13. Mai in Essen um 18 Uhr über Verschwörungstheorien spreche (zusammen mit „Bielefeld gibt es nicht“-Erfinder Dr. Achim Held), hat den Glauben an Vernunft und Rationalität noch nicht verloren und empfiehlt „einen entspannten Umgang mit Verschwörungs-Anhängern“. Im Online-Portal der WAZ-Mediengruppe wird er dazu wie folgt zitiert:

Die Leute wollen einfach nur eine plausible Antwort“, glaubt er. „Wo sind die Beweise?“, würde er fragen und „Macht das überhaupt Sinn?“ „Ganz unaufgeregt drüber reden“, lautet sein Rat für die nächste diskussionsfreudige Runde.

Man kanns ja mal versuchen. Mit einem kleinen Exkurs zum Thema „Aids und Afrika“ zum Beispiel.

Tatsache ist: Keine Region in der Welt ist von der Immunschwächekrankheit Aids so stark betroffen wie das südliche Afrika.  Aids ist mittlerweile für eine Reihe von Staaten zur Existenzfrage geworden.
In Swasiland etwa sollen mehr als ein Viertel der erwachsenen Männer und Frauen HIV-positiv sein. Im WM-Gastgeberland Südafrika 18 Prozent, in Namibia über 15 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Aids-Rate bei 0,1 Prozent. Damit leben über 60 Prozent aller Aids-Infizierten (etwa 26 Millionen Menschen)  südlich der Sahara. Die durchschnittliche Lebenserwartung dort ist wegen der Immunschwächeerkrankung um mehr als zehn Jahre gesunken und beträgt 47 Jahre. Ohne Aids wären es etwa 62 Jahre.

Die amtlichen Statistiken mögen ungenau sein, die Erfassungsmethoden werden hier und da angezweifelt; dennoch nimmt die Ausbreitung des Aids-Virus in Afrika unbestritten epidemische Ausmaße an.
Dafür ist ein komplexes Geflecht unterschiedlicher Faktoren verantwortlich, darunter Armut, Krieg, Benachteiligung von Frauen und Diskriminierung der Infizierten, unzureichende Gesundheitsversorgung und mangelnde Information und Bildung. Die Hauptgründe lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen:

1. Die Präventionskampagnen begannen viel zu spät.

Während in Europa und Nordamerika die Bevölkerung schon früh nach der Entdeckung des HI-Virus Anfang der 1980er-Jahre durch die Massenmedien über Übertragungswege und Vorbeugung informiert war, blieb Aids in vielen Teilen Afrikas lange Zeit ein Tabuthema. Dadurch hatte die Infektionskrankheit fast zwei Jahrzehnte Zeit, sich ungehindert zu verbreiten.
Außerdem: Der Kampf gegen Aids, Aufklärungskampagnen etc. erfordern hohe finanzielle Aufwendungen. Die afrikanischen Regierungen haben Schwierigkeiten, diese Mittel bereitzustellen, und immer wieder blockieren Korruption und politische Gewalt wirkungsvolle Antworten auf die Krise.

2. Es fehlen Kondome und Medikamente.

Um die Aids-Epidemie wirksam einzudämmen, müssten Kondome in ausreichender Menge und Qualität zu annehmbaren Preisen zur Verfügung stehen und zugleich offensive Aufklärung betrieben werden, damit die Verhütungsmittel auch akzeptiert werden.
Abgesehen von der Republik Südafrika werden jedoch in keinem anderen Staat südlich der Sahara Kondome produziert, sondern der Bedarf an Kondomen wird ausschließlich durch Spenden oder Importe gedeckt.
Und: Die Übertragung des HI-Virus von Mutter zu Kind spielt in den Industrieländern praktisch keine Rolle. In Afrika dagegen gibt etwa ein Drittel der HIV-positiven Mütter das Virus an ihr Kind weiter. Dieses Risiko, dass sich das Baby während der Schwangerschaft, der Geburt oder beim Stillen bei der Mutter ansteckt, kann mit Medikamenten entscheidend gesenkt werden.

In Afrika bieten die großen Pharmafirmen ihre Markenprodukte aber nicht an und es gibt auch keine Nachahmerpräparate dieser Mittel. Auf diesen Missstand hat zum Beispiel die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ auf der Internationalen Aidskonferenz ICASA Ende 2005 in Nigeria hingewiesen.

Hinzu kommt, dass Kinderreichtum in Afrika einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert hat. Eine große von Nachkommen sichert nicht nur die Altersversorgung, sondern ist Ausdruck eines erfüllten und glücklichen Lebens. HIV-positive Paare zeugen weiterhin Kinder, weil Kinderlosigkeit ein gesellschaftlicher Makel und zudem noch für jedermann sichtbar ist. Ein Entwicklungshelfer wird im Internet so zitiert: „Ich erzählte einem infizierten Ehepaar, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, ein HIV-positives Kind zu zeugen. Die unerwartete Reaktion darauf war, dass man eben mehr Kinder zeugen müsse, damit auch gesunde darunter seien.

3. Prostitution, sexuelle Ausbeutung und körperliche Gewalt.

In Afrika haben Mädchen und junge Frauen mittlerweile eine höhere Infektionsrate als gleichaltrige Männer. Ein Grund hierfür ist, dass junge Mädchen in persönlichen Zwangslagen häufig (ungeschützten) Sexualverkehr mit älteren Männern haben, die ihrerseits eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, HIV-positiv zu sein.
Beispiele sind Lehrer, die für Sex gute Noten versprechen. Auch besteht noch vielerorts der überlieferte Aberglaube, dass sich ein Mann durch Geschlechtsverkehr mit einer Jungfrau von einer Geschlechtskrankheit „reinigen“ kann.
Anderes Beispiel: Eine traditionelle Form der Witwenversorgung besteht vielerorts immer noch darin, dass die Frauen in den Besitz eines männlich Verwandten übergehen. Dieses System, das früher dazu diente, die Hinterbliebenen zu versorgen, ist in den Zeiten von AIDS ein großes Problem.

Generell wird das Sexualverhalten in Afrika von den Männern bestimmt. Um den traditionellen Sexualnormen zu entsprechen, haben sie oft mehrere Partnerinnen und viele lehnen den Gebrauch von Kondomen ab. Umgekehrt haben viele Mädchen und Frauen nie gelernt, über ihre Sexualkontakte und -praktiken selbst zu bestimmen.
In Westafrika ist wiederum Prostitution eine wesentliche Ursache für die Ausbreitung von Aids, in Botswana beispielsweise entlang der viel befahrenen Fernfahrerstraßen und Handelswege.

4. Tabuisierung.

Viele Afrikaner sprechen aus Angst vor Ausgrenzung nicht über Aids-Erkrankungen oder Aids-Todesfälle in der Familie.
Denn das Thema AIDS ist in Afrika immer behaftet mit Scham, Schuld, Furcht und Diskriminierung der Betroffenen. Eine junge Frau, die sich in einer Fernsehsendung zu ihrer HIV-Infektion bekannte, wurde von ihrer Nachbarschaft zu Tode gesteinigt, weil sie durch die Veröffentlichung Schande über die gesamte Gemeinde gebracht hatte.
Das führt natürlich dazu, dass die Betroffenen ihre Infektion verschweigen oder gar vor sich selbst verleugnen. Viele Menschen lehnen einen HIV-Test ab oder holen ihre Ergebnisse nicht ab, und darunter sind überdurchschnittlich viele Infizierte. Das weist darauf hin, dass sich nicht wenige Menschen scheuen, Gewissheit über ihren Zustand zu haben, obwohl sie ahnen, dass sie sich angesteckt haben könnten.

5. Krieg, Flucht und Vertreibung.

Mannigfaltige soziale Katastrophen zerstören Familienbande, soziales Gefüge und gesellschaftliche Ordnungen in Afrika und fördern so die Ausbreitung der Krankheit. Mobilität ist ein wesentliches und kennzeichnendes Merkmal der aktuellen Situation vieler Gesellschaften südlich der Sahara, die sich im Übergang von traditionellen Kulturen zu Industrienationen nach westlichem Vorbild befindet. Die Menschen suchen ständig nach Möglichkeiten, ihren Unterhalt zu sichern.
Sie ziehen zur Arbeitsuche in die Städte, besuchen größere Märkte, um Ware zu verkaufen und arbeiten in weit entfernten Großfarmen, Fabriken und Minen. So schrumpfen die Großfamilien der dörflichen Gemeinschaften und die Trennung der Familien begünstigt außereheliche Sexualkontakte und häufigeren Partnerwechsel.

Der ominöse Herr Phelps dagegen phantasiert sich zusammen: 

Wir erforschten auch den Ostafrikanischen Graben mit seinen erdzerreissenden Kräften und den ausserordentlich hohen Fluoridgehalten im Wasser und den dort angebauten Feldfrüchten. Alle Gegenden, die diesen schädlichen Einflüssen ausgesetzt sind, weisen auch hohe Raten der HIV-Übertragung auf. Dies sind die finsteren Seiten der nationalen Sicherheitsmethoden und derjenigen, die die Absicht haben, zu töten.“

Dazu sagen wir jetzt besser nichts. Und weisen statt dessen lieber noch auf die engagierte Aufklärungsseite chemtrails-märchen hin.

4 Kommentare

  1. Dieser Jim Phelps ist so abgefahren jenseits von Gut und Böse, daß ich mich wundere, wieso sich jmd. ernsthaft mit seinem geistigen Auswurf beschäftigt.

  2. Wie schade, dass die empfohlene „chemtrails-märchen“-Seite, neben der (völlig legitimen und begrüßenswerten!) Aufklärung über ihr eigentliches Thema und der ebenso wichtigen Entlarvung rechter Esoteriker, dann doch wieder Werbung für die links-grünen Menschenverächter von Greenpeace macht, und das den Chemtrails im intellektuellen Niveau garnicht unähnliche Ammenmärchen vom „Klimawandel“ propagiert. Insofern also Vorsicht bei der Lektüre – – – die farbgewandelten Sozialisten (ob rot, ob braun, ob grün) sind Freiheits- und Fortschritssfeinde wie eh und je.

    Merke: Ziehe erst den Balken aus dem eigenen Auge, ehe du den Splitter im Auge des anderen bejammerst!

  3. @ChrisZ: Nun, man muss Greenpeace ja nicht mögen, aber ob man deshalb zum „Klima-Leugner“ werden sollte? Ich denke, zu diesem Thema finden Sie in diesem Blog auch einiges Material – Greenpeace-unabhängig und trotzdem solide.

  4. @ChrisZ: Greenpeace hin oder her, ich nehme ja mal an, dass sie – so wie ihr Kommentar verfasst ist – beim besten willen nicht dumm oder ein crank sind, daher kann ich nur annehmen, dass sie einer gewaltigen Menge an Fehlinformation aufgesessen sind, wenn sie den Klimawandel als „Ammenmärchen“ bezeichnen. Dem sollte sich durch geeignete Lektüre recht schnell nachhelfen lassen.
    kurzes suchen bei scienceblogs liefert folgenden empfehlenswerte artikel:
    http://www.scienceblogs.de/frischer-wind/2008/07/klimaskeptizismus-und-peer-review.php

    und wem die Zahlenspielereien von Klima“skeptikern“ zu denken geben sollten, hier wird sehr nett auf ein konkretes beispiel aus dem spiegel eingegangen:
    http://www.scienceblogs.de/primaklima/2009/11/what-the-hell-are-they-talking-about-der-spiegel-zum-ende-der-globalen-erwarmung.php

    Die Wissenschaft ist sich in Bezug auf den Klimawandel ziemlich einig.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.